OGH: Strassers Bundesbetreuungsrichtlinie ist rechtswidrig!
16.09.2003
no-racism.net | Rassismus und Festung Europa

       

Strassers Schiffbruch

von Michael Genner, Asyl in Not


Seit 1. Oktober 2002 neue Richtlinie für die Aufnahme in Bundesbetreuung in Kraft


 

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat die heftig umstrittene Asylrichtlinie zu Fall gebracht, mit der ab Oktober 2002 AsylwerberInnen aus zahlreichen Staaten von der Bundesbetreuung in Österreich ausgeschlossen worden waren. Laut dem OGH-Beschluss ist der Erlass des Innenministeriums gesetzlich nicht gedeckt, da er Ausschluss von Asylwerbern aus bestimmten Staaten unsachlich und gleichheitswidrig ist.

Auslöser war der Fall einer Georgierin, die im Frühjahr mit ihren beiden Kindern im Alter von vier Monaten und zwei Jahren aus der Bundesbetreuung entlassen wurde. Die Frau klagte gegen diese Entscheidung, was vom Erstgericht mit der Begründung abgewiesen wurde, es gebe keinen klagbaren Anspruch auf Bundesbetreuung. In zweiter Instanz wurde ihr dieser Anspruch allerdings sehr wohl zuerkannt, wogegen das Innenministerium wiederum Berufung einlegte. Damit ging s zum Obersten Gerichtshof, der der Georgierin nun einen "vor Gericht durchsetzbaren Anspruch auf Bundesbetreuung" zuerkannte.

Zahlreiche private und kirchliche Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen machten mit der Kampagne "Existenzsicherung von Flüchtlingen" öffentlich auf die unhaltbare Situation einer zunehmend steigenden Zahl von obdachlosen, unversorgten Flüchtlingen aufmerksam. Sie setzen sich ein für Unterkunft, Gesundheitsversorgung, Verpflegung und Betreuung für alle, die in Österreich Schutz vor Verfolgung suchen. Der Misstand war also bekannt, Strasser ignorierte lediglich die bereits vorangegangene OGH Entscheidung, nun muss er handeln.

Strasser befürchtet auf einen Schlag rund 20.000 Asylwerber in Bundesbetreuung aufnehmen zu müssen und damit Mehrkosten von zwölf Millionen Euro pro Monat. Angesichts der unmittelbar bevorstehenden Umsetzung der EU-Richtlinie, durch die Österreich zur Grundversorgung aller AsylwerberInnen verpflichtet ist, hätte Minister Strasser schon längst rechtliche und budgetäre Voraussetzungen dafür schaffen müssen.

Strasser befürchtet weiters, dass Österreich "die erste Adresse für Wirtschaftsflüchtlinge" werde und fühlt sich selbst von EU BürgerInnen bedroht, die vielleicht aufgrund der lukrativen Unterbringung in Flüchtlingslagern in Österreich um Asyl ansuchen würden. FP-Sicherheitssprecherin Helene Partik-Pablé sieht es ähnlich: "Das ist praktisch eine Aufforderung an alle, sich in Österreich kostenlose Unterkunft und Verpflegung während eines Asylverfahrens zu verschaffen."

Strasser kündigte am Rande der EU-Ministerkonferenz in Rom an, die Verordnung sofort aufzuheben. Ute Bock hat dem Innenministerium am Montag, 15.9.03 eine Liste mit den Namen von 800 obdachlosen Flüchtlingen übergeben, damit "bei der Unterbringung künftig niemand vergessen wird". Sie betreut in 25 Wohngemeinschaften rund 100 Asylwerber, die sonst obdachlos wären. Weiteren 800 Flüchtlingen stellt sie eine Postadresse zur Verfügung.

Wird der OGH-Beschlusses ohne erhebliche Aufstockung finanziellen Ressourcen umgesetzt, ist zu befürchten, daß ein Teil der AsylwerberInnen wiederum von Unterstützung ausgeschlossen wird oder die Unterbringung und Verpflegung menschenwürdigen und gesundheitlichen Kriterien nicht genügt.

Schon vor der nun gekippten Asyl-Richtlinie hat das Ministerium versucht, möglichst viele Menschen NICHT unterzubringen mit dem Argument, sie seien nicht hilfsbedürtig. Der Besitz eines Wertkartenhandys war bereits ausreichendes Indiz, dass sie als "nicht mittellos" bezeichnet und damit von der Bundesbetreuung ausgeschlossen wurden, obwohl im Gesetz eine klare Einkommensgrenze (309 Euro pro Monat) vorgesehen ist.





Strassers Schiffbruch

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat Herrn Strassers menschenrechtswidrige Asylrichtlinie zu Fall gebracht.

Der Innenminister – ein alpenländischer Berlusconi - schilt nun die Richter.

Letzter Anlassfall – einer unter vielen: Strasser hatte eine georgische Asylwerberin mit einem vier Monate alten Baby und einem zweijährigen Kind auf die Straße gestellt. Das hätte er nicht tun sollen. Es hatte nämlich Folgen. Der Oberste Gerichtshof hat nun (zum zweiten Mal!) Strassers Bundesbetreuungs-Richtlinie für rechtswidrig erklärt.

Strassers Reaktion zeigt einmal mehr, wes Geistes Kind er ist: Er wirft den Richtern vor, ihr Urteil werde 12 Millionen Euro pro Monat kosten. Es stehe die "Gefahr" im Raum, daß nun "tatsächlich jeder Asylwerber in Bundesbetreuung genommen werden muß". Der Rechtsstaat kostet Herrn Strasser zu viel. Am billigsten wäre es, man schaffte ihn endlich ab.

Herr Strasser spielt mit Zahlen, um gegen Flüchtlinge Stimmung zu machen. Er verschweigt, daß in Deutschland jeder Asylwerber während des Verfahrens einen Rechtsanspruch auf staatliche Versorgung hat und daß Deutschland trotzdem nicht bankrott gegangen ist.

Dabei ist unser Nachbarstaat keineswegs als flüchtlingsfreundlich bekannt; er hält ein paar Spielregeln ein, die man hierzulande noch nicht kennt, vollstreckt aber ansonsten die Abschottungspolitik der Festung Europa mit unbarmherzig deutscher Gründlichkeit.

Die Verpflichtung, Asylwerber nicht wegen ihrer Herkunft zu diskriminieren, haben nicht die Höchstrichter erfunden: Sie ergibt sich aus der Genfer Flüchtlingskonvention (Artikel 3); sie ergibt sich aus der österreichischen Verfassung, aus dem Gleichheitsgrundsatz. Aus rechtsstaatlichen Grundwerten, die Strasser genauso missachtet wie die Rechtsprechung des Obersten Gerichthofs:

Seit dem ersten OGH-Urteil im vergangenen April hat Strasser zahllose weitere schutzsuchende Menschen auf die Straße gestellt. Bis er nun den zweiten, wohlverdienten Rüffel erhielt: Seine Asylrichtlinie, so der OGH, ist "durch das Bundesbetreuungsgesetz nicht gedeckt und verstößt gegen dessen Grundwertungen."

Herr Strasser versteigt sich zur Behauptung, Österreich werde nach dem OGH-Beschluß "eine Adresse für Wirtschaftsmigranten, die in die Europäische Union wollen". Jeder Fremde, der in Österreich einen Asylantrag stellt (selbst ein Deutscher), werde Anspruch auf Betreuung durch den Staat, Wohnung, Essen und Sozialversicherung haben.

Das erinnert fatal an Strassers berüchtigte (von den Medien zu rasch vergessene) Hetzparole: "Wenn wir nichts tun, gehen wir einer Vision entgegen von 7 Millionen Österreichern, 15 Millionen Indern und 20 Millionen Chinesen ". Das ist seine Mentalität; sie unterscheidet sich von Jörg Haiders wirrer Gedankenwelt um keinen Deut.

Herr Strasser wird langsam nervös. Er hat selbst in den eigenen Reihen kaum noch Freunde. Er hat zu viel falsch gemacht. Es wird Zeit, daß er geht.

Michael Genner, Asyl in Not


Oberster Gerichtshof bestätigt, daß Willkür bei der Gewährung von Bundesbetreuung rechtswidrig ist
info der asylkoordination

Auszüge aus dieser brisanten Entscheidung unter "Aktuell" auf www.asylanwalt.at


"Existenzsicherung von Flüchtlingen"
   
 

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