Disziplinarkommission hebt Suspendierung von Omofuma-Beamten auf
06.02.2001
 

 

APA-Meldung vom 5.2.2001

Aussendung der Grünen

Marcus Omofuma: klassischer Erstickungstod

   

 

Am 05. 02. 2001 wurde die Suspendierung der drei Polizeibeamten, die Marcus Omofuma im Flugzeug gefesselt und geknebelt hatten - und daher vermutlich für seinen Tod verantwotlich sind - aufgehoben. [1] Anwalt Farik Rifat argumentierte mit der langen Verfahrensdauer. Das Disziplinarverfahren gegen die Verdächtigen bleibt aber aufrecht, erklärte der Pressesprecher des Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit, Erik Buxbaum.


APA-Meldung 5.2.2001

Causa Omofuma: Suspendierung gegen Polizisten aufgehoben
Das Disziplinarverfahren bleibt aber weiterhin aufrecht

Wien - Die Suspendierungen gegen die drei in der Causa Omofuma belasteten Fremdenpolizisten wurden am Montag von der unabhängigen Disziplinarkommission aufgehoben, bestätigte Rudolf Gollia, der Sprecher des Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit, Erik Buxbaum. Das Disziplinarverfahren gegen die Verdächtigen bleibe aber weiterhin aufrecht.

Der Schubhäftling Marcus Omofuma war am 1. Mai 1999 im Zuge eines Fluges nach Sofia (Bulgarien) gestorben, nachdem ihm drei ihn begleitende Fremdenpolizisten mit einem Klebeband den Mund verschlossen hatten. Gegen die Beamten wird seither ermittelt. Konträre Meinungen von Gerichtsmedizinern haben dieses Verfahren bisher in die Länge gezogen. Die Aufarbeitung des Falles Omofuma vor Gericht spießt sich an konträren Aussagen der gerichtsmedizinischen Experten. Nun wird ein drittes Gutachten eingeholt.

Der bulgarische Gerichtsmediziner Professor Stojcho Radanov, der die Leiche als erster untersucht hatte, machte in zwei Gutachten das Verschließen des Mundes sowie die Fesselung des Brustkorbes von Omofuma, durch die ein normales Atmen unmöglich geworden sei, für den Tod des Schubhäftlings verantwortlich. Der Wiener Gerichtsmediziner Christian Reiter hingegen hielt in einer ersten und zweiten Expertise auch eine Herzschwäche als Todesursache für möglich und betonte, dass ein Zusammenhang zwischen der Behandlung Omofumas durch die Beamten und seinem Ableben nicht zweifelsfrei hergestellt werden könne.



Stoisits: Keine Gründe für Aufhebung der Suspendierung in Causa Omofuma

Wien (OTS) "Die Disziplinarkommission hat keinen plausiblen Grund genannt, warum die Suspendierungen gegen die drei in der Causa Omofuma belasteten Fremdenpolizisten heute aufgehoben wurde. An den Gründen für die Suspendierung kann sich nämlich nichts geändert haben, da es noch immer kein
Gerichtsverfahren gegeben hat", kritisiert die Justizsprecherin der Grünen, Terezija Stoisits.

"Die Disziplinarkommission fällt damit voreilig einen Freispruch vom Schuldvorwurf, bevor überhaupt noch eine Gerichtsverhandlung stattgefunden hat. Das erschreckende Fazit ist, daß der Tod von Marcus Omofuma völlig sanktionslos bleibt. Der Verdacht drängt sich daher auf, daß der Tod eines schwarzafrikanischen Flüchtlings den Behörden völlig gleichgültig ist", so Stoisits.

Das Schneckentempo der Justiz und die heutige Entscheidung der Disziplinarkommission sind zudem traurige und erschreckende Indizien für die Ignoranz der österreichischen Behörden. "Immer mehr drängt sich der Verdacht auf, daß die Verschleppung der Aufklärung gewollt ist", so Stoisits.

eMail: pressebuero@gruene.at


Marcus Omofuma: "Klassischer Erstickungstod"


In den letzten Wochen sind einige neue Details rund um den Tod von Marcus Omofuma bekanntgeworden. Die Todesursache ist nach der Fertigstellung des österreichischen Gutachtens plötzlich nicht mehr so klar. Niederländische ZeugInnen berichteten in einem Interview über ihre Einvernahme bei Gericht und ihre Beobachtungen im Flugzeug.

TATblatt; Falter, News, div. Tageszeitungen
Der Gerichtsmediziner Christian Reiter übermittelte sein Gutachten an die Justiz und schaffte es, dieses so zu formulieren, daß
Interpretationen in alle Richtungen möglich sind. Der Satz: " Ein
ursächlicher Zusammenhang zwischen Tod und Verklebung ist mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nicht zu belegen" reichte der Kronenzeitung für die Seite 1 Schlagzeile "Omofuma ist nicht erstickt". Der Satz schließt einen Erstickungstod aber auch nicht aus, vor allem dann, wenn mensch berücksichtigt, daß Reiter die Modalitäten der Abschiebung für "entscheidende Faktoren" für den Tod hält.(1) Das Gutachten von Gerichtsmediziner Reiter ist das zweite, das zum Tod von Marcus Omofuma angefertigt wurde. Das erste erstellte der bulgarische Gerichtsmediziner Stojcho Radanov unmittelbar nach Omofumas Tod. Dieser Arzt hatte die Leiche im Flugzeug gesehen. Sie
wies laut Radanov "alle körperlichen Merkmale auf, die beim Tod durch Ersticken auftreten". Das Foto des toten Marcus Omofuma dient Radanov seither bei seinen Vorlesungen als Beispiel für einen "klassischen Erstickungstod". Auch die Obduktion brachte kein anderes Ergebnis. Radanov dazu (ineiner Reaktion auf Reiters Gutachten, in dem von einer Herzkrankheit die Rede ist): "Damit stand fest: Omofuma starb infolge einer mechanischen Erstickung. Selbst wenn er irgendeine Krankheit gehabt haben sollte, war dies nicht die Todesursache. Omofuma starb, weil er verklebt wurde."

Die Vermutung Reiters, Omofuma könnte sich durch seinen körperlichen Widerstand verletzt haben und deswegen gestorben sein (Lungenfettembolie), hält Radanov für ausgeschlossen. "Denn die Klebstoffreste, die wir gefunden haben, belegen eindeutig, daß
Omofumas Mund zur Gänze und ein Nasenloch zumindest zum Teil verklebt war. Und weil diese Anordnung Atemschwierigkeiten verursacht hat, versuchte Omofuma, Luft zu bekommen, und wurde unruhig. Daraufhin wurde er noch mehr verklebt. Dies führte dazu, daß der Blutfluß vom Kopf zum Brustkorb verhindert wurde und so langsam, aber sicher eine Erstickung eintrat. Als sich der Sauerstoffmangel weiter verstärkte, verfiel Omofuma in einen Krampfzustand. Dabei schlugen seine Beine gegen den Vordersitz. Was aussah als würde er sich wehren , war in Wirklichkeit sein Todeskampf."

Farid Rifaat, der Verteidiger der angeklagten Polizisten, versucht
alles, Radanovs Gutachten herunterzumachen. Das "bulgarische Papier" weise "erhebliche Mängel" auf und sei "nicht gleichwertig" mit dem österreichischen Gutachten. Ob dieser Kritik sah sich Radanov, der seit Jahrzehnten als Gerichtsmediziner arbeitet und eine international anerkannte Kapazität ist, veranlaßt erstmals öffentlich Stellung zu nehmen. Dabei berichtete er nicht nur über sein Gutachten, sondern gab auch bekannt, daß er mehrmals von
österreichischer Seite unter Druck gesetzt worden war. Er wurde des öfteren von VertreterInnen der österreichischen Botschaft aufgesucht, die ihn zu Eile mahnten oder ihm Briefe übergaben, die mögliche Todesursachen in den Raum stellten. Reinhard Mörz, der Chefarzt des Innenministeriums, schrieb in einem dieser Briefe: "Die dritte Frage für mich ist, ob Omofuma illegale Drogen genommen hat. Diese Frage wird von uns deshalb gestellt, da die meisten illegalen nigerianischen Leute in unserem Land involviert sind im Verkauf illegaler Drogen. Sollten illegale Drogen nachweisbar sein, ist für uns auch die Beantwortung der Frage, ob aus ihrer Sicht ein
Zusammenhang bestehen kann, von wesentlicher Bedeutung." Heute gesteht Mörz ein, daß die Vermutung, Omofuma sei an einer Überdosis gestorben, nicht gerade auf der Hand lag.

Neue Details gibt es auch über den Ablauf der Abschiebung. Mit an
Bord war damals eine 52-köpfige holländische Tanzgruppe. Zwei
Personen dieser Gruppe wurden, nachdem die Österreichkorrespondentin einer niederländischen Tageszeitung auf die ZeugInnengruppe hingewiesen hatte, von der Untersuchungsrichterin angehört. In einem Interview im Falter nahmen sie zu den Ereignissen Stellung. Kritik gab es von den ZeugInnen auch an den Umständen ihrer Einvernahme. Die
Richterin zeigte sich an den Aussagen nicht sonderlich interessiert
und konzentrierte sich hauptsächlich darauf festzustellen, ob die
Nase Omofumas verklebt war. Die Aussage einer Zeugin darüber fand sich im Protokoll dann jedoch einigermaßen verdreht wieder. Ihre Beobachtung, daß die Nasenflügel durch das straff angezogene
Klebeband so angespannt waren, daß nicht mehr die ganzen Nasenlöcher frei waren, wurde zu: "Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob nicht vielleicht ein Teil der Nasenlöcher verklebt war, es war aber mit Sicherheit zumindest immer ein Teil der Nasenlöcher frei." Bei Farid Rifaat wurde daraus: "Eine der holländischen ZeugInnen hat ausdrücklich deponiert, daß die Nasenlöcher Omofumas frei von Klebebänder geblieben sind." Die Vorfälle im Flugzeug waren für viele der NiederländerInnen so schrecklich, daß sie noch heute in psychologischer Betreuung sind. Etliche machen sich große Vorwürfe, nicht eingegriffen zu haben. Sie berichten von den Vorgängen im Flugzeug: Omofuma war bereits, als die Polizisten in ins Flugzeug brachten mit mehreren Schichten Klebeband bewegungsunfähig gemacht.

Im Flugzeug wurde er vom Unterleib bis knapp unter die Nase mit dem Klebeband umwickelt und an den Sitz geklebt. Um das Klebeband über das Kinn noch fester anziehen zu könne, drückte ein Polizist den Kopf Omofumas hinunter. Sein Kollege schnürte den bereits völlig mit Klebeband umwickelten Körper noch zusätzlich mit einem Plastikgurt an den Sitz. Beim Anspannen stemmte er sich gegen den Sitz und lachte seinem Kollegen zu. Die ZeugInnen hatten zu diesem Zeitpunkt bereits das Gefühl, daß Omofuma im Koma ist und fürchteten, daß er stirbt. Die Polizisten wirkten dagegen "stoisch und gefaßt", keine Spur von Überforderung. Für sie schien die Situation Routine zu sein. Einmal sagten sie: "Wir müssen das leider manchmal machen."

(1) Unter der erwähnten Kronen Zeitung Schlagzeile ist übrigens ein
großes Bild des an der Pfote verletzten Polizeihundes "Marco" samt
zweier PolizistInnen abgebildet. Die Bildunterschrift klärt uns auf,
daß sich der Polizeihund bei der Verbrecherjagd verletzt hat.

Quelle: TATblatt
Fussnoten
[1] wir verwenden diese Formulierung, da bis jetzt die Anklage gegen diese Beamten nicht klar formuliert wurde. Struktureller Mord darf als solcher nicht benannt werden, da dies wieder zu Strafverfolgung durch den Staat führt.

Material zu Marcus Omofuma

Staatsrassismus

 

 


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