Michel Kabongo

verurteilt mangels an beweisen

Quelle: http://start.at/kabongo

Bericht über den Prozess
Unterstützungsgruppen für Michel
Gesetzestexte die gegen Michel verwendet wurden


Der Prozess:

Der angebliche Drogendealer Michel Kabongo (20) alias Aba Fofana aus Kongo – Brazzaville sitzt seit 22. Oktober 1999 im Wiener Landesgericht, angeklagt des Verkaufs von mindestens 1.5 kg Kokain und Heroin, verurteilt ohne Beweise einzig auf die Aussage eines anonymen und maskierten Zeugen aus der Drogenszene. Gleich nach dem erstinstanzlichen Urteil am 15. 12. 1999, das schuldig und vier Jahre Haft lautete, legte Kabongo Nichtigkeits-beschwerde und Berufung gegen das Urteil ein, zugleich legte der Staatsanwalt Berufung ein, weil ihm das Urteil zu milde erschien. Jetzt wurde die Haftstrafe von vier auf fünf Jahre erhöht.

Voraussetzungen

Die Nichtigkeitsbeschwerde, die die Beweisführung des Gerichts in Frage stellte und damit die Unschuld des Angeklagten hätte aufzeigen können, wurde bereits am 30. März ohne öffentliche Verhandlung abgelehnt. Damit wurde also Michels Schuld für die österreichische Justiz fest­geschrieben.

Am Montag, den 5.Juni 2000, fand im Wiener Oberlandes­gericht die Berufungs­verhandlung statt. Darin ging es nur mehr um die Strafhöhe, nicht mehr um die Schuldfrage. Wieder konnte sich der Staats­anwalt gegen die Verteidigung durchsetzen: die Strafe wurde von vier auf fünf Jahre Freiheitsentzug hinaufgesetzt. Die angeblich begangenen Verbrechen waren für das Gericht so schwer­wiegend, daß ihm die Erhöhung der ursprünglich verhängten Strafe angebracht erschien.

Nun soll hier nicht das Problem, das Drogen für unsere Jugend darstellen können, verharmlost werden, und um es in den Griff zu bekommen, sind alle sinnvollen und zielführenden Anstrengungen angebracht. Aber was z.B. in diesem Fall geschehen ist, ist keins von beiden. Es ging dem Gericht offenbar gar nicht darum, die Wahrheit über Schuld oder Unschuld herauszufinden. Dafür ist die in diesem und vielen anderen ähnlichen Fällen zu Hilfe genommene "kleine Kronzeugen Regelung" in Verbindung mit Anonymisierung des Zeugen in der verwendeten Form ungeeignet.

Anklage

Wohl haben andere Länder auch Kron­zeugen­regelungen und anonymisierte Zeugen, aber es gibt zu diesem Thema sehr genaue und ausführliche Richt­linien des europäischen Ministerkomitees, die die gemeinsame Über­zeugung der Mitgliedstaaten des Europarates zum Aus­druck bringen. Nach diesen Richtlinien haben die Strafverfolgungs- und Anklagebehörden zu verhindern, "eine Anklage aus­schließlich oder hauptsächlich auf eine einzige belastende Aussage eines solchen Zeugen abzustützen".

Genau das ist aber in diesem Fall geschehen: es steht die Aussage des Angeklagten gegen die Aussage des anonymen Zeugen aus der Drogenszene, der gerade deswegen für die Justiz besonders glaub­würdig ist: "Die Angaben dieses Zeugen gewinnen insoweit besondere Bedeutung und Glaubwürdigkeit, als dieser selbst im schwarzafrikanischen Drogenhändlermilieu tätig war und selbst Verkäufe durchführte." Über Unstimmig­keiten in seinen Aussagen wird elegant hinweg­gegangen, z.B. wenn er in mehreren Prozessen die jeweiligen Angeklagten zu derselben Zeit an verschiedenen Orten beobachtet haben will.

Gegen den Angeklagten liegen hingegen keinerlei Beweise vor: keine Funde der betroffenen Drogen oder großer Geldmengen an ihm, sowohl Käufer als auch Verkäufer bei den angeblichen Transaktionen sind dem Gericht unbekannt, die angegebene Menge von je 750 g Heroin und Kokain setzt sich aus Hochrechnungen von Angaben des Zeugen und der "forensischen Erfahrung im Straßenhandel von Schwarz­afrikanern" zusammen. Als Motiv wird sein "relativ geringfügiges Einkommen" gesehen, während die Beweisanträge der Verteidigung, Zeugen zu laden, die sein ausreichendes Einkommen bestätigen könnten, als "aus rechtlichen Erwägungen entbehrlich" abgewiesen werden (Zitate aus der Urteils­begründung).

Konsequenz

Wenn man dann aus dem Mund des Staatsanwaltes als Begründung für die Erhöhung der Haftstrafe hört, daß "die schwarzafrikanischen Dealer überhand nehmen und den Suchtgiftmarkt in Österreich kontrollieren", erkennt man das bekannte Klischee Afrikaner = Drogendealer als Feindbild unabhängig von dafür vorhandenen Beweisen, dem bedenkenlos auch eine menschliche Existenz für einen Schein­erfolg im Drogenkampf geopfert wird.

So bleibt nur noch zu hoffen, daß der Fall neu aufgerollt wird. In Österreich ist der Instanzenweg ausgeschöpft, nur neue Beweise oder der Europäische Menschenrechtsgerichtshof könnten eine Neuaufnahme erzwingen. Wenn das aber gelingt und der Fall Michel Kabongo und andere ähnliche ohne Einbeziehung von Zeugen der Art des "AZ 1" nur unter Verwendung der wirklichen Beweise neu aufgerollt werden, dann würden, müßten die Ergebnisse anders ausschauen.

AZ 1

Ob und wie anonymisierte Zeugen zu einem Verfahren zugelassen werden, liegt in der Macht der/des jeweiligen Richterin/s. Zur Zeit werden in Österreich Menschen allein aufgrund der Aussage eines voll maskierten Zeugen verurteilt.

Die zugrunde liegenden Gesetze verbieten das keineswegs. Sie öffnen einen Weg, den die Strafverfolgunsbehörden ausreizen. Viele, auch die Grüne Abg.z.NR Theresia Stoisits, vertrauten auf einen verantwortungsvollen Umgang mit den neuen Möglichkeiten. Nun sind alle von der Brutalität und Rücksichtslosigkeit der Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte überrascht.

Helmut Fuchs, Professor für Strafrecht and er Universität Wien, bestätigte dem Falter (Ausgabe 26/00) die Unduldbarkeit solcher Verfahren: "Der Beschuldigte kennt seinen Namen nicht, er kann nicht darauf hinweisen,d ass etwa der Zeuge mit ihm persönlichv erfeindet ist oder dass der Zeuge schon mehrfach gelogen hat."

Helmut Fuchs meinte weiters: "Ich glaube nicht, dass der Gesetzgeber die anonymen Zeugen so geplant hat, wie sie in der Praxis gehandhabt werden."


Unterstützungsgruppen:

ARGE Michel Kabongo

Wir sind eine offene Gruppe und kämpfen für die sofortige Freilassung von Michel Kabongo, der unter Verletzung der Rechtstaatlichkeit und ohne Beweise zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Wir treffen einander alle 14 Tage, jeweils am Montag um 12 Uhr, besprechen die nächsten Aktionen in der Öffentlichkeit und die weiteren Schritten beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Du bist herzlich eingeladen

Kontakt: Büro der ARGE Freiheit für Michel Kabongo,
jeden Mo 9-12 Uhr c/o Club Plus Büro, 1090 Wien, Sporkenbühelgasse 3
Tel. +43 1 96 111 96, Fax und Anrufbeantworter 315 55 55
eMail: kabongo@start.at

 

GEMMI - Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und ImmigrantInnen

Die GEMMI, ist eine Gruppe von Personen aus verschiedensten politischen Zusammenhängen. Wir informieren über rassistische Praktiken der Polizei und der Klassenjustiz. Menschen dunkler Hautfarbe stehen ständig unter dem Verdacht DrogenhändlerIn und Kriminelle zu sein. Sie sind permanent sowohl im öffentlichen Raum, in ihren Wohnungen und sogar in Asylheimen einer schikanösen Kontrolle ausgesetzt. Verhaftungen und Abschiebungen sind an der Tagesordnung.

Die GEMMI betreut Gefangene. Wir organisieren Besuche, versorgen die Leute mit Kleidung, Zeitschriften und etwas Geld (Spendensammlungen).

Kontakt: Jeden 1. Freitag im Monat von 18 – 20 Uhr,
1070, Stiftgasse 8, Amerlinghaus, Raum 3, offenes GEMMI Plenum!

 

Häf'n human - Club Plus

Hier geht es um die Betreuung von Strafgefangenen, insbesonderen HIV-infizierten. Diese brauchen Vertrauenspersonen, rechliche Hilfe und nicht zuletzt Bücher und Kleidung.

Kontakt: Club Plus Büro, 1090 Wien, Sporkenbühelgasse 3
Mo-Fr 14-17 Uhr
Tel. +43 1 96 111 96, Fax und Anrufbeantworter 315 55 55


Gesetzestexte

Kronzeugenregelung

Kurztitel: Strafgesetzbuch

Fundstelle: BGBl.Nr. 60/1974 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 105/1997

Typ
BG
§/Artikel/Anlage
§ 41 / §41a
Inkrafttretedatum
19980101
Außerkrafttretedatum
20011231
Abkürzung: StGB Index: 24/01 Strafgesetzbuch

 

§ 41: Außerordentliche Strafmilderung bei Überwiegen der Milderungsgründe

(1) Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich, und besteht begründete Aussicht, daß der Täter auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde, so kann erkannt werden:

1. wenn die Tat mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist oder wenn sie mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr;

2. wenn die Tat zwar nicht mit lebenslanger Freiheitsstrafe, aber mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist, auf Freiheitsstrafe nicht unter sechs Monaten;

3. wenn die Tat mit Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren bedroht ist, auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Monaten;

4. wann die Tat mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist, auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Monat;

5. wenn die Tat mit geringerer Freiheitsstrafe bedroht ist, auf Freiheitsstrafe von mindestens einem Tag.

(2) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 Z. 3 und 4 muß jedoch auf Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten erkannt werden, wenn die Tat den Tod eines Menschen zur Folge gehabt hat (§ 7 Abs. 2), mag dieser Umstand auch schon die Strafdrohung bestimmen.

(3) Die §§ 43 und 43a StGB können auch angewendet werden, wenn auf eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei bzw. drei Jahren erkannt wird oder zu erkennen wäre.

Gesetzesnummer:
10002296
Dokumentnummer:
NOR12039400
Alte DokNr:
N2199748205L

§ 41a: Außerordentliche Strafmilderung bei Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden (1) Offenbart der Täter einer nach den §§ 277, 278 oder 278a strafbaren Handlung oder einer strafbaren Handlung, die mit einer solchen Verabredung, Verbindung oder Organisation im Zusammenhang steht, einer Strafverfolgungsbehörde sein Wissen über Tatsachen, deren Kenntnis wesentlich dazu beiträgt,

1. die aus der Verabredung, Verbindung oder Organisation entstandene Gefahr zu beseitigen oder erheblich zu vermindern,

2. die Aufklärung einer solchen strafbaren Handlung über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus zu fördern oder

3. eine Person auszuforschen, die an einer solchen Verabredung führend teilgenommen hat oder in einer solchen Verbindung oder Organisation führend tätig war, so kann ein gesetzliches Mindestmaß der Strafe nach Maßgabe des § 41 unterschritten werden, wenn dies der Bedeutung der geoffenbarten Tatsachen im Verhältnis zur Schuld des Täters entspricht. § 41 Abs. 3 gilt entsprechend.

(2) Abs. 1 gilt für den Beteiligten einer Verabredung, Verbindung oder Organisation, die nach dem Verbotsgesetz strafbar ist, und für den Täter einer strafbaren Handlung, die mit einer solchen Verabredung, Verbindung oder Organisation im Zusammenhang steht, entsprechend.

(3) Bezieht sich das Wissen des Täters auf strafbare Handlungen, für die die österreichischen Strafgesetze nicht gelten, so ist Abs. 1 gleichwohl anzuwenden, soweit die Leistung von Rechtshilfe zulässig wäre.

Gesetzesnummer:
10002296
Dokumentnummer:
NOR12039401
Alte DokNr:
N2199748206L

Schlagwörter: Kronzeuge

Lesen Sie die Regierungsvorlage von 1996


Zeugenschutz

Kurztitel: Strafprozeßordnung 1975

Fundstelle: BGBl.Nr. 631/1975 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 526/1993

 

Typ
BG
§/Artikel/Anlage
§ 166 /§ 166a
Inkrafttretedatum
19940101
Außerkrafttretedatum
99999999
Abkürzung: stop Index: 25/01: Strafprozeß

§ 166.

(1) Sodann ist der Zeuge um Vor- und Familiennamen sowie erforderlichenfalls über sein Verhältnis zum Beschuldigten oder zu anderen Beteiligten zu befragen. Ferner sind Geburtsdatum, Beruf und Wohnort oder eine sonstige zur Ladung geeignete Anschrift des Zeugen festzuhalten. Dies hat bei Vernehmungen in Anwesenheit anderer Personen auf eine Weise zu geschehen, daß diese Umstände möglichst nicht öffentlich bekannt werden.

(2) Fragen nach allfälligen strafgerichtlichen Verfahren gegen den Zeugen und nach deren Ausgang sowie Fragen nach Umständen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich des Zeugen dürfen nicht gestellt werden, es sei denn, daß dies nach den besonderen Umständen des Falles unumgänglich notwendig erscheint.

Gesetzesnummer:
10002326
Dokumentnummer:
NOR12036866
Alte DokNr:
N2199329470J

§ 166a

Ist auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten, daß der Zeuge sich oder einen Dritten durch die Bekanntgabe des Namens und anderer Angaben zur Person (§ 166 Abs. 1) oder durch die Beantwortung von Fragen, die Rückschlüsse darauf zulassen, einer ernsten Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit aussetzen würde, so kann ihm der Untersuchungsrichter gestatten, solche Fragen nicht zu beantworten.

Gesetzesnummer:
10002326
Dokumentnummer:
NOR12036867
Alte DokNr:
N2199329471J

Schlagwörter: Vorstrafe, Zeugenschutz, Vorname


Für eine Welt ohne Rassismus
[www.no-racism.net]