VON IRLAND RUND UM DIE WELT

Die rasche Zunahme von sogenannten Freien Produktionszonen oder Weltmarktfabriken oder Maquilas ist einer der beunruhigendstenden Aspekte im Prozeß der Globalisierung des Arbeitsmarktes. Heute sind weltweit etwa 4,5 Millionen Menschen, vor allem Frauen, unter extrem repressiven Bedingungen in rund 70 afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Ländern in solchen Freien Produktionszonen (FPZ) tätig.

Da über Entstehung und Definition der FPZ nicht gerade Klarheit herrscht, wollen wir kurz einen Blick auf die Entwicklung dieser Produktionsform werfen. Die Idee hinter der Gründung der Freihandelszonen war, daß Unternehmen Material importieren, das sie dann weiterverarbeiten und reexportieren, ohne daß hierfür Zoll bezahlt werden müßte. Bahnbrechend bei dieser Erfindung war ein europäisches Land, nämlich Irland. Als Anfang der 60er Jahre die Düsenflugzeuge das Auftanken vor der Atlantiküberquerung auf dem Shannon-Flughafen im Westen Irlands zunehmend überflüssig machten, kam den Iren eine besondere Idee: Sie verwandelten den Flughafen und das umliegende Gelände in eine Freihandelszone, um ausländische Investoren zum Bau von Herstellungsbetrieben anzulocken. Mit großem Erfolg. Die irische Idee wurde dann von von UN-Organisationen wie UNIDO und UNCTAD aufgegriffen und den Entwicklungsländern als erfolgversprechendes Instrument zur Industrialisierung empfohlen. Mitte der 60er Jahre entstanden dann in Asien, Mexiko und der Karibik die ersten dieser Freien Produktionszonen.

Rasche Expansion der Weltmarktfabriken

Auf Grund seiner Nähe zu den USA und seiner Wirtschaftspolitik war Mexiko federführend bei der Entwicklung der FPZ, die man hier auch als Maquiladora-Industrie bezeichnet. Maquila hieß in der Kolonialzeit das Mahlgeld, das der Müller für seine Arbeit einsteckte, also eine Teilarbeit auf dem Weg von der bäuerlichen Aussaat zum Brot. Und als Maquiladora taufte man in Mexiko jene Montageindustrie, die integriert ist in einen andernorts - zumeist in den USA - gesteuerten Produktionsprozeß, der billige Arbeitskräfte benötigt, um hohe Gewinne abzuwerfen. 1966 startete Mexiko ein eigenes Maquiladora-Programm zur Industrialisierung der Grenzregion zu den Vereinigten Staaten.

Mitte der 70er Jahre begannen dann auch mittelamerikanische Länder mit der Einrichtung von FPZ, doch begann deren Aufschwung erst Anfang dieses Jahrzehnts. Führend sind hier Honduras, Costa Rica, Guatemala und El Salvador. "Ganz El Salvador soll eine einzige Freie Produktionszone werden", so lautet z.B. die Vision des im Frühjahr 1994 an die Macht gekommenen Präsidenten Calderón Sol. Mehr als 80% der mittelamerikanischen Weltmarktfabriken produzieren für die Bekleidungsbranche.

Auch in der Karibik - hier vor allem in der Dominikanischen Republik, Haiti und Jamaika - ist der Großteil der Maquila-Beschäftigten in der Textilindustrie tätig. Weiters verlagern immer mehr US-Firmen aus dem Datenverarbeitungssektor ihre Produktion in die karibische Region.

Auf Grund der wirtschaftlichen Stärke mehrerer Staaten des südostasiatischen Raums - die sogenannten "Tiger" - haben diese Länder in den letzten Jahren verstärkt ihre Produktion ausgelagert, und zwar entweder in die mittelamerikanische Region oder in die noch verbliebenen Billiglohnländer der eigenen Umgebung, wie etwa Vietnam.

Frauen und Arbeitsmarkt

80 bis 90 Prozent aller Beschäftigten in den Maquila-Unternehmen sind Frauen, großteils ledig und mit einem Durchschnittsalter von 22 Jahren. Oberstes Prinzip des Marktes ist die "Flexibilität" der Arbeitskräfte oder, wirklichkeitsnäher ausgedrückt, das Prinzip des Heuerns und Feuerns. "Unflexible" ArbeiterInnen, d.h. solche, die auf die Einhaltung arbeitsrechtlicher und gewerkschaftlicher Bestimmungen pochen, sind Repressionen ausgesetzt, die von Lohnkürzungen bis zur Entlassung reichen. Auf Grund ihrer gesellschaftlichen Diskriminierung, der Abwertung ihrer Fähigkeiten, dem Druck, als Alleinerzieherin eine Familie versorgen zu müssen usw., treten die Frauen unter denkbar ungünstigen Bedingungen in den Arbeitsmarkt ein. Oft bleibt ihnen nur die Option, als Hausangestellte, Maquila-Arbeiterin oder Prostituierte Geld zu verdienen.

Ein Bericht des Internationalen Bundes freier Gewerkschaften mit Sitz in Brüssel bezeichnet die Maquila-Industrie als "neue Konzentrationslager" (zu diesem vergleich siehe: links/rechts-diskussion). Barbarische Akkordarbeit und keine reguläre Arbeitszeit, keine rechtliche Absicherung der Arbeitsplätze, Hungerlöhne und keine Überstundenbezahlung, mangelhafter Arbeitsschutz und häufig fehlende Krankenversicherung sind charakteristische Merkmale der Beschäftigung in den Weltmarktfabriken. Die nationalen Regierungen legen dabei den ausländischen Investoren keine Hindernisse in den Weg, und die Massen von unterbeschäftigten oder arbeitslosen Menschen erleichtern diese repressive Beschäftigungspolitik.

Gegenstrategien

Es ist abzusehen, daß die Weltmarktfabriken in Zukunft weiter expandieren werden - eine globale Entwicklung, der auch nur im weltweiten Maßstab entgegengetreten werden kann. Neben den umstrittenen Sozialklauseln - internationale Abkommen auf Regierungsebene, die auf verbesserte Arbeitsbedingungen abzielen, die aber auch zum Schutz vor dem Wettbewerb des Südens eingesetzt werden können - hat sich in den letzten Jahren eine zivilgesellschaftliche Gegenstrategie entwickelt, die in der internationalen Clean Clothes Campaign (CCC) ihren fortschrittlichsten Ausdruck gefunden hat.

Die CCC entstand 1990 in den Niederlanden, mittlerweile haben sich die BRD, Belgien, England, Frankreich und die Schweiz angeschlossen. Via KonsumentInnen-Information soll Druck auf die großen Bekleidungshändler und Textilfirmen ausgeübt werden, damit diese auf die Einhaltung sozialer Produktionsstandards in den zuliefernden Weltmarktfabriken achten, zu der sie sich durch Unterzeichnung einer "Sozialcharta" verpflichten. Wichtigstes Druckmittel dabei ist die Furcht dieser Unternehmen vor einem Imageverlust und vor zurückgehenden Umsatzzahlen. Längerfristig ist an die Ausarbeitung von Fair Trade-Labels gedacht, deren Erteilung die Einhaltung von bestimmten Forderungen voraussetzt.

http://www.oneworld.at/cleanclothes/cleanclothes_hintergrund.htm


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