R a s s i s m u s T ö t e t
Jährlich sterben zahlreiche Menschen durch die Abschottungspolitik der Festung Europa. Tote bei Deportationen werden bewusst in Kauf genommen. Marcus Omofuma ist kein Einzelfall....

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letzte Änderung: 02.10.2002
 

     
 
  Das Urteil im Verfahren gegen die drei Fremdenpolizisten im Wortlaut
Rassismus | Operation Spring | deportatioNO | Linx

   

Der Prozess - das Urteil


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Republik Österreich
Landesgericht Korneuburg
611 Hv 304/01g
Im Namen der Republik!
Das Landesgericht Korneuburg als Schöffengericht hat in der Strafsache gegen
1.) Josef Bingler geb. a, 26.08.1958 verheiratet, Kriminalbeamter;
2.) Johann Rosner, geb am 18.12.1958, verheiratet, Kriminalbeamter;
3.) Alexander Kreuzberger, geb am 19.04.1966, ledig, Kriminalbeamter
wegen § 312 Abs 1, 1. Fall, und 3, 3. Fall, StGB, unter dem Vorsitz des Richter des LG Dr Alexander Fiala, in Anwesenheit des beisitzenden Richters des LG Mag Helmut Neumar, der Schöffen Helmut A. und Rudolf S., des öffentlichen Anklägers EStA Mag Kurt Demler, der Privatbeteiligten Ines Mahu sowie des Vertreters der Privatbeteiligten Dr. Georg Zanger, der Angeklagten Josef Bingler, Johann Rosner und Alexander Kreuzberger sowie deren Verteidiger Dr. Farid Rifaat (Für Josef Bingler und Johann Rosner) und Harald Ofner (Für Alexander Kreuzberger), und der Schriftführerin VB Sabine M., durchgeführten Hauptverhandlung am 15.4.2002 zu Recht erkannt:
Josef Bingler, Johann Rosner und Alexander Kreuzberger sind schuldig, sie haben am 1.5.1999 auf dem Flughafen Wien-Schwechat und während des Fluges nach Sofia in einem Flugzeug der Balkan Air bei der Abschiebung des sich in Schubhaft befindlichen Marcus Omofuma nach Nigeria dadurch, dass sie diesen nachdem er bereits mit Klettverschlüssen an den Händen und Beinen gefesselt war, den Mund mittels Leukoplast und einem Paketklebeband zuklebten, in der Folge dann in das Flugzeug trugen, ihn dort an die Rückenlehne "klebten", indem sie mit erheblicher Kraftaufwendung ein Paketklebeband um den Oberkörper, die am Körper angelegten Oberarme und die Rückenlehne klebten, und zwar in der Weise, dass das Klebeband von Ellbogenhöhe bis Schulterhöhe bzw. Halsansatz reichte, seinen Kiefer mit Paketklebeband nach oben und seinen Kopf an die Nackenstütze fixierten und kurzzeitig mittels eines Klebebandes den Oberkörper gegen die Rückenlehne drückten, in der Folge dh während des Fluges, und zwar zwei- bis dreimal, immer wenn Marcus Omofuma "Laute" von sich gab, neuerlich unter Kraftanstrengung mehrere Windungen Paketklebeband in der beschriebenen Art und Weise anbrachten, wobei durch diese Verklebungen (Mund und Oberkörper) die Atmung des Marcus Omofuma wesentlich eingeschränkt wurde und er daher keine Möglichkeit hatte, sich in irgend einer Weise verständlich zu machen, somit unter besonders gefährlichen Verhältnissen, und es in der Folge dh während des Fluges unterließen durch hinreichende und zweckentsprechende Kontrollen, die Lebensfunktionen des Marcus Omofuma zu überprüfen bzw die Verklebungen zu beseitigen bzw zumindestens entsprechend zu lockern, fahrlässig den Tod des Marcus Omofuma herbeigeführt.
Sie haben dadurch begangen
Das Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z 1 StGB und werden hierfür nach dieser Gesetzesstelle alle drei Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von je 8 (acht) Monaten sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird hinsichtlich aller drei Angeklagter die verhängte Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Gemäß § 366 Abs 2 StPO wird die Privatbeteiligte Ines Mahu sowie die übrigen Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Entscheidungsgründe:
Aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens, nämlich der Anzeige, der Erhebungen der Sicherheitsbehörden in Österreich und in Bulgarien, der Strafregisterauskünfte, der Gutachten Prof Dr Stoytcho Radanov, Univ Prof Dr Christian Reiter sowie der dazugehörigen Subgutachten, Univ Prof Dr Herbert Budka und Univ Prof DDr hc Bernd Brinkmann, der Beilagen ./I bis ./IX sowie der Beil ./A (Foto- bzw Bilderbeilage zu dem mündlich vorgetragenen Gutachten Dris Reiter) der Einvernahme der Zeugen Alfred Dienstl, Siegfried Karner, Oskar Gareis, Gerald Widlhofer, Ivan Kostov, Anna Petrova Marinova-Pedrozova, Atanas Iordanov Engiozov, Vesselin Julianov Lichkov, Christian Zillinger, Herbert Kellner, Karl Herz, Kurt Kodytek, Dr Franz Löschnak, Dr Caspar Einem, Mag Karl Schlögl, Susanna Van B., Esther Willems van N., Gregor Schäfer, Tijn Boissevain Van H., Anja B., Rob D., Mag Terezija Stojsits und Dr Gerti Wyskocil, weiters durch Verlesung der Zeugenaussagen Maja Ivanova Deribeeva, Magdalena Dimitrova Mladenova, Vladimir Ivanov Toschkov, Savin Evgueniev Ribarov, Vasil Stoynov Iliev, Dr Angel Kotcho Angelov Kibarski im Zusammenhalt mit der Verantwortung der Angeklagten wurde nachstehender Sachverhalt festgestellt und als erwiesen angenommen:
Der am 26.8.1958 geborene, bisher unbescholtene Erstangeklagte Josef Bingler ist Kriminalbeamter mit einem monatlichen Nettoeinkommen von ca S 20.000.- (ca EUR 1453,-) 14 mal im Jahr. Er besitzt einen PKW der Marke Audi Baujahr 1991 und ist sorgepflichtig für seine Gattin, Die im Haushalt tätig ist sowie für vier Kinder im Alter von 6, 12, 21 und 23 Jahren.
Der am 18.12.1958 geborene, bisher unbescholtene Zweitangeklagte Johann Rosner ist Kriminalbeamter mit einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. S 20.000,- (ca. EUR 1.453,-), 14 mal im Jahr. Er besitzt einen PKW Mercedes 190 E, Baujahr 1988 und ist für seine Gattin, die keiner Arbeit nachgeht, sorgepflichtig.
Der am 19.4.1966 geborene, bisher unbescholtene Drittangeklagte Alexander Kreuzberger ist von Beruf Kriminalbeamter mit einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. S 19.000,- (ca. EUR 1.380,-), 14 mal jährlich. Er besitzt ein Auto Marke Pontiac, Baujahr 1985, er ist ledig und lebt in Lebensgemeinschaft, wobei er sorgepflichtig ist für ein 2-jähriges Kind.
Die drei Angeklagten hatten den Auftrag, am 1.5.1999 den zu diesem Zeitpunkt noch nicht 25-jährigen nigerianischen Staatsangehörigen Marcus Omofuma im Luftwege noch Nigeria abzuschieben. Die Flugroute führte von Wien mit einer Zwischenlandung in Sofia nach Lagos.
Marcus Omofuma reiste von der Bundesrepublik Deutschland am 16.9.1998 nach Österreich ein und stellte in Österreich einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Dieser Antrag wurde am 7.12.1998 von der 1. Instanz abgewiesen. Die Bezirkshauptmannschaft Baden verfügte aufgrund dieser Entscheidung am 15.12.1998 die Ausweisung des Marcus Omofuma gemäß § 33 Abs 1 FrG 1997 und ordnete die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung an. Marcus Omofuma wurde am 9.2.1999 in das Polizeigefangenenhaus der Bundespolizeidirektion überführt. In der Folge wurde von der 2. Instanz die erstinstanzliche Abweisung des Asylantrages bestätigt, worauf die Bezirkshauptmannschaft Baden das fremdenpolizeiliche Büro der Bundespolizeidirektion Wien ersuchte, Marcus Omofuma im Luftweg nach Nigeria abzuschieben. Zwischenzeitlich wurde auch seitens der nigerianischen Botschaft das Heimreisezertifikat ausgestellt. Die Abschiebung sollte mit dem Flug LZ 462 der Balkan Air, wie bereits ausgeführt, am 1.5.1999 erfolgen.Am 1.5.1999, gegen 15.30 Uhr wurde Marcus Omofuma von den drei Angeklagten vom Polizeigefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Wien zu der Abschiebung abgeholt. Noch im Gefangenenhaus wurde er seitens der Angeklagten befragt, ob er krank sei, was dieser verneinte und ob er die Toilette aufsuchen wolle, was er auch durchführte. Im Zuge des Gesprächs teilte Marcus Omofuma den Angeklagten auch mit, dass er nicht gewillt sei in seine Heimat zurückzukehren, worauf, weil die drei Angeklagten aufgrund dieses Verhaltens Widerstand befürchteten, die Hände des Marcus Omofuma mittels eines Klettbandes vor den Körper geschlossen wurden.
Mittels eines VW-Transporters wurde Marcus Omofuma in Begleitung der drei Angeklagten vom Polizeigefangenenhaus zum Flughafen Wien-Schwechat gebracht. Während der Fahrt kam es zu keinerlei Besonderheiten, dh Marcus Omofuma verhielt sich ruhig. Nach der Ankunft am Flughafen führte der Erstangeklagte Bingler das Einchecken durch und teilte seinen Kollegen der Grenzkontrolle mit, dass sie eine Abschiebung haben, wobei eventuell Schwierigkeiten zu erwarten seien. Da auf das Rollfeld ein Zivilfahrzeug nicht alleine fahren darf, wurde ein Fahrzeug mit Blaulicht zur Verfügung gestellt und die Zeugen Karner und Widlhofer der Abteilung Kranich sowie die Zeugen Gareis und Dienstl zu der Amtshandlung als Unterstützung beigezogen. Der Zeuge Gareis hatte gleichsam die Koordination der Abschiebung im Bereich des Flughafens durchzuführen und setzte sich deshalb auch mit dem Stationmanager der Balkan Air, dem Zeugen Kostov, in Verbindung. Gareis wurde vom Erstangeklagten Bingler begleitet. Dem Zeugen Kostov wurde mitgeteilt, dass der Abzuschiebende ruhig sei und andererseits teilte Kostov mit, dass für den Fall des Schreiens dem Abzuschiebenden der Mund zu verkleben sei.
Der Zeuge Kostov war in der Regel der Ansprechpartner der Balkan Air für Beamte, die Häftlinge im Luftweg mittels der Balkan Air abzuschieben hatten. Bei diesen Abschiebungen hat Kostov die begleitenden Beamten immer wieder darauf hingewiesen, dass der Abzuschiebende ruhig zu sein hat und ihm allenfalls der Mund zu verkleben sei.
In der Folge dann, dh unvermutet, begann Marcus Omofuma gleichsam zu toben und versuchte aus dem Dienstfahrzeug zu flüchten. Er schlug mit voller Wucht mit seinem Kopf gegen die Seitenscheibe des Fahrzeuges. Durch diese Vorgangsweise wollte er sich selbst eine Verletzung zufügen. Wenn ein Abzuschiebender eine Verletzung aufweist bzw sich eine Verletzung zufügt, ist der Abschiebevorgang sofort abzubrechen; dh durch eine solche Selbstverletzung hätte Marcus Omofuma seine Abschiebung verhindern können. Die Angeklagten, mit Unterstützung der Sicherheitswachebeamten versuchten nun im Fahrzeug eine Selbstverletzung des Marcus Omofuma zu verhindern, wobei Marcus Omofuma wild um sich schlug, mit den Füßen gegen die Beamten trat und auch versuchte die Beamten zu beißen. Den Drittangeklagten Kreuzberger verletzte Marcus Omofuma durch einen Biss in die rechte Hand. In der Folge gelang es dann den Beamten Marcus Omofuma, indem von hinten der Kopf gehalten wurde, die Oberarme mit Klebebänder zu fixieren und auch die Beine, und zwar vom Knie abwärts mit einem Klebeband zu fesseln. Da Marcus Omofuma laut schrie, wurde diesem von den Angeklagten Rosner und Kreuzberger der Mund mittels eines ca 5 cm breiten Leukoplastbandes zugeklebt. Dieses Leukoplast hat sich kurz nach seinem Anbringen durch die Mundbewegungen des Marcus Omofuma gelöst und wurde ein weiteres Band und zwar ein Paketklebeband nun über dem Mund und um den Kopf gelegt. Die Verklebung des Mundes war letztlich so, dass sie bis zu den Nasenlöchern reichte, diese aber frei waren.
Durch diese Vorgangsweise konnte Marcus Omofuma einerseits nicht mehr gehen (Fesselung der Beine vom Knie abwärts) bzw konnte er mit den Ellbogen nicht mehr herumstoßen, weil – wie bereits festgestellt – die Arme am Oberkörper mittels eines Klebebandes befestigt wurden. Als sich Marcus Omofuma in diesem Zustand befand, hat der Stationmanager, der Zeuge Kostov in den VW-Bus hineingesehen und gegen diese Vorgangsweise gegenüber den Angeklagten keinen Einwand vorgebracht; vielmehr sagte er "okay".
In der Folge wurde dann Marcus Omofuma über die Gangway in das Flugzeug getragen, wobei er sich vorerst noch versuchte zu wehren, soweit ihm dies in seinem Zustand möglich war. Im Flugzeug waren auf der rechten Seite (in Flugrichtung gesehen) die zwei letzten Sitzreihen für die Abschiebung reserviert; dies ist eine übliche Vorgangsweise. Marcus Omofuma wurde in die letzte Sitzreihe gesetzt und als er versuchte mit dem Kopf gegen die hintere Wand des Flugzeugkörpers zu schlagen, wurde er in die vorletzte Reihe, und zwar auf den sogenannten Fensterplatz gesetzt. Es wurde ihm der Sicherheitsgurt im Beckenbereich angelegt, und zwar in der Art und Weise, dass die Hände bzw die Unterarme unter diesem Beckengurt sich befanden und somit dadurch fixiert wurden. Da Marcus Omofuma mit dem Kopf gegen Teile des sich in diesem Bereich befindlichen Notausganges bzw Notrutsche stoßen wollte und auch versuchte mit dem Kopf gegen den neben ihm sitzenden Erstangeklagten Bingler zu stoßen, wurde der Kopf mittels eines Klebebandes an die Nackenstütze fixiert und überdies ein Klebeband in der Weise angelegt, dass es gleichsam um den Kopf gelegt wurde, und zwar so, dass es vom Kinn nach oben über das Schädeldach geführt wurde. Da Marcus Omofuma weitere Tätlichkeiten in der Art setzte, dass er mit der Lehne versuchte nach vor bzw zurück sich zu bewegen, wurde der Oberkörper des Marcus Omofuma mittels Klebeband an die Rückenlehne in der Weise befestigt, dass unter erheblicher Kraftaufwendung dieses Klebeband um den Oberkörper und die Rückenlehne und auch über die Oberarme gewickelt wurde, wobei diese "Umwickelung" vom Schulterbereich bis ca Ellbogenbereich reichte. Der Umstand, dass Marcus Omofuma sich mit der Rückenlehne bewegen konnte, ist darauf zurückzuführen, dass es sich bei dem gegenständlichen Flugzeug der Balkan Air um ein altes Flugzeug der Marke Tupolev handelte und deshalb die Rückenlehnenbefestigung bereits ausgeleiert war. Ebenso wurden die Füße mittels eines Gurtes, der von dem hinter Marcus Omofuma sitzenden Angeklagten gehalten wurde fixiert, weil Marcus Omofuma mit den geschlossenen Beinen gegen die Vordersitze trat und sich die dort befindlichen Passagiere über das Verhalten beschwerten.
Der Angeklagte Bingler saß neben Marcus Omofuma, während die Angeklagten Rosner und Kreuzberger hinter ihm saßen. Da Marcus Omofuma in der Startphase versuchte mit seinem Oberkörper, der wie bereits ausgeführt, an die Rücklehne des Sitzes fest- gleichsam "geklebt" war, nach vor zu schnellen, wurde von den beiden hinter ihm sitzenden Angeklagten im Brustkorbbereich ein Klettband gelegt, wobei die Enden dieses Klettbandes von den dahinter sitzenden Angeklagten gehalten wurden und der Zweitangeklagte Rosner, um eine größere Zugwirkung zu erreichen, sich mit seinem Knie gegen die Lehne des Marcus Omofuma stemmte. Dadurch wollten die Angeklagten ein nach vor schnellen des Oberkörpers des Marcus Omofuma mit der Rückenlehne verhindern. Dieses Festhalten des Oberkörpers des Marcus Omofuma mittels eines Klettbandes war nur kurzfristig, wobei die Dauer nicht mehr festgestellt werden kann.
Noch vor dem Start setzten sich die Passagiere, die in der Reihe unmittelbar vor Marcus Omofuma saßen weg bzw tauschten sie mit zwei Angehörigen der Balkan Air, die zu diesem Zeitpunkt nicht im Dienst waren, Platz, weil sie sich durch das Verhalten des Marcus Omofuma (Stöhnen bzw Treten gegen die Vordersitze) gestört gefühlt haben. Zu diesem Zeitpunkt, dh als die beiden nicht im Dienst befindlichen Angehörigen der Balkan Air die beiden Sitze unmittelbar vor Marcus Omofuma einnahmen, gab dieser – wie vom Zeugen es bezeichnet wird – tierische Laute von sich und trat mit den Füßen gegen die Vordersitze. Die Füße des Marcus Omofuma wurden vom Angeklagten Kreuzberger versucht mit einem Klettband festzuhalten. Über dieses Verhalten des Marcus Omofuma war einer der beiden Bulgaren – der Name konnte nicht mehr erhoben werden – erregt und erhob sich dieser, drehte sich zu Marcus Omofuma um und versetzte diesem einen Schlag auf den Kopf. Zu diesem Schlag sagte er auf bulgarisch im lauten Ton "Hör auf, hier sind so viele Mütter und Kinder im Flugzeug". Dieser Schlag bzw die erfolgte "Verschnürung" führte dazu, dass Marcus Omofuma ruhiger wurde. Nach dem Start wurde dann seitens der Angeklagten zwei- bis dreimal, immer wenn Marcus Omofuma stöhnte bzw wenn er Laute, soweit ihm dies möglich war, von sich gab, neuerlich eine Klebeband um den Oberkörper gelegt. Letztlich war der Oberkörper des Marcus Omofuma derartig "verklebt", dass man das darunterliegende Gewand nicht mehr erkennen konnte.
Durch diese Art der "Verpackung" war Marcus Omofuma nicht mehr in der Lage sich gegenüber den Angeklagten – in welcher Form auch immer – zu äußern; dh er konnte nicht sprechen, er konnte seine Hände und Beine nicht bewegen und nicht einmal mit dem Kopf gleichsam "ja" oder "nein" sagen, weil ja – wie bereits festgestellt – der Kopf mittels Klebeband an die Nackenstütze fixiert war. Er konnte somit auch nicht zum Ausdruck bringen, dass er allenfalls etwas zum Trinken wünscht – es ist jedermann bekannt, dass gerade in einem Flugzeug aufgrund der technisch bedingten trockenen Luft ein erhöhter Flüssigkeitsbedarf besteht – noch konnte er davon Mitteilung machen, dass er allenfalls die Toilette aufsuchen müsse, noch konnte er darauf aufmerksam machen, dass er zu wenig Luft bekommt. Durch diese Vorgangsweise wurde eine außergewöhnliche Gefahrenlage geschaffen.
Diese Verklebungen, insbesondere die zusätzlichen am Oberkörper angebrachten Klebebänder (wie festgestellt zwei – bis dreimal), wurden seitens der Angeklagten deshalb angebracht, weil sie vermeinten, dass Marcus Omofuma weiterhin versuchte "Widerstand" zu leisten, indem er versuchte seinen mit der Rückenlehne fest verbundenen Oberkörper nach vor bzw zurück zu bewegen und er "tierische" Laute von sich gab.
Der gesamte Flug von Wien nach Sofia benötigte eine Zeit von ca 1 Stunde. Noch in der ersten Hälfte dieses Fluges, das ist die Zeit, in der auch die angeführten zusätzlichen zwei- bis dreimaligen Oberkörperverklebungen stattfanden, "beruhigte" sich Marcus Omofuma aus der Sicht der Angeklagten gesehen, wobei die Angeklagten befürchteten, dass Marcus Omofuma allenfalls weitere Widerstandshandlungen setzen könnte. Der Erstangeklagte Bingler, der unmittelbar neben Marcus Omofuma saß, wurde seitens des Zeugen Iliev während des Fluges ca vier- bis fünfmal nach dem Befinden des Marcus Omofuma gefragt und wurde seitens des Erstangeklagten ein paar Mal probiert, ob Marcus Omofuma noch atmete und fühlte er nach dem Puls. Letztmalig hatte der Erstangeklagte unmittelbar vor der Landung in Sofia den Puls des Marcus Omofuma gefühlt. Der Erstangeklagte vermeint dabei den Puls des Marcus Omofuma zu spüren. Während des Fluges versuchte der Erstangeklagte auch, ebenfalls auf Anraten des Zeugen Iliev, das Klebeband, welches sich um den Mund befand zu lockern, was jedoch nicht gelang. Die letzten 20 Minuten vor der Landung hatte Marcus Omofuma seine Augen geschlossen und erweckte den Eindruck eines Schlafenden.
Die Angeklagten machten, abgesehen von dem bereits Angeführten, keinen Versuch die Verklebungen, insbesondere die Mundverklebung, zu lösen, weil sie befürchteten, dass durch ein Schreien des Marcus Omofuma eine "Panik" im Flugzeug, und zwar aufgrund des zahlreich anwesenden Kinder ausbrechen könnte. In diesem Flugzeug flog eine niederländische Kindertanzgruppe, bestehend aus 28 Kindern und ca 20 Begleitern und deren Kindern, und zwar aus Amsterdam kommend via Wien nach Sofia. Diese Kinder waren am Beginn, dh noch vor dem Start des Fluges durch das Vorgefallene (Tragen des geschlossenen Marcus Omofuma in das Flugzeug und das Binden (Kleben) des Marcus Omofuma an den Sessel bzw die dadurch entstehende Lärmentwicklung (Stöhnen des Marcus Omofuma) irritiert.
Während des Fluges bekam auch Marcus Omofuma von der Zeugin Marinova-Pedrozova, die die zuständige Stewardess war, kein Essen bzw auch kein Getränk, wobei nach Ausführung dieser Zeugin es die Regel sei, dass abzuschiebende Personen, insbesondere Schwarzafrikaner, weil diese gefährlich seien, kein Essen und keine Getränke bekämen (Seite 319/Bd V, Seite 158/Bd XII).
Bis zur Landung in Sofia – wie bereits ausgeführt, dauerte der Flug ca 1 Stunde – wurden die "Verklebungen" des Marcus Omofuma seitens der drei Angeklagten nicht mehr verändert, und zwar verändert in der Richtung, dass eine Lösung oder Lockerung erfolgte. Nach der Landung in Sofia, die ca um 21.00 örtlicher Zeit erfolgte, verließen zuerst die Passagiere das Flugzeug. Danach stellten die Angeklagten fest, dass Marcus Omofuma sich in einem leblosen Zustand befand und nahmen ihm in der Folge die Verklebungen ab und da sie davon ausgingen, dass Marcus Omofuma bewusstlos sei, wurde eine Stewardess zu Hilfe gerufen und auch der Flughafenarzt verständigt. Der Flughafenarzt Dr Rangelov konnte keine Puls mehr an der Arterie radialis und an der Arterie carotis feststellen. Marcus Omofuma hatte auch keine Anzeichen mehr einer Herztätigkeit bzw einer Atmung und die Pupillen waren weit geöffnet und reagierten nicht auf Licht. Aufgrund der vorgefundenen Situation, in der sich Marcus Omofuma befand, erachtete er, dass der Tod vor mehr als 30 Minuten eingetreten ist. In der Folge wurde eine gerichtliche Obduktion durch Prof Radanov durchgeführt.
Der Tod des Marcus Omofuma war die Folge einer Erstickungsvorganges, bei dem eine restriktive Komponente (Brustkorbkompression) und eine obstruktive Komponente (partieller Verschluss der Atemöffnung durch Klebeband – Mund) zusammenwirkten. Der Vorgang ist als protrahierter Prozess zu verstehen, der mit einem über zumindest 30 Minuten bis etwa einstündigen bestehenden Sauerstoffmangel verbunden war. Der Erstickungsvorgang wurde durch einen gesteigerten Sauerstoffbedarf infolge Erregungszustand und körperlicher Aktivitäten begünstigt. Während dieses gesamten angeführten Zeitraumes war die Kreislauffunktion (dh somit das Herz) intakt, weil nur, wenn die Kreislauffunktion intakt ist, die seitens des Sachverständigen Prof Budka festgestellten Veränderungen im Gehirn eintreten; dh Marcus Omofuma ist nicht gestorben an einem akuten Herzversagen bzw allenfalls an einem Herzen, das Herzrythmusstörungen aufgewiesen hat. Die drei bis vier Entzündungszellenherde, die am Herzen des Marcus Omofuma vorgefunden wurden, waren nicht akut und haben keinen eigenständigen Krankheitswert. Zur Definition einer Myokarditis gehört auch, dass diese Herde Faseruntergänge aufweisen und solche wurde bei Marcus Omofuma nicht vorgefunden. Diese Entzündungszellenherde haben allenfalls dazu geführt, dass das Herz des Marcus Omofuma vielleicht 20 Sekunden früher zum Schlagen aufgehört hat, als wenn diese Herde nicht vorhanden gewesen wären. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch bereits der Hirntod des Marcus Omofuma eingetreten. Das Herz eines Menschen kann selbst nach Eintreten des Hirntodes noch eine geraume Zeit, dh bis zu 20 Minuten oder allenfalls auch 30 Minuten mechanisch tätig sein, dh es schlägt noch, obwohl der Mensch bereits gehirntod ist, dh dass das Gehirn einen derartigen Schaden erlitten hat, dass dieser Schaden irreversibel ist. In dieser Phase, dh in der Zeit bis zum tatsächlichen Herzstillstand, somit über den Hirntod hinaus, kann bei einem Menschen auch noch eine Atmung in Form einer sogenannten Schnappatmung festgestellt werden. Der Tod des Marcus Omofuma ist ca 20 Minuten vor der Landung des Flugzeuges in Sofia eingetreten, wobei eine genaue Feststellung des Todeszeitpunktes nicht möglich ist.
Die wesentliche Komponente, die zu den angeführten Erstickungsvorgängen des Marcus Omofuma geführt hatten, war die Brustkorbkompression, wobei diese durch das "Festkleben" des Oberkörpers des Marcus Omofuma an die Rückenlehne hervorgerufen wurde. Diese Brustkorbkompression wurde kurzfristig verstärkt durch das Nachhintendrücken des Oberkörpers mittels eines Klebebandes sowie dadurch, dass in der Folge zwei- bis dreimal – wie bereits ausgeführt – immer wenn Marcus Omofuma wieder "Laute" von sich gab, neuerlich der Oberkörper verklebt wurde. Diese Art der Verklebung führte dazu, dass immer dann, wenn ein Klebestreifen um den Oberkörper gelegt wird, zu dem Zeitpunkt, wo Marcus Omofuma ausgeatmet hat, es zu einer immer weiteren Kompression des Brustkorbes kommt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Widerstand des Marcus Omofuma immer mehr erlahmte und somit er auch nicht mehr in der Lage war durch Aufblähen des Brustkorbes der Kompression entgegenzuwirken. Dies führte schließlich dazu, dass der Brustkorb derartig komprimiert war, dass die Atmung auf zumindest ca 50 % herabgesetzt wurde. Ein "Ausweichen" der Brustkorbatmung auf die sogenannte Zwerchfellatmung war insofern nur geringfügig möglich, weil Marcus Omofuma gesessen ist. - in diesem Zustand ist auch bei einem sonst nicht "Behinderten" die Zwerchfellatmung alleine aufgrund der Sitzhaltung eingeschränkt - und überdies waren die Hände in den Schoß gelegt und darüber der sogenannte Beckengurt fest angezogen, sodass auch dadurch eine weitere Behinderung der Zwerchfellatmung gegeben war. Letztlich - wie bereits ausgeführt - war die Exkursion der Lunge durch die Brustkorbkompression und die Behinderung der Zwerchfellatmung einer Größenordnung von ca. 50% eingeschränkt. Durch diese Einschränkungen kam es zu dem angeführten Erstickungsvorgang, wobei dieser gleichsam in Phasen ablief, dh. dass Marcus Omofuma infolge des Sauerstoffmangels bewußtlos wurde, wodurch er sich gleichsam "erholen" konnte und infolge des geringfügigen Sauerstoffbedarfes er wiederum zu Bewusstsein kam; er wieder "Laute" von sich gab bzw. Bewegungen setzte, dadurch wiederum einen erhöhten Sauerstoffbedarf hatte und infolge dessen wiederum in eine Phase der Bewußtlosigkeit fiel. Dieser Vorgang wiederholte sich und wurde seitens der Angeklagten diese "Wachphasen" als Widerstand aufgefasst und führte dies zu den bereits angeführten zusätzlichen zwei- bis dreimaligen weiteren "Verklebungen" des Oberkörper des Marcus Omofuma. Wie bereits angeführt, haben aufgrund des jeweils schwächeren Widerstands des Marcus Omofuma diese Verklebungen dazu geführt, dass die Brustkompression immer stärker wurde.
Marcus Omofuma hatte keine Erkrankungen der Atemwege und auch keine Vorerkrankungen, die sich auf seinen Tod auswirkten.
Obwohl seitens der Angeklagten Marcus Omofuma gleichsam wie ein Paket verklebt und angeklebt wurde, wodurch er keinerlei Möglichkeit mehr hatte über sein Befinden Außenstehenden Mitteilung zu machen, haben die Angeklagten es unterlassen, abgesehen von den angeführten Atemproben bzw. Pulsfühlen, wobei dies auch nur über Anraten einer anderen Person erfolgte - sich um das befinden des Marcus Omofuma hinreichend zu erkundigen. Sie haben es auch unterlassen, abgesehen von dem untauglichen Versuch, die Verklebungen, insbesondere die Mundverklebung, zu lockern bzw. zu beseitigen, obwohl dies jederzeit möglich gewesen wäre. Nach der Startphase und in dem Zustand, wie sich Marcus Omofuma befand, dh. festgeklebt am Sitz, wäre ein Entfernen der Mundverklebung völlig "ungefährlich" für die Angeklagten bzw auch für die sonstigen Passagiere des Flugzeuges gewesen, weil einerseits eine Beißmöglichkeit Marcus Omofumas nicht mehr vorlag und zwar aufgrund der Fixierung des Kopfes an die Rückenlehne und andererseits ein Schreien des Marcus Omofuma schon aufgrund des Fluglärmes kaum sehr weit im Flugzeug gehört worden wäre. Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei dem gegenständlichen Flugzeuge um eine russische Tupolev, alten Modells, dh. ein solcher Flieger darf in Mitteleuropa heute gar nicht mehr fliegen, infolge der großen Lärmentwicklung. Aber selbst wenn ein Schreien des Marcus Omofuma nun zu allfälliger Unruhe im Flugzeug, dh unter den Passagieren geführt hätte, hätten die Angeklagten jederzeit die Möglichkeit gehabt "letztlich" wiederum den Mund zu verkleben. Sie haben jedoch in keiner Weise versucht die Mundverklebung effektiv zu lockern bzw. überhaupt zu lösen. Bei der gegebenen Situation wären sie jedoch verpflichtet gewesen, zumal sie ja selbst Marcus Omofuma verklebt haben, hinreichend dafür zu sorgen, dass Marcus Omofuma durch diesen Vorgang nicht am Körper Schaden nimmt.
Bei dieser von den Angeklagten gewählten Handlungsweise bzw. Unterlassungen haben die Angeklagten jene Sorgfalt außer Acht gelassen, zu welchen sie nach den beschrieben Umständen verpflichtet und nach ihren Verhältnissen auch befähigt gewesen wären und haben dadurch nicht erkannt, dass sie für Marcus Omofuma eine außergewöhnliche, lebensbedrohende Gefahrenlage begründeten, obwohl sie bei entsprechender Sorgfalt und gehöriger Aufmerksamkeit dies erkennen hätten können.
Die Angeklagten haben letztlich so gehandelt, weil es gleichsam üblich war bei Schubhäftlingen, die Widerstand leisten bzw die versuchten zu beißen Verklebungen, insbesondere des Mundes, vorzunehmen. Wie üblich das war, ergibt sich schon daraus, dass bei den Beamten, die für die Abschiebungen zuständig waren. dementsprechendes "Material" privat gekauft wurde, nämlich Klebebänder und Leukoplast und dieses dann immer weitergegeben wurde, dh von einer Gruppe zur nächsten, dh immer zu der Gruppe, die gerade einen Häftling am Flugwege abzuschieben hatte. Diese Mundverklebungsvorgangsweise reicht bereits zurück bis am Beginn der 90er Jahre und wusste man bei den Vorgesetzten der Angeklagten von dieser Vorgangsweise, und zwar hinauf bis zur obersten Stelle im Innenministerium und keiner dieser Stellen sah einen Handlungsbedarf; sodass die Angeklagten davon ausgehen konnten, dass ihre Handlungsweise rechtmäßig war und ist; sie wollten dadurch auch keine Qualen bei Marcus Omofuma herbeiführen. Bereits im Jahr 1991 bis 92 hat der damalige Innenminister Dr Löschnak von den damaligen leitenden Beamten in Schwechat (Oberst Rupf) im Zuge eines Abfluges von Wien davon Mitteilung erhalten, dass derartige Verklebungen vorgenommen werden, und zwar bei Personen, die renitent sind. Diese Vorgangsweise hielt der damalige Innenminister und Zeuge Dr. Löschnak im Falle der Selbstverteidigung und als Selbstschutzmaßnahme für angemessen. Im Jahr 1993 wurde seitens der Zeugin Mag. Stojsits (Abgeordnete zum Nationalrat) eine parlamentarische Anfrage an den damaligen Innenminister (Dr. Löschnak) im Bezug auf Verkleben gestellt und nach der Beantwortung im Parlament durch den Innenminister wurde seitens der Zeugin mag Stojsits keine weiteren Erhebungen, allenfalls in Richtung, ob derartige "Praktiken" rechtlich gedeckt sind, getroffen.
Bis zum gegenständlichen Vorfall bestand keine wie immer geartete Vorschrift, Gesetz oder sonstige Dienstanweisung, sei es mündlicher oder schriftlicher Art, wie Beamte vorzugehen haben, wenn Schubhäftlinge im Zuge einer Abschiebung, insbesondere im Zuge einer Abschiebung in Flugzeug, Widerstand leisten; es erfolgte auch keine Schulung der Beamten wie man bei einer solchen Abschiebung vorzugehen bzw. sich zu verhalten hat. Die abschiebenden Beamten waren auf sich alleine gestellt und wurde erst nach dem gegenständlichen Vorfall gleichsam eine Fülle von Vorschriften erlassen, die eine Regelung solcher "Problemabschiebungen" zum Inhalt hatten. Bis zum gegenständlichen Vorfall wurde daher seitens der abschiebenden Beamten immer wiederum "Verklebungen" vorgenommen. Dass durch diese Vorgangsweise (Verklebungen) gesundheitliche Probleme bei den Schubhäftlingen allenfalls auftraten, ist bis zum gegenständlichen Vorfall nicht bekannt geworden. Es wurde zur Sicherheit privat ein Arzt gefragt, ob eine Verklebung des Mundes gefährlich sei. Seitens dieses Arztes , der unbekannt blieb, wurde nur mitgeteilt, dass bei einer bloßen Verklebung des Mundes nichts passieren könne. Da über jede Abschiebung seitens der Beamten ein schriftlicher Bericht zu erstatten war, wurde auch teilweise diese Verklebungen in diese Berichte aufgenommen. Dies führte bei dem Zeugen Zillinger jedoch dazu, dass er von seinem Vorgesetzten - es kann leider nicht mehr festgestellt werden, wer dies war - einen solchen Bericht zurückbekommen hat mit einer "Zettelanweisung" (selbstklebender kleiner Zettel), auf dem stand, dass Verklebung in den Bericht nicht aufzunehmen ist. Dies führte dazu, dass ua der Zeuge Zillinger ab diesem Zeitpunkt, selbst wenn eine Verklebung vorgenommen wurde, dies im Abschiebungsbericht nicht anführte. es war somit bis zum gegenständlichen Vorfall usus, dass bei Schubhäftlingen, die Widerstand leisten, Verklebungen des Mundes vorgenommen wurden, insbesondere dann, wenn seitens der Beamten befürchtet wurde, dass der Häftling versuchen wird zu beißen bzw wenn er tatsächlich derartige Versuche unternahm. Es kam in dieser Zeit auch des öfteren vor, dass Beamte im Zuge von Abschiebungen von Schubhäftlingen gebissen wurden. Die angeführten Klebebänder bzw. das Leukoplast war bei den Beamten, die für Abschiebungen zuständig waren, gleichsam ein fester Bestandteil ihrer Ausrüstung und wurde ihnen seitens der Vorgesetzten - wie bereits ausgeführt - eine Verklebung nicht untersagt.
Seitens der Vorgesetzten wurde diese Art der Abschiebung offenbar für richtig gehalten, weil diese, obwohl sie von der Vorgangsweise wussten, diese Vorgangsweise weder verbaten noch andere Vorgangsweisen - wie sie nach dem gegenständlichen Fall angeordnet wurden - anordneten.
Die Angeklagten hätten bei gegenständlichen Vorfall noch bis zum Start die Möglichkeit gehabt, die Abschiebung abzubrechen. Eine solche Abbrechung hätte für die Angeklagten keine wie immer gearteten Konsequenzen gehabt. Die einzige Folge eines solchen Abbruchs wäre nur die gewesen, dass sich im Kreise der Abschiebenden herumgesprochen hätte, dass bei entsprechenden Widerstand bei einer Abschiebung eine solche unterbrochen wird. Eine solche Abbrechung wurde jedoch seitens der Angeklagten nicht vorgenommen, weil es bis zum gegenständlichen Vorfall nicht üblich war, dass die abschiebenden Beamten eine Abschiebung von sich aus abbrechen, es sei denn, seitens des Flugkapitäns wird die Mitnahme eines renitenten Schubhäftlings verweigert. Im gegenständlichen Fall wurden dies seitens des Flugkapitäns nicht getan, weil durch die "Verpackung" des Marcus Omofuma der Flugkapitän keine Gefahr für die Passagiere bzw. den Flug sah. Eine Abschiebung wie die gegenständliche verursacht bzw. verursachte Kosten in der Höhe von ca S 60.000,-; eine Abschiebung mit Charterflug ca S 650.000,-.
Die Feststellungen gründen sich auf eingangs angeführte Beweismittel.
Im Einzelnen ist dazu auszuführen:
Die drei angeklagten verantworten sich hinsichtlich des Tatsächlichen im Wesentlichen geständig. Sämtliche bei dem Vorfall anwesenden Zeugen gaben übereinstimmend an, dass Marcus Omofuma aus dem angeführten VW-Bus, nachdem man am Flughafen Wien-Schwechat angekommen war, flüchten wollte, in der Folge dann mit seinem Kopf gegen eine Seitenscheibe des Fahrzeuges schlug und letztlich nur mit Gewalt geschlossen werden konnte. Ebenso ist der Verantwortung der Angeklagten zu folgen, dass Marcus Omofuma den Angeklagten Kreuzberger an der rechten Hand durch einen Biss leicht verletzte. Diese Verletzung ist auch durch ein medizinisches Gutachten objektiviert. Seitens des Zeugen Dienstl wurde ein Beißversuch des Marcus Omofuma gesehen (Seite 399/Bd I; Seite 177/Bd XII). der Zeuge Widlhofer kann auch bestätigen, dass jemand – er weiß nicht wer – geschrien hat: "Pass auf, der beißt" (Seite 29/Bd II, Seite 128/Bd XII). Von den Zeugen Dienstl, Karner, Gareis und Widlhofer wird auch übereinstimmend die Verklebung des Mundes des Marcus Omofuma noch vor dem Verbringen des Marcus Omofuma in das Flugzeug in der festgestellten Weise geschildert.
Von den Zeugen wird auch in nachvollziehbarer und glaubhafter Weise angegeben, dass Marcus Omofuma, nachdem er in das Flugzeug verbracht wurde und auf seinem Sitz saß, weiter stöhnte und schrie, sich hin- und herbewegte und mit den Füßen gegen den Vordersitz trat (zB Zeuge Willems van N. (Seite 434/Bd III), Zeuge Van B. (Seite 440/Bd III).
Auch von den Zeugen wird die "Verklebung" des Marcus Omofuma an den Sitz in der festgestellten Weise klar dargelegt und stimmen diese Aussagen im Wesentlichen mit der Verantwortung der Angeklagten überein.
Ein wesentlicher Widerspruch besteht dahingehend, dass die Angeklagten vermeinten, dass nach der Verklebung des Marcus Omofuma am Sitz in der Folge dann, dh nach der Startphase, keine Verklebungen mehr vorgenommen wurden. Diesbezüglich folgt das Gericht jedoch der diesbezüglich glaubwürdigen und lebensnahen Darstellung der Zeugen Willems Van N. sowie Van B., die angaben, dass weitere Verklebungen, insbesondere wenn Marcus Omofuma wiederum gestöhnt hat, durchgeführt wurden (zB Willems Van N. – Seite 434/Bd III, Seite 313/Bd XII). Die Zeuginnen Van B. und Willems van N. gaben auch übereinstimmend an, dass die Verklebungen des Oberkörpers letztlich so waren, dass sie vom Schulterbereich bis zum Ellbogen reichten und der Oberkörper so verklebt war, dass man das darunterliegende Gewand nicht mehr sehen konnte. Dies wird letztlich auch ua durch die Aussage der Zeugin Marinova-Pedrozova bestätigt (Seite 156/Bd XII ... über den ganzen Körper mit Klebebändern verklebt ...).
Hinsichtlich des seitens der Angeklagten kurzfristig verwendeten Klettbandes zum Festhalten des Oberkörpers des Marcus Omofuma stützen sich die Feststellungen auf die Verantwortung der Angeklagten. Der diesbezüglichen Aussage der Zeugin Willems Van N. kann nicht gefolgt werden. Die Zeugin spricht in ihrer ersten Einvernahme (Seite 435/Bd III) von einer Gepäckschnur, im Rahmen der Hauptverhandlung (Seite 333/Bd XII) von einem Band auch Kunstfaser und dann auch von einem Gepäckband, welches man um einen schlechten Koffer herumlegt. Die Zeugin Van B. spricht von einem "Zerrband" (zB Seite 318/Bd XII). Keine dieser beiden Zeuginnen, die auf selber Höhe wie Marcus Omofuma, nur auf der anderen Seite des Flugzeuges, saßen, konnten jedoch nachvollziehbare Angaben über die Dauer, wie lange dieses Band angebracht war, abgeben. Die Zeugin Van B. spricht davon, dass sie einerseits nicht sagen kann, wie lange es angebracht war, dann sagt sie wiederum nur, dass es kurz war bzw dass sie es gar nicht sagen könne (Seite 319/Bd XII). Auch die Zeugin Willems Van N. kann letztlich nur angeben, dass sie gesehen hat, wie das Band umgelegt wurde und daran angezogen, jedoch kann sie keine Angaben darüber machen, ob das Band weggegeben wurde bzw wann es weggegeben wurde (Seite 333/Bd XII) Diesbezüglich führt auch der Zeuge Iliev (Seite 425/Bd I) aus, dass seitens der beiden hinten sitzenden (gemeint der Zweit- und Drittangeklagte) mittels eines Textilbandes Marcus Omofuma festhielten. Dieser Zeuge führt auch zutreffend weiters aus, dass danach Marcus Omofuma sehr aggressiv wurde und seitens der Angeklagten ein Klebeband im Brustbereich angebracht wurde. Diese Aussage deckt sich auch gut mit der Verantwortung der Angeklagten, nämlich dass kurzfristig ein Klettband – ein solches kann wohl auch als Textilband angesehen werden – verwendet wurde, und zwar noch unmittelbar vor dem Start. Dass seitens der Angeklagten bei Verwendung dieses Bandes auch das Knie in der Form zum Einsatz kam, dass es gegen den Rücksitz gestemmt wurde, wird einerseits von den Angeklagten selbst angegeben (Angeklagter Rosner, Seite 61 /Bd XII) und auch von den Zeugen Van B. und Willems Van N. bestätigt.
Die Feststellungen dahingehend, dass durch die Mundverklebungen des Marcus Omofuma die beiden Nasenlöcher frei waren, gründen sich auf die letztlich übereinstimmenden Aussagen der Zeugen, wobei keine der Zeugen definitiv davon sprechen konnte bzw auch sprachen, dass ein Nasenloch, wenn auch nur zum Teil, abgedeckt war. Selbst die Zeugin Willems Van N., die ja unmittelbar in der Nähe – wie bereits angeführt -, in der selben Reihe, nur auf der anderen Seite des Flugzeuges saß, gab ebenfalls bereits in ihrer Einvernahme am 1.6.99, dh vier Wochen nach dem Vorfall an, dass die Nasenlöcher immer frei waren und sie sich darüber sicher sei (Seite 437/Bd III). auch die seitens des Sachverständigen Prof Reiter durchgeführte Rekonstruktion aufgrund der noch vorhandenen Klebespuren im Bereich des Mundes und der Nase des Marcus Omofuma erbrachte, dass zwar die Verklebungen bis zur Nase reichten, jedoch die Nasenlöcher nicht abgedeckt wurden. Auch im Gutachten Radanov wird nur davon gesprochen, dass die Verklebung bis zum Nasensteg reichte.
Dass seitens eines unbekannten Bulgaren Marcus Omofuma ein Schlag auf den Kopf versetzt wurde, stützen sie die Feststellungen auf die übereinstimmenden Aussagen der Zeugen bzw auch der Verantwortungen der Angeklagten. Zu dem Zeitpunkt, dh wann dieser Schlag ausgeführt wurde, ist auszuführen, dass das Gericht davon ausgeht, dass der Schlag am Beginn, dh in die Startphase des Flugzeuges fiel, zu einem solchen Zeitpunkt, als Marcus Omofuma noch erheblichen "Widerstand" leistete und verschiedene, zeitweise als Brummlaute bezeichnete Laute von sich gab. Die diesbezüglichen Aussagen der Zeugen sind insofern widersprüchlich, dh es werden verschiedene Zeitpunkte genannt, wann dieser Schlag erfolgt sein soll; dh von der Startphase bis teilweise zur Mitte des Fluges. Da jedoch Übereinstimmung in den Zeugenaussagen herrscht, dass sich Marcus Omofuma nach dem Start relativ bald beruhigt hat – bzw die Zeugin Van B. auch angab, dass Marcus Omofuma ca 10 Minuten nach dem Schlag langsam die Augen schloss und ruhig wurde (Seite 441/Bd III), kann nur davon ausgegangen werden, dass dieser Schlag am Beginn, dh in der Phase verabreicht wurde, als Marcus Omofuma noch entsprechende Laute von sich gab und auch versuchte gegen die Vordersitze zu treten. Dies ergibt sich auch daraus, dass der "Schläge" während des Schlages sagte, dass er (gemeint Marcus Omofuma) aufhören solle ... eine solche Aufforderung ist nur dann "zweckmäßig", wenn Marcus Omofuma noch dementsprechend laut war und dies war er – wie bereist ausgeführt – vor dem Start bzw in der Startphase. Danach war es ihm ja – wie bereits ausgeführt – kaum mehr möglich dementsprechend "laut" zu sein, weil er total verklebt war und überdies auch die Beine bzw Füße von den dahinter sitzenden Angeklagten mittels eines Bandes gehalten wurden.
Die Feststellung, dass Marcus Omofuma ca 20 – 25 Minuten vor der Landung letztlich die Augen schloss, gründen sich auf die diesbezüglichen Aussagen der Zeugen (zB Van B. – Seite 317/Bd XII) sowie auf das diesbezügliche Gutachten Prof Brinkmann, der davon ausgeht, dass ca zu diesem Zeitpunkt der Tod (Hirntod) eingetreten ist.
Dass durch diese Situation am Beginn des Fluges insbesondere unter den Kindern Unruhe herrschte und auch teilweise Kinder panisch wurden, gründet sich auf die Aussagen der Zeugen (zB Van B. – Seite 319/Bd XII; Gregor Schäfer – Seite 356/Bd XII). Die Feststellungen zum Tod des Marcus Omofuma bzw die medizinische Erklärung für diesen Tod gründet sich auf das unbedenkliche, lebensnahe und nachvollziehbare Gutachten Prof Brinkmann, wobei sich dieses Gutachten im Wesentlichen voll deckt mit dem Gutachten Prof Radanovs (Sachverständiger, der die Obduktion und das Erstgutachten in Bulgarien vornahm). Letztlich musste auch der Sachverständige Prof Reiter im Rahmen der Befragung im Bezug auf sein ursprüngliches Gutachten, nämlich der Tod des Marcus Omofuma sei durch seine Lungenfettembolie, welche eine Überlastung des Herzens und eine verminderte Sauerstoffsättigung des Blutes zur Folge hatte, bei gleichzeitig vermehrter körperlicher Belastung und psychischer Erregung, letztlich infolge Versagen eines krankhaft vorgeschädigten Herzens (einengende Herzkranzgefäßverdickung, entzündliche Veränderung im Herzmuskel) eingetreten, abgehen. Schon aufgrund des unbedenklichen und von beiden Sachverständigen, nämlich Prof Brinkmann und Prof Reiter anerkannten Gutachten Prof Budkas ergibt sich, dass der Sauerstoffmangel des Marcus Omofuma zumindest eine halbe Stunde vor dem Tod, medizinisch wahrscheinlich jedoch länger, dh ca 1 Stunde vor dem Tod bereits eingetreten ist und während dieser Zeit der Kreislauf des Marcus Omofuma, dh das Herz des Marcus Omofuma tätig, dh geschlagen hat. Ein Umstand, der mit dem Gutachten Prof Reiter nicht in Einklang zu bringen ist und wurde dieser Umstand auch durch das Gutachten Prof Brinkmann in einer logischen und nachvollziehbaren Weise klar dargelegt. Aus dem Sachverständigengutachten Brinkmann ist auch klar ersichtlich und logisch nachvollziehbar, wie sich der Todeskampf des Marcus Omofuma abspielte, nämlich in Phasen und – wie bereits ausgeführt – ist dies mit dem faktisch Vorgefallenen, insbesondere mit den nachträglich erfolgten zwei- bis dreimaligen weiteren Verklebungen des Marcus Omofuma gut in Einklang zu bringen.
Zum Gutachten Prof Reiter ist noch auszuführen, dass sich dieser Sachverständige offenbar in der von ihm irrtümlich angenommenen Myokarditis gleichsam "verrannt" hat; anders ist das Ergebnis dieses Gutachtens nicht zu erklären. In diesem Zusammenhang ist jedoch auch bemerkenswert und muss erwähnt werden ein Schreiben des Bundesministerium für Inneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit vom 3. Mai 1999 an den Sachverständigen in Bulgarien, Prof Dr. Radanov, wobei dieses Schreiben von einem Dr Reinhard Mörz, Chefmediziner des österreichischen Bundesministerium für Inneres unterzeichnet ist und der Verfasser dieses Schreibens nach seiner Ansicht vermeint, dass Marcus Omofuma unter immer wieder auftretenden kleinen Lungenembolien litt und eine massive Embolie seinen Tod verursacht haben wird. Ebenso wird auf die Möglichkeit hingewiesen, dass ein plötzlicher Tod aufgrund einer nicht bemerkten Myokarditis (Herzmuskelentzündung) eingetreten sein kann. Bezeichnend ist – wie bereits ausgeführt – dass dieses Schreiben bereits am 3.5.1999 an den Sachverständigen Radanov übermittelt wurde (Schreiben Seite 223, 225/Bd IX).
Weiters ist zu dem Sachverständigengutachten Prof Reiter auszuführen, dass seiner zusätzlichen Erklärung zum Tod des Marcus Omofuma, und zwar aufgrund einer Frage der Verteidigung, nämlich dass Herzrythmusstörungen Ursache für den Tod des Marcus Omofuma gewesen sein können, nicht gefolgt werden kann. Auch diese Variante mit der offenbar der Sachverständige Prof Reiter wiederum gleichsam "ins Spiel" kommen wollte, wird durch das dazu ergänzte Gutachten des Sachverständigen Prof Brinkmann klar, logisch und nachvollziehbar widerlegt. Auch diese Variante (Herzrythmusstörung) ist in keiner Weise in Einklang zu bringen mit dem gleichsam außer Streit gestellten Gutachten Prof Budkas, nämlich dass über eine Zeit von zumindestens einer halben bis zu einer Stunde das Herz noch tätig gewesen sein muss. Wie der Sachverständige Prof Brinkmann dazu zutreffend ausführt (Seite 545f/Bd XII) ist es nicht vorstellbar, dass ein Herz, das ebenfalls auf einen Sauerstoffmangel reagiert, bei Herzrythmusstörungen gleichsam immer wiederum von selbst – bildlich gesprochen – anspringt. Die dazu abgegebene Erklärung des Sachverständigen Prof Reiter ist letztendlich nicht nachvollziehbar und entbehrt einer wissenschaftlichen Begründung.
Es war daher dem Gutachten Prof Brinkmann, welches wie ausgeführt mit dem Gutachten Prof Radanov übereinstimmt, voll zu folgen und den Feststellungen zugrunde zu legen. Die Feststellungen im Bezug auf den Umstand, dass bis zu dem gegenständlichen Vorfall bereits seit dem Beginn der 90er Jahre bei sogenannten Problemabschiebungen die Abzuschiebenden, wenn sie sich wehrten, insbesondere wenn sie versuchten zu beißen bzw auch tatsächlich bissen – was unbestritten vorkam – gründen sich auf die Aussagen der einvernommenen Beamten sowie der im Akt erliegenden Berichte. Auf diese Aussagen wird in der Folge noch im Einzelnen eingegangen.
Aus der Aussage des Zeugen Dr Löschnak ist ersichtlich, dass seit dem Jahre 1991 bzw 1992 von diesen Verklebungen auch der letztlich für die Fremdenpolizei zuständige Innenminister Kenntnis hatte. Ebenso ergibt sich aus diesen Aussagen, dh aus den Aussagen der Beamten wie auch der drei einvernommenen ehemaligen Innenminister, dass bis zum gegenständlichen Vorfall für Problemabschiebungen, dh für Abschiebungen, wo mit Widerstand des Abzuschiebenden zu rechnen ist, keine wie immer geartete Vorschrift, Erlass, Verordnung oder auch Dienstanweisung vorgelegen ist. Dies ist letztlich auch aus dem Bericht des Menschenrechtsbeirates zu den sogenannten "Problemabschiebungen" (Beil./III des Aktes) ersichtlich. Aus diesem Bericht ist auch ersichtlich, welche zahlreichen Vorschriften nach dem gegenständlichen Vorfall erlassen wurden. Darauf gründet sich letztlich auch die Feststellung, dass Beamte, die Personen abzuschieben hatten, bis zum gegenständlichen Vorfall auf sich allein gestellt waren, dh sie hatten – wie bereits ausgeführt – keinerlei Vorschriften für die Handhabung derartiger Abschiebungen, noch waren sie geschult, noch wurden sie von ihren unmittelbaren Vorgesetzten entsprechend unterstützt. In diesem Zusammenhang ist auch auszuführen, dass es sich bei Widerstandshandlungen im Zuge einer Problemabschiebung nicht um Widerstand im üblichen Sinn, dh um einen solchen der bei einer Festnahme geleistet wird, handelt. Wie der gegenständliche Fall auch aufzeigt, handelt es sich bei dieser Art des Widerstandes um einen solchen, der sich über eine lange Zeit hin erstreckt und war keiner der angeklagten, noch die sonst für Abschiebungen zuständigen Beamten auf eine solche Art der Widerstandsleistung, dh wie man einem derartigen Widerstand gegenübersteht, geschult.
Zu den einzelnen Zeugen ist auszuführen:
Aus der Aussage des Zeugen Dienstl ergibt sich das Verhalten des Marcus Omofuma, insbesondere seine Widerstandsleistung vor dem Betreten des Flugzeuges, nämlich dass Marcus Omofuma versuchte zu flüchten, um sich schlug und trat, mit seinem Kopf gegen die Seitenscheibe des Busses stieß, laut schrie und versuchte zu beißen. Weiters ergibt sich aus dieser Aussage die Art der Mundverklebung. Überdies bestätigt dieser Zeuge in einer lebensnahen Darstellung, dass der Zeuge Kostov (Stationmanager der Balkan Air) Marcus Omofuma zu einem Zeitpunkt gesehen hat, als er bereits geschlossen und der Mund verklebt war. Dieser Zeuge bestätigt auch, dass seit dem Jahr 1998, das ist der Zeitpunkt, seitdem er am Flughafen beschäftigt ist, davon gehört hat, dass bei Problemabschiebungen "Verpickungen" vorkommen (Aussagen ON 14/Bd !, ON 28/Bd I, Seite 98ff/Bd XII).
Aus der Aussage des Zeugen Karner ist wiederum in nachvollziehbarer Weise ersichtlich, in welcher Art und Weise Marcus Omofuma vor seiner Verbringung in das Flugzeug Widerstand leistete. Dieser Zeuge schildert sehr bildhaft, dass es drei Beamten nur unter Anwendung von "Brachialgewalt" gelang Marcus Omofuma Fesseln anzulegen. Auch dieser Zeuge schildert in der festgestellten Art und Weise die Verklebung des Mundes. Ebenso kommt durch seine Aussage klar zum Ausdruck, dass diese Art der Fesselung bzw Verklebung nur deshalb erfolgte, um Marcus Omofuma ruhigzustellen. Überaus bezeichnend schildert dieser Zeuge, dass der gegenständliche Fall kein Sonderfall gewesen sei, sondern ein normaler und – "wenn er sich schneide, picke er sich auch ein Pflaster drauf" (Seite 195/Bd XIII). Auch aus dieser Aussage ist klar ersichtlich, dass die seitens der drei Angeklagten gewählte Vorgangsweise zum damaligen Zeitpunkt, dh bis zum gegenständlichen Vorfall, bei Problemabschiebungen die übliche war, um Personen, die Widerstand leisten und beißen bzw versuchen zu beißen, ruhig zu stellen (Aussagen: ON 12/Bd I, ON 14/Bd I, ON 29/Bd I sowie Seite 191ff/Bd XII).
Aus der Aussage des Zeugen Gareis ergibt sich ebenfalls wiederum, dass ich Marcus Omofuma noch vor dem Betreten des Flugzeuges gewehrt hat, dh geschrien, getreten und auch Beißversuche unternahm. Auch dieser Zeuge schildert in der festgestellten Art und Weise, wie Marcus Omofuma geschlossen bzw wie sein Mund verklebt wurde. Auch dieser Zeuge schildert, dass der Widerstand des Marcus Omofuma überaus heftig war und letztlich 5 Beamte notwendig waren, um die "Fixierungen" vorzunehmen. Aus dieser Aussage ist auch klar und nachvollziehbar ersichtlich, dass der Zeuge Kostov (Stationmanager der Balkan Air) Marcus Omofuma im "verklebten und verpackten" Zustand gesehen hat und mit dem Begriff "Okay" zum Ausdruck brachte, dass er mit dieser Art und Weise einverstanden war. Dies ist insofern auch nachvollziehbar, weil der Zeuge Gareis auch klar angab, dass schon davor ihm der Zeuge Kostov darauf aufmerksam machte, dass der Abzuschiebende still sein muss, damit er mitgenommen würde.
Der Zeuge Gareis schildert auch lebensnah, dass er den Flugkapitän davon Mitteilung machte, dass der Abzuschiebende "ruhig"-gestellt wurde. Auch dieser Zeuge bestätigt letztlich, dass bei Problemabschiebungen mit Verklebungen vorgegangen wurde und dass seitens der Vorgesetzten dagegen kein Einwand bestand bzw auch keinerlei Vorschriften oder sonstige Anweisungen für ein anderes Vorgehen gegeben waren. Überdies bestätigt der Zeuge, dass bis zum gegenständlichen Vorfall es bei keinen Abschiebungen, wo Verklebungen vorgenommen wurden, es zu gesundheitlichen Problemen der Abzuschiebenden kam (Aussagen ON 30/Bd I, Seite 112f/Bd XII).
Auch der Zeuge Widlhofer schildert das Widersetzen des Marcus Omofuma sowie auch, dass er von einem Beamten – wer das war, weiß er nicht – im Zuge der Auseinandersetzung hörte, dass dieser geschrien hat "Pass auf, der beißt". Der Zeuge schildert auch, dass sich Marcus Omofuma "fürchterlich gebärdet und geschrien" habe. Dieser Zeuge gibt auch an, dass derartige Problemabschiebungen öfter vorkommen und es die Regel war, dass derartige Personen mit ihrem Widerstand aufhörten, sobald sie im Flugzeug waren bzw das Flugzeug abhob, weil sie dann die Zwecklosigkeit des Widerstandes einsahen. Auch dieser Zeuge schildert, dass 4 – 5 Personen notwendig waren, um Marcus Omofuma festzuhalten bzw ruhigzustellen (Aussagen ON 45/Bd II und Seite 127ff/Bd XII).
Aus der Aussage des Zeugen Ivan Kostov kann im Grunde genommen nicht viel gewonnen werden. Das Gericht hat den Eindruck gewonnen, dass dieser Zeuge primär nur darauf bedacht war die Fluggesellschaft, die er vertritt, nämlich die Balkan Air, gut dastehen zu lassen. Seiner Aussage, dass er Marcus Omofuma im "verklebten" Zustand nicht sah, kann in keiner Weise gefolgt werden. Einerseits gaben die Zeugen Dienstl und Gareis – wie bereits ausgeführt – übereinstimmend, glaubwürdig und lebensnah an, in welcher Art und Weise Kostov den "verklebten" Marcus Omofuma sah und andererseits gibt die Zeuge Maja Ivanova Deribeeva – Stewardess der Balkan Air bei dem gegenständliche Flug – an, dass der Zeuge Kostov ihr gesagt habe, dass dieser Passagier (gemeint Marcus Omofuma) gefesselt fliegen werde, weil er getobt habe (Seite 231/Bd V). Auch gegenüber dem Zeugen Krassimir Nikolov Stefanov, der als 2. Pilot bei dem gegenständlichen Flug fungierte, gab der Zeuge Kostov an, dass man sich nicht sorgen solle, weil die Begleiter des Marcus Omofuma dafür Sorge tragen werde, dass er nicht mehr tobe. Aus diesen Aussagen ist klar ersichtlich, dass Kostov von der Fesselung und Verklebung des Marcus Omofuma wusste und damit einverstanden war. In diesem Zusammenhang ist auch die weitere Aussage der Zeugin Maga Ivanova Deribeeva, nämlich dass dies – gemeint war damit die Fesselung bzw Verklebung – eine gängige Praxis war, wenn abzuschiebende Personen tobten (Seite 231/Bd V). Die Aussage des Zeugen Kostov ist daher nur dahin zu erklären, dass er durch seine Aussage versuchte seine Fluggesellschaft, nämlich die Balkan Air gleichsam von dieser "gängigen Praxis" reinzuwaschen, dh so hinzustellen als ob man bei der Balkan Air davon nichts wusste. Dem kann jedoch aufgrund der angeführten Aussagen nicht gefolgt werden. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch die Aussage bzw Antwort des Zeugen Kostov im Zusammenhang mit dem Vorhalt, er habe den Erstangeklagten Bingler aufgefordert dem Häftling den Mund zu verkleben, wenn es Probleme gäbe, dass dies nicht seine Sache, sondern Sache der österreichischen Behörde sei (Seite 140/Bd XII). Die Unglaubwürdigkeit dieses Zeugen dokumentiert sich auch darin, dass er vermeinte, die Balkan Air habe bis zum gegenständlichen Vorfall nur wenige Abschiebungen durchgeführt (Seite 141/Bd XII), obwohl die Balkan Air zum Zeitpunkt des gegenständlichen Vorfalles die einzige Fluggesellschaft war, die noch derartige Abschiebungen – das Gericht vermeint aufgrund finanzieller Gründe – durchführte. Abschließend ist noch auszuführen, dass die Begleiter einer abzuschiebenden Person alles tun müssen bzw alle Möglichkeiten auszuschöpfen haben, wenn ein Schubhäftling in der Luft renitent wird (Seite 191/Bd I; Aussagen des Zeugen Ivan Kostov ON 12/Bd I, ON 14/Bd I, ON 33/Bd I und Seite 138ff/Bd XII).
Aus der Aussage der Zeugin Maja Ivanova Deribeeva ergibt sich, dass Marcus Omofuma als er auf seinen Platz gesetzt wurde, tobte, gefesselt und sein Mund verklebt war. Weiters – wie bereits ausgeführt – schildert sie die gegenständliche Abschiebung gleichsam als gängige Praxis und machte auch dahingehend Angaben, dass Marcus Omofuma, als er in den Flieger getragen wurde, mit den Füßen trat und "muhte" (tierische Laute von sich gab). Sie schildert auch, dass Marcus Omofuma – bevor er fixiert wurde – mit den Füßen trat und dass sie die Passagiere beruhigen musste. Auch diese Zeugin gab an bzw. bestätigte, dass das Klebeband nur um den Mund des Marcus Omofuma ging und nur bis zum Niveau unter der Nase reichte (Aussagen der Zeugin ON 135/Bd V und Seite 411ff/Bd V). Auch die Zeugin Magdalena Dimitrova Mladenova bestätigt, dass Marcus Omofuma an Händen und Füßen bzw über dem Mund verklebt war und dass er vor Schließen der Flugzeugtüre tobte und Laute von sich gab; überdies habe sie den Eindruck gehabt, dass mach dem Start des Flugzeuges sich Marcus Omofuma beruhigt hätte – diesbezüglich habe sie jedoch nur den Eindruck gehabt, weil sie am anderen Ende der Kabine beschäftigt war. Ebenso führt diese Zeugin an, dass Marcus Omofuma mit den Füßen trat, sich schüttelte und muhte (tierische Laute von sich gab). Ebenso wird seitens dieser Zeugin bestätigt, dass der Oberkörper des Marcus Omofuma gleichsam an den Sitz (Rückenlehne) geklebt und der Mund verklebt war. Die Nase sei jedoch frei gewesen. Ebenso bestätigt sie, dass sie ca 15 Minuten vor der Landung Marcus Omofuma gesehen hätte und er zu diesem Zeitpunkt auf sie den Eindruck eines Schlafenden machte. Diese Zeugin bestätigt auch – wieder entgegen der Aussage des Zeugen Kostov – dass mit der Balkan Air oft Personen abgeschoben werden (Aussagen der Zeugin ON 145/Bd V und ON 151/Bd VI).
Aus der Aussage der Zeugin Anna Petrova Marinova-Pedrozova ergibt sich, dass Passagiere, die abgeschoben werden, in der Regel kein Essen und keine Getränke auf dem Flug von Wien nach Sofia erhalten und dass Schwarzafrikaner als gefährlich betrachtet werden (Seite 158/Bd XII). Überdies bestätigt sie, dass bei einem entsprechenden lauten Verhalten des Marcus Omofuma, dh bei Schreien, es Probleme mit den Passagieren gegeben hätte, insbesondere wäre man dann, weil das Beruhigen der Passagiere eine längere Zeit benötigt – in Verzug mit dem Abflug gekommen. Diese Zeugin bestätigt auch, dass nicht nur im gegenständlichen Flugzeug, sondern auch in anderen Fliegern dieser Bauart wiederum Sitze, dh insbesondere die Rückenlehne nicht in Ordnung sind, und zwar in einer Weise, dass sie umfallen, dh dass die Arretierung bereits ausgeleiert ist; dh dass diese Sitze gleichsam von selbst umfallen (Seite 166/Bd XII). Diese Zeugin bestätigt auch, dass seitens der Crew angenommen wurde, dass Marcus Omofuma tobte und versuchte sich zu befreien, und zwar bis zu dem Zeitpunkt unmittelbar vor dem Start. Diese Zeugin bestätigt auch, dass sie kein Seil oder ähnliches, welches bei Marcus Omofuma angebracht gewesen sein soll, gesehen hat (Seite 169/Bd XII). Auch diese Zeugin bestätigt, dass Marcus Omofuma ca 35 Minuten nach dem Start – das ist ca 20 – 25 Minuten vor der Landung – sich ruhig verhalten hat und den Eindruck eines Schlafenden erweckte (aussagen der Zeugin ON 145/Bd V, ON 160/Bd VI und Seite 154ff/Bd XII).
Der zeuge Vladimir Ivanov Toschkov bestätigt ebenfalls, dass Marcus Omofuma, nachdem er auf seinen Platz gesetzt wurde, "Laute von sich gab und versuchte, mit den Füßen gegen die vor ihm befindlichen Sitze zu treten. Er bestätigt auch, dass das Kiefer des Marcus Omofuma mit einem Klebeband gleichsam nach oben gebunden wurde und dass seitens des Erstangeklagten über Aufforderung des Zeugen Iliev bei Marcus Omofuma von Zeit zu Zeit den Puls fühlte. Dieser Zeuge spricht davon, dass seitens der Angeklagten eine "Art" Gummiseil über den Oberkörper angebracht und danach am Kopf mit einem Klebeband fixiert wurde. Diese Aussage ist gut in Einklang zu bringen mit der Verantwortung der Angeklagten, nämlich dass sie am Beginn den Oberkörper des Marcus Omofuma mit einem Klettband zusätzlich an die Rückenlehne anpressten, um Marcus Omofuma ruhig zu halten. Dass dies am Beginn des Fluges war bzw. unmittelbar vor dem Start - so wie die Angeklagten angaben - deckt sich mit dieser Aussage, weil dieser Zeuge - wie ausgeführt - angab, dass danach der Kopf fixiert wurde. Dass der Kopf am Beginn, d.h. nachdem der Angeklagte umgesetzt wurde, an die Rückenlehne bzw die Nackenstütze in der bereits beschriebenen Art und Weise fixiert wurde, steht aufgrund der bisherigen Aussage und auch der Verantwortung der Angeklagten gleichsam ausser Streit. Dass dieser Zeuge nun von einem Gummiseil spricht, steht letztlich nicht unmittelbar in Widerspruch zur Verantwortung der Angeklagten, die von einem Klettband sprechen, weil der Zeuge auch nur von einer "Art" spricht und wohl ein Verwechslung zwischen "Art Gummiseil" und Klettband leicht möglich ist (Aussage des Zeugen Bd 5/ON 145).
Aus der Aussage des Zeugen Savin Evgueniev Ribarov ergibt sich ebenfalls, dass Marcus Omofuma gefesselt und mit verklebtem Mund in den Flieger getragen wurde. Bezeichnend ist die Aussage dahingehend, dass dieser Zeuge vermeint, dass die Hände und Beine mit etwas gefesselt waren, dass wie ein Seil aussah. Es ist unbestritten, dass die Hände und die Beine bzw Füße des Marcus Omofuma mit einem Klettband geschlossen waren. Dieser Zeuge hielt offenbar dieses Klettband für ein Seil und ist in diesem Zusammenhang auch die angeführte Aussage des Zeugen Toschkov zu sehen, der vermeinte - wie angeführt - ein Gummiseil wurde verwendet. Daraus ist ersichtlich, dass seitens dieser beiden Zeugen offenbar ein Klettband für ein Seil gehalten wurde, dies deshalb, weil sie entweder ein Klettband gar nicht kannten bzw sie eben ein Klettband für eine Art Seil hielten. Auch bestätigte der Zeuge Ribarov, dass Marcus Omofuma tobte, sich auf den Sitz drehte und Versuche machte, so als ob er schreien wollte. Er bestätigt diesbezüglich die Verantwortung der Angeklagten, dass aufgrund dieses Verhaltens in der Folge dann eine weitere "Verklebung" durchgeführt wurde. Dieser Zeuge spricht davon, dass unmittelbar nachdem Marcus Omofuma auf seinen Platz gesetzt wurde, von den Angeklagten mit einem Seil, welches um seine Brust ging, festgebunden wurde. Damit vermeint er offenbar wiederum, dass von den Angeklagten angeführte Klettband. Diese Aussage bestätigt aber wiederum, dass dieses Klettband (Seil) am Beginn angebracht wurde. Es kann aus dieser Aussage jedoch nicht entnommen werden, wie lang sich dieses Band dort befand.
Wenn dieser Zeuge vermeint, er habe während des gesamten Fluges keine Widerstandshandlung seitens Marcus Omofuma gesehen, so kann dieser Aussage nicht zu viel Bedeutung beigemessen werden, weil er viel zu tun hatte (Seite 403/Bd V). Auch dieser Zeuge bestätigt letztlich indirekt, dass eine Verklebung der Nase nicht vorlag, weil er nur davon sprach, dass der Mund verklebt war (Aussagen des Zeugen Seite 399ff und Seite 379ff/Bd V).
Zur Aussage des Zeugen Atanas Iordanov Engiozov ist vorerst auszuführen, dass dieser sich im Rahmen der Hauptverhandlung nicht mehr so detailliert an das Vorgefallene erinnern konnte und auf seine ursprüngliche Aussage diesbezüglich verwies. Aus der Aussage dieses Zeugen ergibt sich einerseits - wie festgestellt - dass Marcus Omofuma als er in den Flieger gebracht wurde tobte, versuchte zu schreien und, nachdem er auf einen Sessel gesetzt wurde, mit den Füßen nach vorne trat. Dieser Zeuge bestätigt auch die Verantwortung der Angeklagten, nämlich dass sie im Zuge der "Verklebung" des Marcus Omofuma ein Klettband um den Oberkörper des Marcus Omofuma legten und dieses von den Angeklagten, die dahinter saßen, an den Enden festgehalten wurde. Der Zeuge gibt sowohl in seiner Einvernahme in Bulgarien als auch im Rahmen der Hauptverhandlung dies klar an. Er spricht zwar von einem Seil, muss jedoch insofern zugestehen, dass es auch ein Klettband gewesen sein könnte, und zwar könne er dies deshalb nicht genau sagen, weil er es selbst nicht angegriffen habe. Dieser Zeuge bestätigt auch, dass die Nase des Marcus Omofuma frei war und dass dieser versuchte bzw dass er probierte sich zu befreien. Er bestätigt auch weiters, dass nach seiner Ansicht es eine erhöhte Kraftanstrengung gekostet hat, das angeführte Seil (=Klettband) zu halten, weil seiner Ansicht nach der "Afrikaner" (gemeint Marcus Omofuma) ziemlich stark ausgeschaut habe (Aussagen dieses Zeugen ON 160 in Bd VI und Seite 181ff/Bd XII). Der Zeuge Vesselin Julianov Lichkov kann im Grunde genommen keinen wesentlichen Beitrag zu den Feststellungen liefern, zumal er sich einerseits im Rahmen der Hauptverhandlung nicht mehr genau erinnern konnte und bei seiner ersten Einvernahme letztlich nur von der Verklebung des Mundes sprach und dazu angab, dass diese (ein bißchen) unter der Nase angebracht war. Dieser Zeuge hat sich auch letztlich nur ein einziges Mal in die Passagierkabine begeben, um zu kontrollieren, ob der Notausgang, in dessen Nähe Marcus Omofuma saß, frei ist (Aussage des Zeugen ON 160/Bd VI sowie Seite 185ff/Bd XII).
Der Zeuge Vassil Stoynov Iliev bestätigt einerseits wiederum die Verantwortung der Angeklagten, und zwar dahingehend, dass die beiden hinter Marcus Omofuma sitzenden Angeklagten diesen mittels eines Textilbandes festhielten, sowie dass kurz danach Marcus Omofuma sehr aggressiv wurde, sich mit dem Sessel hin- und herbewegte und daraufhin Marcus Omofuma im Brustbereich mit einem Klebeband am Sessel festgebunden wurde. Ebenso gab dieser Zeuge, wie bereits festgestellt, an, dass Marcus Omofuma brüllte, stöhnte und tierische Laute von sich gab. Weiters bestätigt der Zeuge, dass seitens der im Flugzeug anwesenden Kinder Angst hochkam und sich die Passagiere, die unmittelbar vor Marcus Omofuma saßen, infolge des Verhaltens Marcus Omofumas ihre Plätze verließen. Dieser Zeuge bestätigt auch, dass der Erstangeklagte, der neben Marcus Omofuma saß, aufgrund seiner Aufforderung vier- bis fünfmal bei Marcus Omofuma dessen Puls fühlte bzw dass der Erstangeklagte versuchte den Mund des Marcus Omofuma zu befreien.
Bezeichnend, jedoch für die Feststellungen unerheblich, ist die weitere Aussage dieses Zeugen, nämlich im Bezug auf seine "Einvernahme" durch die Medien und dass er ausdrücklich darauf hinwies, dass ein österreichische Zeitschrift ein Interview von ihm veröffentlicht hat, dass er dieser Zeitschrift gar nicht gegeben hat. Weiters ist noch auszuführen, dass dieser Zeuge auch bestätigt, dass seitens der Angeklagten der gesamte Oberkörper des Marcus Omofuma umwickelt wurde. Aus der weiteren Aussage des Zeugen ist ersichtlich, dass kurz vor der Landung er das letzte Mal den Erstangeklagten nach dem Zustand des Marcus Omofuma befragte und der Erstangeklagte, nachdem er den Puls kontrolliert hatte, ihm mitteilte, dass Marcus Omofuma lebe. Weil sich aus den Gutachten klar ergibt, dass zu diesem Zeitpunkt Marcus Omofuma bereits gehirntod war, hat der Erstangeklagte, wenn er tatsächlich einen Puls gefühlt hat - entweder seinen eigenen Puls gefühlt, oder wie ebenfalls aus dem Gutachten klar ersichtlich ist, hat das Herz noch geschlagen, obwohl bereits der Hirntod seit geraumer Zeit eingetreten war (Aussagen des Zeugen ON 32/Bd I und Seite 329ff/Bd V).
Aus der Aussage des Zeugen Dr Angel Alexandro Rangelov ergibt sich letztlich nur, dass dieser, nachdem er zu Marcus Omofuma gerufen wurde, den Tod des Marcus Omofuma feststellte. Bei diesem Zeugen handelt es sich um den diensthabenden Arzt am Flughafen in Sofia und war nach seiner Ansicht der Tod vor mehr als 30 Minuten eingetreten. Er selbst habe den Tod zwischen 21.10 und 21.18 Uhr festgestellt (Aussage ON 253/Bd VIII).
Aus der Aussage des Zeugen Krassimir Nikolov Stefanov, der als Pilot bei dem gegenständlichen Flug fungierte, ergibt sich, dass der Zeuge Kostov (Vertreter der Balkan Air in Wien) sowohl dem Zeugen als auch dem weiteren Piloten Kibarski zuerst mitteilte, dass eine Person, die abgeschoben wird, von Wien aus mitfliegt. Dieser Zeuge bestätigt auch, dass in der Folge, als er von der Stewardesse Deribeeva von dem Toben dieses Passagiers verständigt wurde, vom Zeugen Kostov dahingehend beruhigt wurde, dass die Begleiter dieses Passagiers dafür sorgen würden, dass dieser nicht mehr toben wird. Daraus ist wiederum zu schließen, dass der Zeuge Kostov entgegen seiner eigenen Aussage sehr wohl die "Verpackung" des Marcus Omofuma kannte bzw dass ein Verkleben des Mundes bei Abzuschiebenden, wenn diese schrien, geradezu üblich war (Aussage des Zeugen Krassimir Nikolov Stefanov ON 160/Bd VI). Der Zeuge Koytcho Anguelov Kibarski, Pilot beim gegenständlichen Flug, bestätigt nur, dass der Vertreter der Balkan Air in Wien davon Mitteilung machte, "dass alles so sein wird, wie es sollte". Damit meinte Kostov, dass mit dem abzuschiebenden Passagier alles in Ordnung gehe (Aussage des Zeugen Kibarski, ON 160/Bd VI).
Zur Aussage der Zeugin Susanna Van B. ist ergänzend noch auszuführen, dass diese Zeugin auf das Gericht den Eindruck hinterlassen hat, dass sie den gesamten Vorfall überaus emotional gesehen und auch beurteilt hat. Selbst musste sich zugeben, dass sie glaubt ihre Aussage einzufärben (Seite 320/Bd XII). Dazu ist allgemein zu sagen, dass bei einem Zeugen, der Emotionen in seine Aussage bringt bzw emotionell einen Vorfall betrachtet, seine dann darüber abgelegte Zeugenaussage sicher nicht mehr diese Objektivität aufweist, die ein Zeuge an den Tag legt, wenn er ohne Emotion einen Vorfall betrachtet. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Aussage dieser Zeugin zu sehen (Seite 441/Bd III), wonach sie vorerst angab, dass die Nase bzw die Nasenlöcher jedenfalls frei waren und dass sie dies einwandfrei erkennen konnte und in der Folge dann, nach Befragung der Verteidigung sie diese Aussage wiederum dahin einschränkte, dass sie nicht mit Sicherheit sagen könne, ob nicht vielleicht ein Teil der Nasenlöcher verklebt war. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Aussage dieser Zeugin zu beurteilen, nämlich dass der hinter Marcus Omofuma sitzende Beamte lachte, als der andere Beamte das angeführte Band festzog. Dazu ist auszuführen, dass nur diese Zeugin, nämlich Susanna von Baaren einmal ein angebliches Lachen sah und sie selbst bei ihrer ersten Einvernahme (ON 92/Bd III) nicht angeben konnte ob dieses Lachen im Zusammenhang mit dem Festziehen des Bandes stand oder durch Nervosität bedingt war. Bei ihrer Einvernahme im Rahmen der Hauptverhandlung (Seite 318/Bd XII) kann sie sich vorerst den Grund nicht vorstellen bzw auf Fragen des Privatbeteiligtenvertreters Dr Lansky (Seite 320/Bd XII) muss sie zugestehen, dass sie ihre Aussage jetzt einfärbt und vermeinte, dass sie einen Machtmissbrauch darinnen erblickte. Eine solche Aussage, die – wie die Zeugin selbst angab – offenbar gefärbt ist, kann nicht zu einer Feststellung und zwar zu einer objektiven Feststellung herangezogen werden, noch dazu – wie bereits angeführt – wenn kein weiterer Zeuge ein solches Lachen gesehen hat. In diesem Zusammenhang muss auch – darauf wurde jedoch bereits eingegangen – die Aussage dieser Zeugin gesehen werden, dass der Schlag, der gegen Marcus Omofuma von einem davor sitzenden außer Dienst stehenden Angehörigen der Balkan Air geführt wurde, ihrer Schätzung nach ca 35 Minuten vor der Landung erfolgte. Aus den bereits dargelegten Bewegungen kann dies nicht der Fall gewesen sein und hat sich offenbar in diesem Zusammenhang die Zeugin geirrt (Aussagen der Zeugin ON 92/Bd III und Seite 311ff/Bd XII).
Zur Aussage der Zeugin Esther Willems von Nierop ist ebenfalls, wie zur Aussage der Zeugin Susanna Van B. auszuführen, dass diese offenbar ihre Aussage emotional gefärbt hat. Dies kommt auch klar zum Ausdruck, da die Zeugin sowohl bei ihrer Einvernahme vor Gericht am 1.6.1999 (ON 91a/Bd XII) als auch im Rahmen der Hauptverhandlung (Seite 399f/Bd XXI) davon sprach, dass Marcus Omofuma einen Schlag auf den Kopf erhielt, während sie in einem Interview, das sie dem Fernsehen gab, und zwar am 21.5.1999, dh noch vor der ersten gerichtlichen Einvernahme von zwei bis drei Schlägen spricht und sie im Rahmen ihrer Einvernahme bei der Hauptverhandlung vorerst vermeint, dass sie nicht glaube von zwei oder drei Schlägen gesprochen zu haben und erst nach Vorspielung der Videoaufzeichnung (siehe Beil./7 und Beil./8) sich letztlich bequemte, dass sie tatsächlich von zwei bis drei Schlägen im Rahmen dieses Interviews gesprochen hat. Ein solches vorgehen kann jedoch nur den Eindruck erwecken, dass diese Zeugin im Wege dieses Interviews den Vorfall offenbar emotionalisieren wollte. Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist auch, dass sowohl diese Zeugin als auch die Zeugin Susanna Van B. offenbar engen Kontakt zu den Medien haben und auch zu ihrer Einvernahme im Rahmen der Hauptverhandlung von einem holländischen Rechtsanwalt begleitet wurden, der ihnen seitens der Medien oder allenfalls auch nur eines Mediums unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde. Ein solches Verhalten erweckt jedoch Zweifel an der Objektivität einer Zeugenaussage und sind daher auch diese beiden Zeugenaussagen unter diesem Gesichtspunkt zu beurteilen. Diese Zeugin musste letztlich selbst zugeben, dass man unter dem Eindruck eines solchen Vorfalles ihrer Meinung nach subjektiv ist (Seite 343/Bd XII).
Zur Aussage des Zeugen Gregor Schäfer (Seite 350f/Bd XII) ist auszuführen, dass dieser Zeuge den gegenständlichen Vorfall nicht genau beobachten konnte, da er im Flugzeug weiter vorne gesessen ist. Dieser Zeuge bestätigt, dass der gegenständliche Flugzeugtyp überaus laut war und er trotzdem und unter Verwendung von Ohrenstöpseln hörte wie Marcus Omofuma Laute von sich gegeben hat (Seite 353/Bd XII). Dieser Zeuge bestätigt auch, dass seiner Ansicht nach der "Polizist", der neben Marcus Omofuma saß (= Erstangeklagter) mit Marcus Omofuma mitgezittert habe, und zwar sah er dies ca eine halbe Stunde nach dem Start. Wenn dieser Zeuge vermeint, dass er ca Stunde nach dem Start aufgrund eines Blickes in die Augen des Drittangeklagten das Gefühl hatte, dass etwas nicht stimme, so ist dies reine subjektive Aussage und kann wohl aus den bloßem Blich in die Augen eines Mensch nicht konkret und mit ein für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit etwas geschlossen werden. Es handelt sich dabei um rein subjektive Ansicht dieses Zeugen. Auch dieser Zeuge bestätigt, dass durch den Vorfall bei dem im Flugzeug anwesenden Kindern ein Zustand zwischen Neugierde und Panik hervorgerufen wurde und dass nach ca oder allenfalls Stunde das Interesse der Kinder an dem Vorfall abgenommen hat.
Zur Aussage des Zeugen Tiju Boissevain van H. (Seite 357ff/Bd XII) ist auszuführen, dass auch dieser Zeuge bestätigt, dass um den Oberkörper des Marcus Omofuma ein Klebeband herumgedreht wurde, er jedoch nichts konkretes dazu sagen kann, weil er nicht in unmittelbarer Nähe des Marcus Omofuma seinen Sitz hatte. Dieser Zeuge bestätigt, dass nach seiner Ansicht Marcus Omofuma "Urschreie" von sich gab und dass diese Laute sehr laut angefangen und langsam weniger geworden sind und letztlich Marcus Omofuma ganz ruhig war. Dieser Zeuge bestätigt, dass Marcus Omofuma ca zur Halbzeit des Fluges ruhig wurde.
Auch die Zeugin Anja B. (Seite 366ff/Bd XII) bestätigt, dass Marcus Omofuma mit einem Klebeband am Sitz befestigt war und sie den Eindruck hatte, dass diese Befestigung sehr "festgezogen" ausschaute. Diese Zeugin hat außer dem Klebeband keine weitere "Befestigung" am Oberkörper des Marcus Omofuma gesehen, und zwar als sie relativ bald nach dem Start an Marcus Omofuma vorbeiging, weil sie die Toilette aufsuchte. Dadurch wird indirekt wiederum bestätigt, dass seitens der drei Angeklagten das angeführte Klettband nur kurzfristig am Beginn verwendet wurde. Diese Zeugin bestätigt jedenfalls, dass Marcus Omofuma "stöhnte" und dass die Kinder durch dieses Stöhnen sehr belästigt waren (Seite 369/Bd XII).
Der Zeuge Rob D. (Seite 372ff/Bd XII) bestätigt ebenfalls, dass Marcus Omofuma stöhnte und dass diese Laute bzw das Stöhnen sehr laut waren. Ebenso bestätigt er, dass dieses laute Stöhnen am Beginn des Fluges war und etwa in der Mitte des Fluges Marcus Omofuma damit aufhörte.
Zur Aussage des Zeugen Christian Zillinger ist ergänzend noch auszuführen, dass auch dieser Zeuge bestätigte, dass es bei Abschiebung zu Verklebungen des Mundes kam, und zwar insbesondere dann, wenn man Bissverletzungen hintanhalten wollte. Dies deshalb, um die daran knüpfenden Folgen zu vermeiden, nämlich dass durch einen Biss ein Beamter schwer erkrankt. Der Zeuge Zillinger wurde selbst einmal gebissen und musste regelmäßig Aids-Tests aufgrund dieses Bisses über sich ergehen lassen. Dieser Zeuge bestätigt auch, dass bis zum gegenständlichen Vorfall keinerlei Vorschriften, Gesetze, Erlässe, Verordnungen bzw das Vorgehen bei einer Problemabschiebung regeln. Dieser Zeuge bestätigt auch, dass zeitweise die "Verklebungen" relativ lang, dh auch noch während des Fluges aufrechterhalten wurden (Seite 211/Bd XII). Dieser Zeuge bestätigt auch, dass er bei einer Abschiebung dabei war, wo ein Häftling während des gesamten Fluges an dem Sitz fixiert war. Und zwar deshalb, weil das Verhalten dieses Schubhäftlings nach Ansicht des Zeugen ein Sicherheitsrisiko darstellte.
Auch aus der Aussage des Zeugen Herbert Kellner (Seite 215ff/Bd XII) ergibt sich wiederum, dass keinerlei Vorschriften oder dergleichen für ein Vorgehen im Zuge einer Problemabschiebung bis zum gegenständlichen Vorfall vorhanden waren. Bezeichnend ist die Aussage dieses Zeugen, der der stellvertretende Vorgesetzte der Angeklagten war, dass den Beamten, die Abschiebung durchzuführen hatten, nichts gesagt wurde bzw geraten wurde, wenn diese fragten, was zu tun sein, wenn Schubhäftlinge Widerstand leiten, beißen oder spucken. Die lapidare Antwort in diesem Zusammenhang war weiters, dass, soweit der Zeuge weiß, sich die Kollegen ein Klebeband besorgten (Seite 217/XII). Daraus ist schon ersichtlich, wie ernsthaft die Vorgesetzten der Angeklagten und er übrigen für Abschiebungen zuständigen Beamten an diesem Problem herangegangen sind. Aus der Aussage dieses Zeugen ergibt sich auch, dass diese Vorgangsweise als gelindestes Mittel angesehen wurde und sie – damit gemeint sind die Beamten – letztlich auch die Verpflichtung gehabt hätten, die Abschiebungen durchzuführen (Seite 218/Bd XII).
Dieser Zeuge bestätigt auch, dass es an sich die Regel war, dass Schubhäftlinge, die sich anfänglich wehrten, spätestens wenn das Flugzeug aufgestiegen war, sich beruhigten und man aufgrund dieser Beruhigung die Verklebung abnehmen konnte. Dieser Zeuge bestätigt auch, dass in letzter Zeit dh einer Zeit vor dem gegenständlichen Vorfall außer die Fluglinie Balkan Air und die Fluglinie Airoflot keine "Problemabschiebungen" mehr durchführten; und dies deshalb, weil durch Schubhäftlinge teilweise auch Beschädigungen am Flugzeug aufgetreten sind (Seite 219(XII).
Dieser Zeuge bestätigt letztlich auch indirekt, dass auch die finanzielle Seite mitspielte, nämlich deshalb, weil eine "normale Abschiebung" ca S 60.000,- gekostet hat und jetzt, dh im Zuge einer Abschiebung mit einer Chartermaschine man auf Kosten von ca S 650.000,- kommt (Aussagen des Zeugen Herbert Kellner, ON 101/Bd VI und Seite 215/Bd XII).
Zur Aussage des Zeugen Karl Herz ist auszuführen, dass dieser auf das Gericht einen denkbar unglaubwürdigen Eindruck hinterließ. Einerseits führt er an, dass er selbst erst 1995 Kenntnis erlangte, dass es bei Problemabschiebungen zu Verklebungen kommt; dies obwohl er der unmittelbare Vorgesetzte war. Dies ist insofern nicht nachvollziehbar, weil selbst – wie bereits ausgeführt – der Zeuge Dr Löschnak in seiner Funktion als Innenminister bereits im Jahre 1991 bzw 1992 davon Kenntnis hatte. Bezeichnend für diesen Zeugen und letztlich Vorgesetzten der Angeklagten ist sein Verhalten, dass er vermeinte bzw hoffte, dass seitens seiner Vorgesetzten er eine Weisung bekommen würde, und zwar im Bezug auf Mundverklebungen, nämlich ob dies rechtens sei oder nicht; weil er keine Weisung bekam, habe er die Ansicht vertreten bzw vermeinte er dass dieses Vorgehen rechtmäßig sei. In diesem Zusammenhang kann der Aussage dieser Zeugen, nämlich er habe im Rahmen einer Dienstbesprechung auf die Problematik der Mundverklebung hingewiesen, nicht gefolgt werden. Nicht nur dass die Zeugen Zillinger, Kellner und Kodytek nichts von einer solchen Dienstbesprechung wussten, hat das Gericht andererseits den Eindruck gewonnen, dass dieser Zeuge mit dieser Aussage nur versuchte – bildlich gesprochen – seinen eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Auch die drei Angeklagten haben von einer solchen Dienstbesprechung nichts gewusst. Zur Persönlichkeit dieses Zeugen ist überhaupt auszuführen, dass er vermeinte deswegen an seine Vorgesetzten nicht herangetreten zu sein, um eine entsprechende Regelung bzw Weisung im Bezug auf Problemabschiebungen im Zusammenhang mit Verklebungen zu erhalten, weil er befürchtete, dass es dann zu einer Versetzung seiner Person komme. Hier stellt sich dem Gericht schon die Frage, wozu ein Vorgesetzter, der Polizeioffizier ist, überhaupt vorhanden bzw notwendig ist, wenn er nicht einmal sich getraut seine Vorgesetzen um eine Weisung zu ersuchen, wie bei einer Problemabschiebung im Zusammenhang mit Mundverklebung vorzugehen ist. Letztlich kann aber auch aus der Aussage dieses Zeugen gewonnen werden, dass die bis zum gegenständlichen Vorfall ausgeübte Abschiebungspraxis im Zusammenhang mit Problemabschiebungen am Luftwege auch das Kostenproblem eine wesentliche Ursache spielte, nämlich – wie bereits ausgeführt – war eine Abschiebung in der gegenständlichen Art um ein Vielfaches billiger als die Abschiebung im Wege eines Charterfluges (Aussage Zeuge Karl Herz, ON 115/Bd IV und Seite 227ff/Bd XII).
Aus der Aussage des Zeugen Kurt Kodytek ergibt sich – wie bereits festgestellt -, dass es üblich war bei Problemabschiebungen, wenn der Abzuschiebende gebissen hat bzw versucht hat zu beißen, diesem den Mund zu verkleben und wenn er sich geweigert hat ins Flugzeug mitzugehen, dass er ins Flugzeug getragen wurde. Dieser Zeuge bestätigt auch, dass auch eine mehrmalige Verklebung des Mundes vorkam für den Fall, dass sich eine Verklebung löste. Dieser Zeuge wies auch ausdrücklich darauf hin, dass sich diese Art der Abschiebung, nämlich Verklebungen bei Problemabschiebungen, sich gleichsam im Laufe der Zeit entwickelt habe, dies deshalb, weil sonst keine andere Möglichkeit bestand, dh es gab keinerlei – wie ebenfalls bereits mehrfach ausgeführt – entsprechende Anweisungen, Verordnungen, Gesetze etc, die dies regeln. Dieser Zeuge bestätigt auch, dass bei solchen Problemabschiebungen Klettbänder verwendet wurden. Auch dieser Zeuge bestätigt, dass seitens des Zeugen Herz in keiner Dienstbesprechung bzw auch nicht dem Zeugen Kodytek persönlich über die Problematik im Bezug auf Mundverklebungen gesagt wurde. Zum Unterschied zum Zeugen Herz machte der Zeuge Kodytek auf das Gericht einen glaubwürdigen Eindruck und hatte das Gericht auch den Eindruck von diesem Zeugen gewonnen, dass dieser das Geschehen bzw die Praktiken überaus lebensnah darstellte. Aus dieser Zeugenaussage ergibt sich auch, wie "hilfreich" die Vorgesetzten der Beamten waren, die die Abschiebungen durchzuführen hatten, nämlich dass diese Beamten sich sogar selbst bei einem Arzt privat erkundigen mussten, ob allenfalls eine Verklebung des Mundes Probleme hervorrufen konnten (Seite 263/Bd XII). Auch bestätigt dieser Zeuge, dass niemand und auch er selbst nicht – dieser Zeuge führte selbst Problemabschiebungen durch – irgend eine Schulung erhielt, wie man bei derartigen Problemabschiebungen vorzugehen habe (Aussagen des Zeugen Kurt Kodytek, ON 121/Bd IV, Seite 259ff/Bd XII).
Zu den angeführten Aussagen der Zeugen Zillinger, Kellner, Herz und Kodytek ist abschließend zu sagen, dass sich aus diesen Aussagen klar ergibt, dass seitens der Vorgesetzten bzw vorgesetzten Dienstbehörden der Angeklagten keine wie immer geartete Hilfe für diese Beamten, die tatsächliche "Arbeit" – militärisch gesprochen – an der Front auszuführen hatten, geleistet wurde. Es ergibt sich auch aus diesen Aussagen – wie ebenfalls festgestellt – dass es bis zum gegenständlichen Vorfall üblich und normal war, dass bei Problemabschiebungen es zu Verklebungen kam, der Schubhäftling allenfalls in den Flieger getragen und letztlich auf dem Sitz festgebunden wurde, und somit die Angeklagten davon ausgehen könnten, dass ihre Vorgangsweise rechtlich gedeckt ist.
Zur Aussage des Zeugen Dr Franz Löschnak ist auszuführen, dass sich aus dieser Aussage klar ergibt, dass er in seiner Funktion als Innenminister (Februar 1989 bis April 1995) – in Kenntnis der Problematik von Problemabschiebungen – keinen Anlass sah hier irgendwelche spezielle Regelungen vorzuschreiben und dass aus seiner Sicht die gewählte Vorgangsweise wie Mundverklebung als Notwehrmaßnahme anzusehen war. Aus dieser Aussage wird auch bestätigt, dass diese Problematik bekannt war und man drüber auch im Rahmen des Innenministeriums diskutierte. Aufgrund dieser Aussage kann auch der Aussage der Zeugen Dr Einem bzw Mag Schlögl nicht gefolgt werden, dass ihnen während ihrer Amtszeit als Innenminister diese Problematik unbekannt gewesen sei. Der Zeuge Dr Löschnak bestätigt letztlich auch, dass die Kostenfrage nicht unwesentlich für die Abschiebungen bzw die Art der Abschiebungen war (Aussage Dr Löschnak, Seite 246ff/Bd XII).
Zur Aussage des Zeugen Dr Caspar Einem ist auszuführen, dass dieser einerseits vermeint, dass im Zusammenhang mit Problemabschiebungen die Problematik der Mundverklebung während seiner Amtszeit (April 1995 bis Jänner 1997) nicht herangetragen wurde. Dieser Aussage kann das Gericht aufgrund der bereits ausgeführten Überlegungen nicht folgen. Aus der weiteren Aussage des Zeugen Dr Einem kann letztlich für das Verfahren nichts gewonnen werden, zumal der Zeuge – wie bereits angeführt – von der Problematik der Verklebung im Zuge von Problemabschiebungen nichts gehört haben will. Aus dieser Aussage kann nur der einen Schluss gezogen werden, dass man im Rahmen des Innenministeriums offenbar auf keiner Ebene eine Abschiebung in der gegenständlichen Form für problematisch bzw für rechtswidrig hielt (Aussage Dr Caspar Einem, Seite 270ff/Bd XII).
Aus der Aussage des Zeugen Mag Karl Schlögl kann letztlich wiederum nur für das Verfahren gewonnen werden, dass die gegenständliche Problematik im Innenministerium nicht als "Problematik" gesehen wurde. Auch dieser Zeuge verantwortet sich dahingehend, dass er in seiner Funktion als Innenminister (Jänner 1997 bis Februar 2000) bis zum gegenständlichen Vorfall von der Problematik von Verklebungen im Zuge von Problemabschiebungen nichts wusste bzw dieses Problem an ihn nicht herangetragen wurde. Dieser Zeuge gibt letztlich auch zu, dass im Rahmen des Innenministeriums im Bezug auf Problemabschiebungen Fehler begangen wurden (Aussage Mag Karl Schlögl, Seite 294ff/Bd XII).
Abschließend ist zu den Aussagen der drei ehemaligen Innenminister auszuführen, dass sich aus diesen Aussagen – wie bereits festgestellt – nur ergibt, dass die gegenständliche Problematik bereits vor dem gegenständlichen Vorfall bis zu den höchsten Stellen des Bundesministerium für Inneres vorgedrungen ist und man letztlich jedoch keinen Handlungsbedarf – in Kenntnis – dieser Problematik sah.
Aus der Aussage der Zeugin Mag Terezija Stojsits ergibt sich nur, dass die gegenständliche Problematik auch im Rahmen der bereits angeführten parlamentarischen Anfrage aufgezeigt wurde und somit letztlich nicht nur das Bundesministerium für Inneres, sondern auch das Parlament von dieser Problematik wusste und auch offenbar das Parlament bzw die Abgeordneten im Parlament keinen Handlungsbedarf sahen. Es hat jedoch auch offenbar die Zeugin Mag Stojsits keinen weiteren Handlungsbedarf nach dieser parlamentarischen Anfrage gesehen, weil – wie sie selbst angab - keine weiteren Recherchen durchführte, und zwar in der Richtung, ob ein solches Vorgehen, nämlich Verkleben des Mundes in irgendeiner Weise rechtlich gedeckt sei, sei es auch nur im Wege eines Erlasses, einer Verordnung etc (Aussage Zeugin Mag Terezija Stojsits, Seite 579ff/Bd XII).
Aus der Aussage der zeugen Dr Gerti Viskozil ergibt sich nur, dass Marcus Omofuma diverse Erkrankungen hatte, und zwar in der zeit während er sich im Lager Traiskirchen aufhielt (Aussage Dr Gerti Viskozil, Seite 379ff/Bd XII).
Die Obduktion durch Prof Radanov in Bulgarien wie auch die Nachobduktion durch Prof Reiter in Wien haben ergeben, dass Marcus Omofuma keine wie immer gearteten Vorerkrankungen der Atemwege hatte, die sich auf seinen Tod auswirkten.
Die Feststellung, dass die Angeklagten jederzeit, dh natürlich nur bis zur Startphase, die Abschiebung des Marcus Omofuma abbrechen hätten können ohne dass dies für die drei Angeklagten irgendwelche Folgen gehabt hätte, gründet sich auf die Verantwortung der drei Angeklagten und ist auch lebensnah.
Zu der im Rahmen der Hauptverhandlung erfolgten Abweisung der gestellten Beweisanträge wird ergänzend noch ausgeführt:
Zu dem Antrag auf Einholung eines Fasergutachtens bzw welche zusätzliche Befestigung bzw wo diese zusätzliche Befestigung am Oberkörper des Marcus Omofuma angebracht war, ist auszuführen, dass das Gericht letztlich der Verantwortung der Angeklagten gefolgt und daher dieser Beweisantrag nicht durchzuführen ist. Dabei ist noch zu bemerken, dass das Gericht davon ausgeht, dass der gesamte Oberkörper gleichsam verklebt war, sodass wohl auch rein technisch es nicht möglich ist festzustellen, wo allenfalls Spuren von einem Klettband sich am Gewand des Marcus Omofuma befinden. Diese Spuren können nur allenfalls auf dem Klebeband sich befinden und diesbezüglich kann nicht nachvollzogen werden, wo die vorhandenen Klebebandreste letztlich im Bereich des Marcus Omofuma angebracht waren.
Zu dem Antrag auf Einholung eines psychiatrisch oder psychologischen Gutachtens ist auszuführen, dass es jedermann bekannt ist und daher auch lebensnah ist, dass Angst und Stress bzw ähnliche psychische Zustände einen erhöhten Sauerstoffbedarf hervorrufen und dafür wohl nicht ein Sachverständiger von Nöten ist. Wenn in diesem Antrag auch vermeint wird, dass psychiatrisch nicht geschulte Personen dies nicht erkennen können, so ist einmal darauf zu verweisen, dass diese "Atemnot” wohl Allgemeinwissen ist. Dass eine Erkennbarkeit im gegenständlichen Fall erschwert war, ist wohl evident, wenn man bedenkt, wie Marcus Omofuma "verklebt” war.
Zu dem Antrag auf Durchführung von einem Augenschein an Bord einer Maschine wie die gegenständliche, um Sitzproben durchzuführen, weil eine Kompression des Bauchraumes und somit eine Einschränkung des Bauchatmung bei der gegebenen Sitzposition des Marcus Omofuma nicht möglich war, ist auszuführen, dass diesbezüglich, wie bereits im Rahmen der Hauptverhandlung angeführt wurde, auf das Gutachten Prof Brinkmann verwiesen wird und andererseits es für jeden, der bereits einmal in einem Flugzeug gesessen ist, nachvollziehbar ist, dass - wenn man nicht gerade in der 1. Klasse fliegt - die Sitzposition überaus ungünstig, und zwar aufgrund der Beengung, ist. Es ist auch lebensnah und nachvollziehbar, dass durch das Spannen des Beckengurtes über die Unterarme ein zusätzlicher Druck auf den Unterleib eines Menschen ausgeübt wird. Wie empfindlich die Bauchatmung (Zwerchfellatmung) auf Einengung reagiert, weiß letztlich jedermann, der eine Hose trägt und diese Hose mit einem Gurt, der fest angezogen ist, gehalten wird. Es ist auch jedermann, der einen entsprechenden Erste Hilfe Kurs gemacht hat, bekannt, dass bei einem Verletzten als Erstehilfemaßnahme sofort die einengende Kleidung, insbesondere den Hosengurt zu öffnen ist, weil dadurch bereits die Zwerchfellatmung erheblich eingeschränkt wird. Um so mehr wird diese Atmung eingeschränkt, wenn man in sitzender Position auf einem engen Sessel sitzt und - wie bereits ausgeführt - die beiden Unterarme mittels des Beckengurtes festgehalten werden. Es bedarf daher auch diesbezüglich nicht der Beiziehung eines Sachverständigen. In rechtlicher Hinsicht haben die Angeklagten den aus dem Spruch ersichtlichen Tatbestand sowohl in objektiver - wie auch in subjektiver Hinsicht erfüllt. Im einzelnen ist auszuführen:
Gemäß § 6 Abs 1 StGB handelt fahrlässig, wer die Sorgfalt außer Acht läßt, zu er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der dem gesetzlichen Tatbild entspricht.
Das Maß der anzuwendenden Sorgfalt bestimmt sich letztlich, wenn sowohl Rechtsvorschriften als auch Verkehrsnormen fehlen, danach, welche Sorgfalt im gegebenen Fall "ein mit den rechtlich geschützten Werten angemessenen verbundener besonnener und einsichtiger Mensch in der Lage des Täters aufwenden würde, um die Gefahr einer Rechtsgutbeeinträchtigung zu erkennen und hintanzuhalten”. Es kommt mithin auf jene Sorgfalt an, die von einem sich seiner Pflichten gegen die Mitwelt bewußten Menschen aus dem Verkehrskreis des Täters in der konkreten Situation billigerweise verlangt werden kann. Entscheidend ist dabei ein objektiver Maßstab; auf die persönlichen Kenntnisse kommt es hier grundsätzlich nicht an (Leukauf/Steininger 3 Rz 12 zu § 6 StGB).
Auf den gegenständlichen Fall umgelegt heißt dies, dass seitens der Angeklagten durch ihre gewählte Vorgangsweise eine solche Vorgangsweise gewählt und ein solcher Zustand herbeigeführt wurde, der - nach Burgstaller - von einer differenzierten Maßfigur nicht herbeigeführt bzw. aufrecht erhalten worden wäre. Es ist für einen gewissenhaften und einsichtigen Menschen bzw. jeden der vernünftig denkt und somit auch für Beamte der Fremdenpolizei geradezu selbstverständlich, dass die Herbeiführung und die Aufrechterhaltung des Zustandes, in den Marcus Omofuma versetzt wurde, ein solcher ist, der, nicht nur der Menschenwürde widerspricht, sondern auch nicht unerhebliche Gefahren für die Gesundheit herbeiführt. Es ist auch im gegenständlichen Fall der eingetretene "Erfolg” dem objektiv sorgfaltswidrigen Handeln der angeklagten objektiv zuzurechnen, weil auch für jedermann klar ersichtlich ist, dass bei einer derartigen "Behandlung” die Lebensfunktionen eines Menschen - insbesondere das Atmen - behindert bzw überaus wesentlich eingeschränkt wird. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine Einengung des Brustkorbes zu einer Einschränkung der Atemmöglichkeit führt und wenn diese Einengung des Brustkorbes bestimmte Identität erreicht, dass ein Atmen nahezu unmöglich gemacht wird. Es ist auch Allgemeinwissen, dass durch Aufregung und körperliche Anstrengung ein erhöhter Sauerstoffbedarf für einen Menschen besteht und somit auch eine verstärkte Atemfrequenz, die jedoch nicht ausgeführt werden kann, wenn der Brustkorb einer Kompression unterliegt. Dieses Wissen ist Allgemeingut und bedarf es dazu wohl keiner wie immer gearteten besonderen Ausbildung.
Den Angeklagten war es auch zumutbar sich sorgfaltsgemäß zu verhalten, da sich die Frage, ob dem Täter im konkreten die Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt auch zuzumuten ist, danach richtet, ob von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundener Mensch von der geistig und körperlichen Beschaffenheit des Täters in der speziellen Tatsituation realistischer Weise erwartet werden kann, den objektiven Sorgfaltsforderungen zu entsprechen (vgl Wiener Kommentar 1 Rz 97 zu § 6 StGB und die dort zitierten Entscheidungen bzw Lehrmeinungen). Dass den Angeklagten ein solches sorgfaltgemäßes Verhalten zuzumuten war, ergibt sich auch schon aus dem Umstand, dass der Drittangeklagte, wenn auch nur über Anraten des Zeugen Iliev, zumindest zeitweise den Puls bzw die Atemfrequenz des Marcus Omofuma prüfte. Daraus ist ersichtlich, dass die Angeklagten auch die Möglichkeit gehabt hätten sich eines sogenannten rechtmäßigen Alternativverhaltens gleichsam zu bedienen, indem sie - wenn sie schon nicht die Abschiebung rechtzeitig abbrachen - zumindest doch die Verklebung so zu lösen bzw zu lockern gehabt hätten, dass eine tatsächliche Überprüfung der Lebensfunktionen des Marcus Omofuma möglich gewesen wäre. Dazu hätte vorerst genügt, die Verklebung des Mundes zu entfernen und wäre dies - wie bereits ausgeführt - ohne jeglicher Gefährdung möglich gewesen und hätte dadurch Marcus Omofuma auch die Möglichkeit gehabt sich hinsichtlich seiner "Probleme” verständlich zu machen, dh auf seine Atemnot infolge Brustkorbkompression hinzuweisen.
Dass die Angeklagten dem nicht nachgekommen sind, ist darauf zurückzuführen, dass sie diese Vorgangsweise gleichsam als Routine auffassten, wobei jedoch dazu auszuführen ist, dass das Beweisverfahren nicht ergeben hat, dass eine derartige "Verklebung”, wie im gegenständlichen Fall an Marcus Omofuma vorgenommen wurde, auch bei anderen Fällen, soweit sie dem Gericht bekannt sind, vorgenommen wurde. Dabei geht es primär um die komplette Fixierung des Kopfes und der Verklebung bzw mehrfachen nachträglichen Verklebung des Oberkörpers an die Rückenlehne. Diese wurde seitens der Angeklagten nur aufgrund des Umstandes, dass zahlreiche Kinder im Flugzeug waren und die Angeklagten eine Panik fürchteten, getan.
Der § 81 Z 1 StGB erfordert, dass dem Verhalten des Täters ein gegenüber spezifischen Normalfällen entsprechender gesteigerter Gefährlichkeitsgrad, eine außergewöhnlich hohe Unfallwahrscheinlichkeit, innewohnt. Dies ist im gegenständlichen Fall gegeben. Es liegen im gegenständlichen Fall ein Häufung mehrerer unfallträchtiger Faktoren vor, die an sich in Gesamtheit gesehen (Mosaiktheorie) eine solche außergewöhnliche hohe Unfallwahrscheinlichkeit hervorrufen. Es wurde der Mund derartig verklebt und der Kopf so fixiert, dass Marcus Omofuma keine wie immer geartete Möglichkeit gehabt hat sich zu artikulieren, dh sich dahingehend zu äußern, ob er gesundheitliche Probleme hat. Weiters wurde der Brustkorb in der beschriebenen Art und Weise kompremiert, dass die Atemfunktion auf zumindest 50% herabgesetzt wurde und weiters kommt hinzu, dass seitens der Angeklagten dieser Zustand über eine lange Zeit hindurch aufrecht erhalten wurde ohne hinreichend Sorge dafür zu tragen, ob Marcus Omofuma durch diesen Zustand in seiner Gesundheit beeinträchtigt wird.
Es war daher diesbezüglich mit einem Schuldspruch vorzugehen.
Das abgeführte Beweisverfahren hat keine Anhaltspunkte erbracht, dass seitens der Angeklagten im Sinne des § 312 StGB die subjektive Tatseite erfüllt wurde. Der § 312 StGB erfordert in seiner subjektiven Tatseite zumindest bedingten Vorsatz. Ein solcher bedingter Vorsatz konnte jedoch nicht als erwiesen angenommen werden. Die Angeklagten haben, wie bereits ausgeführt, gleichsam routinemäßig diese Problemabschiebung durchgeführt, dh es wurde, weil Marcus Omofuma sich der Abschiebung widersetzte, und versucht zu beißen und auch letztlich biss, eine Verklebung des Mundes vorgenommen und in der Folge, weil Marcus Omofuma sich auch noch im Flugzeug weiterhin widersetzte, eine Verklebung des Marcus Omofuma mit der Rückenlehne vorgenommen. Dass dieser Vorgangswiese nämlich insbesondere die Verklebung des Mundes letztlich geradezu Routine war, wurde bereits ausgeführt und kann daher aufgrund dieser Vorgangsweise den Angeklagten kein Vorsatz Richtung § 213 StGB gemacht werden.
Bedingter Vorsatz heißt, dass der Täter die Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Der Täter hat die Tatverwirklichung ernstlich für möglich gehalten, wenn er das mit seinem Handeln verbundene Risiko dieser Verwirklichung erkannt und als so hoch veranschlagt hat, dass er sie als naheliegend ansieht (Leukauf-Steininger 3 Rz 16 zu § StGB und die dort zitierten Entscheidungen).
Wie bereits ausgeführt kann dies im gegenständlichen Fall nicht angenommen werden. Das Beweisverfahren hat keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, dass die Angeklagten es ernstlich für möglich gehalten haben, dass Marcus Omofuma an seiner Gesundheit Schaden nehmen könnte bzw dass er stirbt, zumal das Beweisverfahren auch ergeben hat, dass bis zum gegenständlichen Vorfall bei derartigen Abschiebungen dh wo es zu Mundverklebungen kam, bisher noch keine "Unfälle” gegeben hat. Wie gering sie dieses Risiko einschätzten zeigt sich schon darin, dass der Erstangeklagte nur aufgrund der Aufforderung des zeugen Iliev sich gleichsam bequemte bei Marcus Omofuma den Puls zu fühlen bzw seine Atmung zu prüfen.
Der einzige Anhaltspunkt der allenfalls für einen Vorsatz im Sinne des § 5 StGB im Bezug auf § 312 StGB sprechen würde, ist das seitens der Zeugin Susanna Van B. angeführte "Lachen”. Diesbezüglich wird jedoch auf das dazu Ausgeführte verwiesen und reicht dieses Lachen, selbst wenn es tatsächlich stattgefunden hat, nicht aus, um einen bedingten Vorsatz anzunehmen. Weitere Anhaltspunkte für einen allfälligen zumindest vorgelegenen bedingten Vorsatz sind nicht gegeben. Selbst die Anklage verweist in ihrer Begründung (Seite 11 in der Anklage) letztlich zur subjektiven Tatseite nur auf das rechtmäßige Alternativverhalten hin. Aus der Sicht der Angeklagten war die gewählte Vorgangsweise - wie bereits ausgeführt - eine geübte Praxis bei sogenannten Problemabschiebungen. Diese Vorgangsweise bei Problemabschiebungen war den Vorgesetzten bekannt. Letztlich gab sogar der zeuge Dr Löschnak zu, dass er in seiner Funktion als Bundesminister für Inneres von dieser Vorgangsweise wusste. Keiner der Beamten bzw der Angeklagten Vorgesetzten haben diese Vorgangsweise gerügt und wie das Beweisverfahren ergab es letztlich als Notwehrmaßnahme gerechtfertigt. Selbst im Parlament wurde dieses Problem angesprochen, und zwar im Rahmen einer dringlichen Anfrage und hatte dies alles letztlich keine Änderung der Praxis herbeigeführt, sodass die Angeklagten sehr wohl davon ausgehen konnten und auch ausgegangen sind, dass diese von ihnen gewählte Vorgangsweise rechtmäßig sei. Dass eine solche Vorgangsweise jedoch eine erhöhte Sorgfaltspflicht hervorruft, noch dazu wenn neben der Verklebung des Mundes auch noch eine "Verklebung” des Oberkörpers erfolgt, wurde bereits ausgeführt und stellt diese Außerachtlassung die bereits angeführte Fahrlässigkeit dar. In diesem Zusammenhang ist auch auszuführen, dass es geradezu bezeichnend ist, dass seitens der Vorgesetzten der Angeklagten und natürlich auch der sonstigen Beamten, die für Abschiebungen zuständig waren, diese Beamten bzw die Angeklagten gleichsam "im Regen” stehen gelassen wurden, obwohl diese Beamten es waren, die die eigentliche - ganz konkret gesagt - "Schmutzarbeit” leisten mussten.
Da schon die subjektive Tatseite des § 312 StGB nicht erfüllt ist, bedarf es kein Eingehen auf die objektive und somit auch nicht zur Klärung der Frage, ob die seitens der Angeklagten gewählte Vorgangsweise als Quälen anzusehen ist. Unumstritten ist jedoch, dass das Verkleben eines Mundes als menschenunwürdig anzusehen ist. Seit diesem gegenständlichen Vorfall werden sogenannte Problemabschiebungen ua mit eigens dafür gecharterten Flugzeugen durchgeführt, wodurch die bis zum gegenständlichen Vorfall geübte Praxis (ua Mund verkleben) nicht mehr notwendig ist. Dass diese Art der Abschiebung erheblich teurer ist, ist verständlich, jedoch dürfen in einem Rechtsstaat menschenverachtende Handlungen nicht durch Geldmangel begründet werden.
Es war daher mit einem Schuldspruch nach § 81 Z 1 StGB vorzugehen.
Bei der Strafbemessung war hinsichtlich aller drei Angeklagten
erschwerend: kein Umstand,
mildernd: der bisher ordentliche Lebenswandel, der wesentliche Beitrag zur Wahrheitsfindung, der Umstand, dass das Verfahren unverhältnismäßig lange gedauert hat (§ 34 Abs 2 StGB), wobei die lange Dauer weder den Angeklagten noch deren Verteidiger anzulasten ist, sowie der Umstand, dass auch Marcus Omofuma durch sein gesetztes Verhalten eine gewisse Mitschuld trägt. Dass von Marcus Omofuma gesetzte Verhalten würde im Falle einer Verurteilung den Tatbestand des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB und den Tatbestand der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB erfüllen.
Unter Berücksichtigung dieser Strafzumessungsgründe erschienen dem Gericht die ausgesprochenen Freiheitsstrafen dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat sowie auch der Täterpersönlichkeiten für angemessen. Im Hinblick auf den Umstand, dass weder spezial- noch generalpräventive Überlegungen dagegen sprechen, konnte die Strafe unter Setzung einer dreijährigen Probezeit nachgesehen werden.
Die Privatbeteiligten waren auf den Zivilrechtsweg zu verweisen, weil zwar jeder, der durch ein Offizialdelikt eines Organs eines Rechtsträgers in seinen Rechten verletzt wird, das Recht zusteht, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter anzuschließen, jedoch ein Zuspruch im Rahmen des Strafverfahrens aufgrund § 9 AHG nicht möglich ist (vgl EvBl 1972/293, 1982/186; JBl 1978, 318).
Die übrigen Entscheidungen gründen sich auf die aus dem Spruch ersichtlichen Gesetzesstellen.Landesgericht Korneuburg
Hauptplatz 18, 2100 Korneuburg
Abt 11, am 15.4.2002Für die Richtigkeit der Ausfertigung
der Leiter der Geschäftsabteilung:
Dr. Alexander Fiala

 

   
 


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