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Änderung:
23.04.2002
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Prozessbericht Mittwoch, 10. April 2002 |
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Der Prozess gegen die drei Fremdenpolizisten - Dr. Gerti Viskosil - praktische Ärztin im Flüchtlingslager Traiskirchen - Dr. Herbert Budka, Professor für Neuropathologie in Wien - Dr. Christian Reiter, Institut für gerichtliche Medizin der Universität Wien - Dr. Bernd Brinkmann, Professor für Rechtsmedizin an der Universität Münster |
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9. Prozesstag, 10.4.2002 Die Anwesenden:
Bitte Fehler bei der Verschriftlichung der medizinischen Ausführungen zu entschuldigen. Der Bericht wurde von medizinischen Laien geschrieben.
Sie behandelte Marcus Omofuma während seiner Zeit im Flüchtlingslager Traiskirchen. Diagnostiziert hatte sie Nebenhöhlenentzündung und einen Infekt der oberen Luftwege. Zwischen 21. September 1998 und 14. Dezember 1998 war Omofuma 13 mal bei ihr in Behandlung. Es ging immer um Erkrankungen der Luftwege. Nach ihren Angaben war Omofuma auch 2 mal in einer Hals-Nasen-Ohren Klinik in Wiener Neustadt in Behandlung. Für die Ärztin gab es keine Anzeichen auf eine Herzerkrankung oder Herzprobleme. Als Medikamente verschrieb sie dem Patienten Antibiotika, abschwellende Mittel für die Nasenschleimhaut und Mittel gegen Gastritis. Omofuma war zum letzten Mal im Dezember 98 bei ihr - an diesem Tag ging es ihm gesundheitlich nicht gut. Er hatte Probleme mit den Nebenhöhlen und eine Schwellung der Nasenschleimhäute. Ob die Krankheit chronisch war ist nicht bekannt. Die Frage von Dr. Binkmann, ob sie Aufzeichnungen über Blutdruck und Pulsfrequenz hätte, verneinte die Ärztin. Dr. Reiter wollte wissen, welches Krankheitsbild sie am 14.12.98 diagnostizierte und welche Medikamente sie verschrieb. Diagnose: Probleme mit den Nebenhöhlen, Schwellung der Nasenschleimhäute und Gelenksschmerzen. Medikamente: Schmerzmittel und Hustenmittel. Rechtsanwalt
Rifaat: "Omofuma behauptete im März 99 (als er in Schubhaft
war) seine linke Hand nicht zu spüren." Das ergebe sich aus
den Krankenunterlagen, weiters hatte er Schmerzen in der Magengegend,
eine Gastroskopie wurde durchgeführt. Diagnose: aerosible Autogastritis.
Rechtsanwalt Ofner stellte die Frage, ob die Beschwerden im linken Rippenbogen Anzeichen für ein Herzproblem sein können. Richter Fiala wies diese Frage als nicht zulässig ab. Dr. Brinkmann gab an, dass laut Unterlagen die Pulsfrequenz relativ hoch gewesen sei, dass weiters Sensibilitätsstörungen der linken Hand und der Finger, im April 1999 Halsschmerzen aufgezeichnet waren. Die Ärztin war zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr mit Marcus Omofuma befasst, da er sich zu dieser Zeit in Schubhaft befand.
Dr. Budka begutachtete das Gehirn von Marcus Omofuma neuropathologisch. Er hält sein Gutachten vom 12. Juli 1999 vollinhaltlich aufrecht. Pathologische Veränderungen des Gehirns: Volumsvermehrung, verstärkte Zeichnung der Gefäße, Veränderungen an Nervenzellen wie sie durch Sauerstoffmangel entstehen. Das Gehirn wurde histologisch (feingeweblich) an 12 Bereichen untersucht. Eine Frage
die sich bei der Begutachtung stellte war die nach einer Blutstauung.
Nach Angaben von Budka gab es Anzeichen von Blutstau im gesamten Bereich.
Weiters eine terminale akute Sauerstoff-Unterversorgung der Ganglien,
Sauerstoff-Unterversorgung in allen Hirnabschnitten. Hinweise auf einstündige
Sauerstoff-Unterversorgung der Ganglien. Die Schädigung der Nervenzellen
sei ebenfalls ein Hinweis auf Sauerstoff-Unterversorgung. Es sei schwer
den Zeitraum der Sauerstoff-Unterversorgung zu bestimmen, er kann kurzfristig
aber auch längerdauernd sein, bereits nach ca. 30 Minuten seien Veränderungen
im Mikroskop sichtbar. Bei Marcus Omofuma sei die Veränderung sehr
deutlich sichtbar gewesen, Dauer des Sauerstoffmangels zumindest 30 Minuten
bis mehrere Stunden. Richter Fiala
stellte die Frage, ob Budka aufgrund seiner Untersuchungen Schlüsse
auf die Gründe der Sauerstoff-Unterversorgung ziehen könne.
Budka: die Art der Veränderung lasse keine Rückschlüsse
auf die Gründe zu. Bei Omofuma hätte es aber Hinweise auf einen
Erstickungsvorgang gegeben. Es gab irreversible Schäden, die die
unmittelbare Todesursache sind. Frage Brinkmann: Zeitraum zwischen Schädigungsbeginn und Tod? Antwort Budka: ca. 30 Minuten. Es hätte Ödemschwellung, Stauung und Blutung gegeben. Frage Reiter:
wäre Veränderung bei Erstickung durch z.B. einen Polster gleich
gewesen? Antwort Budka: nein - weil bei Omofuma der Zeitraum länger
war. Frage des Staatsanwalts: hätte eine Minute Sauerstoff-Armut die gleiche Konsequenz wie 30 Minuten wenig Sauerstoff? Budka: eine Minute sei zu wenig, irreversible Schäden erst ab 5 - 10 Minuten Sauerstoff-Armut. Rechtsanwalt Lansky: gibt es wissenschaftliche Untersuchungen zu Folterfolgen und Hirnschädigung - kann aus Befunden derartiges herausgefunden werden? Budka: Folterschäden wirkten sich im Gehirn ganz unterschiedlich aus. Am Hirn sieht mensch nur systemische Veränderungen, Hinweise auf Traumatisierung seien nicht zu sehen. Daraufhin Kommentar von RA Rifaat: "Er hat nix gerissen mit der Frage" (gemeint war die Frage von RA Lansky). RA Rifaat:
bei Erstickung durch einen Polster gibt es unterschiedliche Hinweise auf
die Todesursache als bei Marcus Omofuma, andere Veränderungen im
Hirn. Rechtsanwalt Lansky: können die Schädigungen auch andere Ursachen haben, beispielsweise Ersticken? Budka: ja. Staatsanwalt: wäre Omofuma eine halbe Stunde vor dem Tod noch zu retten gewesen? Budka: nein. RA Rifaat
stellt einen Antrag auf Beischaffung der in Sofia sichergestellten Bänder
oder Gurte, mit denen Marcus Omofuma an den Flugzeugsitz gefesselt worden
sein soll. Weiters soll die Kleidung, die Omofuma am 1. Mai 1999 getragen
hat, beigeschafft werden. Ein Fasergutachten der Kleidung soll zum Beweis
dafür erstellt werden, dass entgegen der Angaben der Zeuginnen aus
Holland vom Montag sich der Gurt im Bereich der Beine befunden hat, das
Klettband im Bereich des Oberkörpers. Die Hose und die Oberkleidung
sollen darauf untersucht werden, dass der Gurt im Bereich der Hose angebracht
war, das Klettband um den Oberkörper. Dr. Christian Reiter, Institut für gerichtliche Medizin der Universität Wien Präsentierte einen Diavortrag (Bilddokumentation) zur Untermauerung seiner Ausführungen im Gutachten. Prämissen
zum Tod von Marcus Omofuma: Befunde zur Verklebung von Marcus Omofuma (längere Ausführungen zu Teilbereichen der Untersuchung): Sichergestellte
Klebebänder (die, mit denen der Mund verklebt war): These von Reiter: trotz Verklebung bei Fehlen krankhafter Veränderungen der oberen Atemwege kein Sauerstoff-Mangel ohne Agitation und/oder Emotion. Die computertomographische Untersuchung ergab keinerlei Verengungen der oberen Atemwege. Bei Agitation und/oder Emotion käme es zu Sauerstoff-Mangel. Weitere These:
Bei längerem Sauerstoffmangel wie bei Marcus Omofuma, Verklebung des Mundes und teilweise des rechten Nasenlochs, erhöhtem Sauerstoff-Verbrauch durch Emotion/Agitation und erhöhtem Sauerstoff-Partialdruck (durch Flughöhe) sei nach Angaben Reiters Ersticken nicht zwingend. Die Frage sei, ob es zusätzlich zu Hals- und Brustkompression gekommen sei. Reiter bringt Beispiele für Befunde, wie sie bei Brustkorbkompression vorkommen. "Tod durch Druckstauung". Kennzeichen sind: Behinderung des Einatmens, keine Erhöhung der Unterdrucks im Pleuraspalt, Erhöhung des Brustkorbinnendruckes etc. Weiters bringt Reiter beispielhafte Obduktionsbefunde bei Tod durch Druckstauung. Bei Marcus
Omofuma sei es zu Veränderungen der Bindehäute gekommen. Blutungen
an der Bindehaut könnten von einem Schlag herrühren, den ein
Passagier Marcus Omofuma zugefügt hatte. Dann kommt
Reiter zum Kernpunkt seiner Theorie, nämlich dass Marcus Omofuma´s
Tod durch eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis) hervorgerufen wurde. Nach Angaben
Reiters passen die Krankheitssymptome gut auf das medinzinische Krankheitsbild
von Herzmuskelentzündung. Dr. Reiter
fasst schließlich seine Thesen zusammen: Schließlich stellt Dr. Brinkmann noch einige kurze Fragen an Dr. Reiter. Vor der Befragung
von Dr. Brinkmann wird noch die Frage gestellt, wie sein Gutachten ins
Internet gekommen sei. Er meint, er hätte es nicht reingestellt.
Dr. Brinkmann
geht von der These des Todes durch Ersticken aus. Erstickungsvorgang:
Der Verschluss des Mundes sei bei Marcus Omofuma unstrittig der Fall gewesen. Da die Nasen nur teilweise verklebt waren, kann dies nicht zu Erstickung geführt haben. Eine Strangulation des Halses hat für Brinkmann nicht vorgelegen. Die Atembewegung des Brustkorbes war durch die Verklebung aber stark beeinträchtigt. In Deutschland gibt es viel Literatur darüber. Eine Druckstauung liegt dann vor, wenn mensch bei Bewusstsein eingeklemmt wird. Der Brustkorb wird eingeklemmt, Blut wird nach oben gedrückt (ins Gesicht, in die Schultern). Eine Thoraxkompression (Brustkorbkompression) äußerst sich anders als eine Druckstauung. Die Atemtätigkeit des Brustkorbes ist behindert (durch einen Gurt um den Brustkorb beträgt die Einschränkung ca. 50 - 70 %). Als Reserve dient aber die Zwerchfellatmung. Diese ist aber beim Sitzen eingeschränkt, bei Verkleben noch mehr. Omofuma wurde effektiv festgezurrt. Es sei medizinisches Prinzip beispielsweise bei Tod durch Ersticken auch Untersuchungen zu anderen Ursachen anzustellen. Im vorliegenden Fall gäbe es zahlreiche Befunde und Hinweise, die für Tod durch Sauerstoff-Mangel sprechen. Die starke Faserschwellung (Komprimierung der Fasern) spreche für einen langsamen Sauerstoff-Mangel. In der Lunge hätte es keinerlei Zeichen einer fortgeschrittenen Erkrankung gegeben. Laut Brinkmann neigten Schwarzafrikaner sehr oft zu Bluthochdruck. Akutes Ersticken könne nicht vorgelegen sein - unter Belastung braucht der Mensch 10 - 20 mal soviel Luft wie normal. Atemtätigkeit wird bei Widerstand erhöht (um das 5 fache oder mehr) - bei Atemnot komme es zu unkontrollierten Bewegung - Marcus Omofuma geriet außer sich vor Angst, wurde bewusstlos, durch seinen Ruhezustand bekam er wieder Luft. Brustkorbkompression
lag hier vermutlich vor, es kam zu einem Kohlendioxid-Anstieg im Blut
und zu Atemnot. Der Gurt verstärkte die Atemnot - Tod durch Sauerstoffmangel
möglich. Die beiden Mechanismen in Kombination (Verklebung, Brustkorbfixierung) sind die wahrscheinliche Todesursache. Zum Stellenwert der Herzerkrankung: das Herz war mit Sicherheit nicht krank, in 5 - 10 Jahren hätte er Probleme gehabt, Marcus Omofuma war gesund. Herzerkrankungen seien bei Personen über 50, 60 Jahren viel schlimmer als bei Marcus Omofuma - der Befund über die Herzmuskelentzündung sei nebensächlich - bei tatsächlicher Herzmuskelentzündung würde der Tod vielleicht 20 Sekunden früher eintreten. Die Blutungen
in den Augenäpfel seien auf keinen Fall durch einen Schlag entstanden
(durch den Passagier in der Reihe vor Omofuma). |
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