Vertreibung durch Staudammprojekt
13.05.2001
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Der Ilisu Staudamm ist ein Projekt im kurdischen Teil der Türkei. Trotz internationaler Proteste wird der Bau durch Großkonzerne in ganz Europa unterstützt.

Der Artikel ist auch im "Neuen Grenzblatt" erschienen, einer Zeitschrift, die im Rahmen des Projekts "Dienstleistung Fluchthilfe" von Oliver Ressler und Martin Krenn entstanden ist.
  Westliche Wirtschaftsinteressen verursachen Migration

Wissen Sie, woher Ihre Vorfahren kommen und weshalb sie damals emigrieren mussten? Wissen Sie, weshalb heutzutage Menschen migrieren und wie Migration verursacht wird? Über Migration, also das dauerhafte Verlassen eines geografischen Ortes, gibt es zumeist nur sehr vage Vorstellungen. Einerseits mag es daran liegen, dass es tatsächlich kaum öffentlich zugängliche Informationen zu Migration gibt, andererseits ist es aber auch fraglich, ob überhaupt ein allgemeines Interesse an Migration und ihren Ursachen gegeben ist. Über die internationalen Zusammenhänge, die Migration heute verursachen, wird meist geschwiegen. Obwohl es zahlreiche dokumentierte Fälle über die wirtschaftliche Beteiligung "westlicher" Staaten und ihrer Unternehmen an migrationsverursachenden Ereignissen wie z.B. Kriegen gibt, werden diese Informationen selten durch die Presse weiter verbreitet oder durch einen öffentlichen Diskurs hinterfragt. Hin und wieder gibt es zwar Berichte über einige wenige Einzelschicksale, doch dient das mehr dazu, die Aufnahme im Einzelfall zu rechtfertigen. Ein Projekt, bei dem durch die Beihilfe Österreichs Menschen zu Flucht und Migration gezwungen werden, ist der Bau des Ilisu-Staudammes in der Türkei.

Der Ilisu-Staudamm

Dieser soll mit internationaler Unterstützung im kurdischen Teil der Türkei nahe der Grenze zu Syrien und dem Irak erbaut werden. Mit 1200 MW ist es das bisher größte geplante Wasserkraftwerk der Türkei. Der Staudamm dient allerdings nicht vorrangig der Stromerzeugung. Vielmehr verfolgt das Bauprojekt politische Ziele. Denn schon seit geraumer Zeit ist es für alle am Bau Beteiligten klar, dass die Umsetzung des Ilisu-Projektes eine Überschwemmung verursachen wird. Das führt zwangsläufig zur Zerstörung einer kulturhistorisch bedeutenden Stadt in Südostanatolien (Hasankeyf) und wird die Absiedelung großer kurdischer Bevölkerungsteile verursachen. Bis zu 20.000 Menschen, vor allem aus kleinbäuerlichen Familien, zählen zu den Betroffenen. Der im türkischen Staat systematisch unterdrückten kurdischen Bevölkerung wird dort nur die Möglichkeit gegeben, entweder in die Slums der türkischen Großstädte zu fliehen, oder sich für die Flucht und Migration in ein anderes Land zu entscheiden.

Die politischen Aspekte

Durch die Umsetzung des Staudammprojekts würde die türkische Regierung aber auch den weiteren Wasserzufluss in den Irak und nach Syrien stark einschränken können. Die türkische Regierung weiß um die Unersetzlichkeit von Wasser und setzte die irakische Regierung schon während des Golfkrieges 1991 unter Druck, indem sie den Wasserzufluss in den Irak reduzierte. Auch zwischen Syrien und der Türkei kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Auseinandersetzungen. Da Syrien wiederholt AnhängerInnen der kurdischen PKK Zuflucht gewährte und zuletzt den PKK-Führer Abdullah Öcalan beherbergt hatte, weitete sich der Streit beinahe bis zum Krieg aus. Mit wiederholten Drohungen gegenüber Syrien, das Trinkwasser zurückzuhalten, verursacht die türkische Regierung die Aufrechterhaltung eines latenten, gefährlichen Konfliktes.

Die Rolle der Investoren

Die Pläne zur Umsetzung der anatolischen Staudammprojekte reichen in die frühen achtziger Jahre zurück. Schon 1984 zog sich die Weltbank aus dem Projekt zurück, da der Bau eine UN-Konvention verletzen würde, die auf die Verhinderung von Kriegen abzielt. Trotz des Wissens über diese Auswirkungen fanden sich andere Investoren, darunter auch Unternehmen in Österreich. Nach Angaben von WEED (Organisation für Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung) belaufen sich die Baukosten für den Ilisu-Staudamm auf rund 1,52 Mrd. US-Dollar. Ein Konsortium unter der Führung der schweizerisch-schwedischen Firmen Sulzer und ABB erhielt den Vertrag über die elektromechanische Ausstattung des Staudammes. Die Hoch- und Tiefbauarbeiten sind an ein internationales Konsortium vergeben worden. Österreichische Unternehmen, die von dem Staudammprojekt profitieren, sind die Firmen VA Tech, Verbundplan, Strabag und Voith Hydro.

Menschen zur Flucht getrieben - Österreich profitiert

Der Ilisu-Staudamm ist ein Projekt unter vielen. Weitere Beispiele sind der Pak Mun Damm in Thailand oder der Houay-Ho Staudamm in Süd Laos. Alle diese Projekte haben eines gemeinsam: Ihre Umsetzung wird durch Kredite und die materielle Ausstattung von Firmen aus "westlichen" Staaten gewährleistet. Alle diese Projekte verursachen Migrationbewegungen. Österreichische Unternehmen profitieren durch ihre Teilnahme und sichern damit den sogenannten "Wirtschaftsstandort Österreich". Den Preis dafür muss die in den betroffenen Gebieten ansässige Bevölkerung bezahlen, die ihren bisherigen Lebensstandort verliert. Staudammprojekte sind nur ein Beispiel dafür, wie westliche Staaten und ihre Unternehmen Migrationsgründe schaffen. Kriege werden durch westlichen Waffenlieferungen mitverursacht, Umweltzerstörung resultiert großteils aus dem Rohstoffraubbau durch westliche Staaten und deren Industrien. Diese Aspekte werden von diesen Staaten und in der öffentlichen Berichterstattung fast immer ausgeblendet. Was bleibt, ist der Blick auf den Glanz der ökonomisch mächtigen Staaten und der scheinbar davon abgekoppelten Migration. Auf der Basis dieser Ausblendung wird rassistische Argumentation gegen "unerwünschte" MigrantInnen erst ermöglicht.

Da die westlichen Staaten und Konzerne aus Profitinteressen Migrationsbewegungen verursachen, sind sie nicht aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Eigentlich wäre es als Entschädigung für die dadurch verursachten Verluste nur "recht und billig", geflüchteten Menschen in den Industriestaaten einen neuen Lebensraum zu bieten.

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