--NoBorder - NoNation - Karawanen 2001--PublixTheatreCaravan--
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31.12.2001

Informationen über die aktuelle Situation der Gefangenen in Göteborg und die Entwicklungen in Genua gibts laufend aktualisiert auf indymedia in austria. Unter anderem findet sich dort auch die Presseaussendung der Volxtheaterkarawane zum Genua-Hearing in Stassbourg.
Ein Aufruf für Gerechtigkeit nach den Ereignissen in Goeteborg findet sich hier.

Die Volxtheaterkarawane ist derzeit nur über email erreichbar.
Wir befinden uns auf Raumsuche. Falls sie/ihr wisst, wo die Karawane vorübergehend unterkommen kann, um den Journaldienst weiter aufrechtzuerhalten, dann sagt uns doch bitte bescheid. Wir benötigen ein Telefon, einen Internetanschluss und Platz, um unsere Unterlagen und Equipment zu lagern. Die Treffen finden weiterhin im WUK statt, dass uns gleich nach der Enthaftung vorübergehend einen Raum zur Verfügung stellte.

Derzeit beschäftigen wir uns neben den Verfahren und drohenden Prozessen in Italien mit einem Film- und Veranstaltungsprojekt rund um die Diagonale vom 18. bis 24. März 2002 in Graz, wo auch das Video der noborder.nonation Tour 2001 präsentiert werden soll.

Auch 2002 wird es wieder eine Serie verschiedener vernetzte Aktivitäten gegen die Auswirkungen von Globalisierung und für das Recht auf Freiheit von Bewegung geben. Die Proteste richten sich zunehmend gegen Krieg und Rassismus.

Wir beteiliegen uns an den Vorbereitungen für das internationale noborder-Camp im Juli 2002 in Stassbourg, der Zentrale des Schengen Informations Systems (SIS).

Wer Lust hat, sich an diesen Aktivitäten zu beteiligen, sollte sich mit uns in Verbindung setzen und die Termine für die Vorbereitungstreffen erfragen.

Unsere E-mail: noborder@no-racism.net



Neuigkeiten von der VolxTheaterKarawane, 12.11.2001

Zuerst: Solidarität mit Charles Ofoedu (mehr Informationen dazu auf www.no-racism.net)

In den letzten beiden Monaten, war von der VolxTheaterKarawane in der
Öffentlichkeit wenig zu hören. Das lag nicht daran, dass wir untätig waren, sondern daran, dass wir andere Prioritäten hatten. CheckpointDer Medienhype vom August war schnell wieder vorbei, jetzt haben wir mehr Zeit für wesentlicheres: für Zeitungen und Initiativen, die immer noch Interesse zeigen von uns etwas zu hören oder die Interesse haben mit Leuten vom VolxTheater zu diskutieren. Es ist jetzt schwer zu sagen: war der Grund für das Interesse der Medien und der Öffentlichkeit an der VolxTheaterKarawane sommerlochbedingt? War es chauvinistischer Reflex unter dem Motto - "die Italiener wollen uns unsere Leute wegnehmen"? Oder war es Interesse an den politischen Ausdrucksformen und Inhalten der Karawane?
Es ist anzunehmen, dass eher die beiden ersteren Fragen zutreffen. Eine breite Solikampagne und die mehrwöchigen Aktionen auf der Tour durch Europa trugen zur Bekanntheit bei. Doch um politische Inhalte scherten sich die Mainstraem-Medien kaum, es ging vor allem um die Sensation, dass 25 Leute, darunter (das wurde meist betont um die Wichtigkeit dieser Feststellung hervorzuheben) 16 Österreicherinnen und Österreicher in Genua verhaftet wurden. Zuerst einmal war es Sensation - 16 ÖsterreicherInnen - da läßt sich schon einiges daraus machen. Dann kam das innenpolitische Sommerschauspiel der Außenministerin mit NebendarstellerInnen in österreichischen und italienischen Polizeidienststellen, die Informationen aus Polizeicomputern entweder nicht richtig deuten konnten, oder dies nicht wollten, oder alles falsch verstanden, oder aber sich erst nach Tagen von der Dubiosität der Informationen überzeugen liessen.

Bei den Leuten, Gruppen,MusikerInnen und Initiativen, die die VolxTheaterKarawane solidarisch und ohne dieses Wir-Gefühl-Musikantenstadl-Sommertheater unterstützten, bei denen wollen wir uns bedanken.

Wie bekannt wurden alle der in Genua verhafteten Mitglieder der Karawane aus Italien abgeschoben und mit einem Einreiseverbot belegt. Innerhalb der Berufungsfrist wurden Beschwerden gegen Deportation und Einreiseverbot eingebracht. Wie es zur Zeit aussieht wird der Beschwerde in allen Fällen stattgegeben. Am 29.10. wurde das Einreiseverbot für 8 Leute aufgehoben und die Abschiebung als unzulässig erklärt. Es ist anzunehmen, dass das selbe auch für alle anderen gelten wird. Das heißt also, dass es den Ex-Gefangenen wieder erlaubt ist, nach Italien zu reisen ohne Gefahr zu laufen, bei der ersten Polizeikontrolle verhaftet zu werden.

Megafon Eine der in Genua verhafteten Karawanenmitglieder wollte im September nach
Australien fliegen. Sie hatte bereits alle erforderlichen Dokumente - Flugticket, Visum - beim Check-In am Flughafen Wien-Schwechat am Tag des Abflugs wurde ihr mitgeteilt, dass sie nicht das Flugzeug betreten dürfe - sie hätte Einreiseverbot nach Australien. Bis jetzt ist noch immer nicht klar, worauf dieses Einreiseverbot begründet war - vielleicht aufgrund der Tatsache, dass sie in Genua als Teil der Karawane verhaftet worden war und dadurch in die Dateien irgendwelcher Polizeicomputer gerutscht ist. In der Zwischenzeit ist es ihr gelungen, ein gültiges Einreisevisum nach Australien zu erhalten.
Es ist offensichtlich, dass mit den im Sommer zum Teil neu angelegten Daten über die Gefangenen von Göteborg, Genua usw. reger Austausch zwischen Polizeibehörden auf der ganzen Welt betrieben wird. So wissen wir von einem weiteren Fall, wo der Betroffenen,allerdings nur muendlich, mitgeteilt wurde, dass sie nicht in das Land ihres gewuenschten Reiseziels duerfe, da dort zum Zeitpunkt ihrer Reise ein Wirtschaftsgipfel stattfinden soll.

Bei der Festnahme am 22. Juli wurden auch alle Fahrzeuge, Computer, Handys, Kleidungsstücke, Theaterrequisiten etc. beschlagnahmt. Bis Ende Oktober wurden nur 2 Autos freigegeben. Das erste bereits Ende September, das zweite wurde am 26.10. in Genua abgeholt. In beiden Fällen wurde das Auto unmittelbar vor der Freigabe noch von italienischen Zivilpolizisten durchsucht und alle Kleidungstücke und Schuhe sowie alles auffindbare handschriftliche material, und sogar uni-Unterlagen zusätzlich beschlagnahmt.
Am 6.11. erfuhren wir, dass nun auch die beiden restlichen Autos und der große Karawanenbus freigegeben wurden. Sie werden im Laufe dieser Woche aus Genua abgeholt. Nicht absehbar ist, was mit den anderen Dingen passiert.

Nach Angaben der italienischen Behörden dienen alle beschlagnahmten Gegenstände der Beweissicherung. Unser Eindruck ist, dass sie einfach nicht wissen nach was sie suchen sollen und daher wahrllos beispielsweise alle Kleidungsstücke einbehalten. Es ist nicht logisch nachvollziehbar, warum Theaterrequisiten, Computer etc. monatelang in einem Depot lagern müssen. Das sieht eher nach absolut chaotischer Organistation aus. Wo kein konkreter Anhaltspunkt für einen Tatvorwurf, da kann anscheinend auch nicht so leicht und schnell ein Vorwurf konstruiert werden.
Wir nehmen an, daß sich die Polizei die Option offenhält irgendwelche Gegenstände im Bedarfsfall einfach aus dem beschlagnahmten Fundus zu nehmen und an die konstruierten Vorwürfe anzupassen.

Megafon Seit Ende September wurden Verwandte oder Familienangehörige von 6 Personen, die als Teil der Karawane in Genua verhaftet wurden, von österreichischen Polizisten entweder vorgeladen oder gleich direkt aufgesucht. In 5 dieser Fälle wurde den Verwandten ein Interpol-Foto der jeweiligen Person vorgelegt, das offensichtlich in der Nacht der Verhaftung in der Polizeistation San Giuliani gemacht wurde. Die Familienangehörigen wurden gefragt, ob die Person auf dem Foto mit den dazugehörigen Daten übereinstimmt. In keinem Fall wurde über den Zweck dieser Nachfrage Auskunft gegeben.
Ähnliches wurde auch aus Deutschland berichtet, wo ebenfalls Familienangehörige von Zivilpolizisten aufgesucht wurden und die jeweilige in Genua verhaftete Person über Fotos identifizieren sollten. Wozu diese Interpol-Fotos dienen ist bis jetzt nicht klar. Eine Theorie ist, dass mit diesen Fotos die europäischen Dateien mißliebiger Personen aufgefüllt werden sollen. Die sogenannten "schwarzen Listen" sind ja seit Salzburg und Genua hinlänglich bekannt.

Nach der Freilassung der Karawanen-Mitglieder haben wir erklärt, dass wir eine "Daten-Kampagne" beginnen wollen. Einerseits eine Kampagne, um die Daten- und Informationsflüsse zwischen Österreich und Italien aufzudecken, andererseits eine Kampagne um zu ergründen, welche Informationen über Menschen in Österreich überhaupt gesammelt werden. Das Motto dazu ist: ?Know your data - join the big data repo - Gegen Datenmißbrauch seitens der Behörden?.
Die Karawane hat mit Hilfe der ARGE-Daten Formulare zusammengestellt mit deren Hilfe Daten, die über eineN in staatlichen Systemen gespeichert sind, bei Innenministerium, Bundespolizeidirektionen, Heeresabwehramt und Heeresnachrichtenamt erfragt werden koennen. Eine Anfrage im Jahr ist gratis. Um diesen individuellen Anfragen, Kampagnencharakter zu geben, ist der Stichtag, um den herum möglichst viele Menschen diese Anfragen einbringen mögen der 28. dezember 2001. Die (wie wir bereits feststellen mussten) äusserst kreativen Ergebnisse dieser Datenanfragen können gemeinsam mit der ARGE-Daten bearbeitet werden, sprich: deren Löschung, b.z.w. Richtigstellung eingefordert werden.

Die Formulare werden auf unserer homepage www.no-racism.net/nobordertour zum Herunterladen bereitsgestellt und bei sich bietenden Möglichkeiten (Infotische, div. Veranstaltungen und im Karawanenbüro) erhältlich sein.
Durch die Verhaftung der VolxTheaterKarawane wurde öffentlich, dass die österreichischen Behörden große Mengen Datenmüll ansammeln, der im Bedarfsfall an andere Behörden (in unserem Fall die italienischen) weitergeleitet wird. Offensichtlich wurde, dass es den staatlichen DatensammlerInnen nicht um Aktualität und Richtigkeit bei ihrer Sammlerei geht, sondern darum, möglichst viele Informationen über so viele Personen wie möglich zu speichern und diese im Bedarfsfall gegen sie zu verwenden. Der Austausch von Daten ist aber kein "österreichisches Problem", Daten von politisch aktiven Menschen und Migrantinnen werden mittlerweile weltweit ausgetauscht und dienen zur Anfertigung sog. "schwarzer Listen".
Die Datenklau-Kampagne richtet sich prinzipiell gegen das Anlegen von Datenbanken über Personen. Eine Ebene ist dabei, die Behörden auf ihre Pflicht zu verweisen, gespeicherte Daten auch wieder zu entfernen bzw. zu aktualisieren, das heißt z.B. die Zurücklegung einer Anzeige im Akt zu vermerken und nicht nur die Anzeige im Akt zu lassen. Ein Bescheid des österreichischen Verfassungsgerichtshofes vom März 2001 besagt, dass "Das Unterbleiben der Aktualisierung (der Daten, Anm.) über das weitere Schicksal der sicherheitspolizeilichen Erhebungen (...) die Unrichtigkeit der gespeicherten Daten zur Folge (hat). Über die Verpflichtung zur Aktualisierung der (...) gespeicherten Daten hinaus besteht aber (...) auch eine Verpflichtung der Sicherheitsbehörden zur Löschung der entgegen den Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes ermittelten und gespeicherten Daten." Kurz und nicht amtsdeutsch gesagt: nach diesem Erkenntnis hätten die Sicherheitsbehörden die Verpflichtung, Daten, die für gegenwärtige Verfahren nicht mehr benötigt werden, die veraltet oder unaktuell sind, zu löschen. Die Praxis sieht anders aus, wie das Beispiel VolxTheaterKarawane zeigt.

Eine weitere Ebene der Kampagne ist, die Datenflüsse zwischen verschiedenen Staaten, im Karawanenfall zwischen Österreich und Italien zu ergründen und nachzuforschen, welche Informationen die Außenministerin Benita Ferrero-Waldner auf illegalem Weg aus dem Innenministerium erhalten hat. Bei einer Pressekonferenz mit dem italienischen Außenminister Ruggiero am 27. Juli 2001 sagte sie vor versammelter Presse, sie habe Informationen aus dem Innenministerium, dass einige der verhafteten ÖsterreicherInnen der gewaltbereiten Szene zuzuordnen seien und sich nicht wundern dürften, verhaftet zu werden. Die Datenflüsse von Österreich nach Italien haben schlußendlich zur Verhaftung der 25 Karawanen-Leute geführt. Die Namen von 4 Leuten befanden sich auf einer dieser ominösen "schwarzen Listen". Diese 4 hätten eigentlich Einreiseverbot gehabt, 3 davon erfuhren davon aber erst nach der Verhaftung. Die Informationen die zu diesem Einreiseverbot geführt haben können nur aus dem österreichischen Innenministerium stammen. Das heißt, dass das österreichische Innenministerium in letzter Konsequenz für die Verhaftung der VolxTheaterKarawane verantwortlich ist.

Während der Festnahmeprozedur in der Nacht von 22. auf den 23. Juli wurden die Leute von der VolxTheaterKarawane physisch und psychisch misshandelt, die Frauen wurden sexuell belästigt. Gemeinsam mit den italienischen AnwältInnen werden zur Zeit Beschwerden oder Klagen gegen den Polizeieinsatz überlegt. Übergriffe seitens der Polizei waren in und nach Genua einige Zeit Thema in den Medien. Mensch hört jetzt nur mehr wenig davon. Die Vorfälle in der Scuola Diaz, die von Polizeieinheiten gestürmt wurde und wo ca. 70 Personen zum Teil schwer verletzt wurden, sind in Italien noch immer Gegenstand von Untersuchungen. Die verschiedenen Einsatzgruppen der Polizei widersprechen sich nach wie vor, niemand will für die Übergriffe verantwortlich sein. In der Polizeistation San Giuliani, in der die Mitglieder der VolxTheaterKarawane misshandelt wurden, hielt sich während der Demonstrationen zum G8-Gipfel der Chef der rechten Allenanza Nationale, Gianfranco Fini, auf. Nach wie vor ist unklar, inwieweit italienische PolitikerInnen an den Ausschreitungen der Polizei verantwortlich waren.

In einigen österreichischen Zeitungen wurden während des Gefängnisaufenthalts der Karawane Namen und persönliche Daten von einigen VolxTheater-Leuten veröffentlicht. In diesem Fall werden drei Leuten medienrechtliche Klagen wegen Verletzung des Identitätsschutzes einbringen.

Einige Leute mußten beispielsweise auch ihre Bankomatkarten in Genua zurücklassen da sie Teil ihres Gepäcks waren. Einer von der Karawane bekam Ende September Kontoauszüge, auf denen für September 2001 Abhebungen von ca. öS 20.000,-- mittels Bankomatkarte vermerkt waren. In einem Zeitraum also, in der er keinen Zugriff auf seine Bankomatkarte hatte - sie war und ist Teil der beschlagnahmten Gegenstände. Die Abhebungen von seinem Konto wurden in Italien durchgeführt. Offensichtlich bedienten sich italienische Polizisten an den persönlichen Konten von ehemaligen Verhafteten. Nach Interventionen wurde das Konto gesperrt und Untersuchungen eingeleitet. Die betreffende Person vom VolxTheater hat das Geld mittlerweile von der österreichischen Bank zurückbekommen. Es ist zur Zeit noch nicht absehbar, wer vom Konto abgehoben hat und ob diese Person schlußendlich auch dafür belangt werden kann.

Wie siehts nun mit einem etwaigen Prozeß gegen die VolxTheaterKarawane in Italien aus? Zu diesem Thema können wir nur spekulieren. Es ist absolut nicht absehbar, ob es zu einem Indizienprozeß kommen wird. Einerseits meinen vor allem Leute aus Italien, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Gerichtsverfahren kommen wird. Das deswegen, weil Italien eben eine bestimmte politische Geschichte hat. Ende der siebziger und in de achtziger Jahren wurden viele politische Prozesse gegen linke Gruppen und Personen durchgeführt die allein auf Indizien aufgebaut waren. Es kam auch zu vielen Verurteilungen. Der Hauptvorwurf "Bildung einer krimineller Vereinigung", der auch gegen die VolxTheaterKarawane angewandt werden soll, wurde dazu benutzt, Leute zu kriminalisieren, für Jahre einzusperren und politische Gruppen zu zerschlagen. In den 90ern wurden Leute mit untergeschobenen Beweisen, den Aussagen von KronzeugInnen und allein aufgrund von Indizien zu einer von den Carabineri erfundenen "Kriminellen Vereinigung" erklärt. Nach Genua liegen nicht nur gegen die VolxTheaterKarawane konstruierte Vorwürfe vor, ähnliche Anschuldigungen werden auch gegen Personen aus Deutschland und die tutte bianche in Italien geschmiedet. Über einen möglichen Prozess können wir also nur Vermutungen anstellen. Auf jeden Fall brauchen wir noch jede Menge ÜbersetzterInnen, die uns bei der sehr schwierigen juristischen Kommunikation mit Italien helfen können.
Die Sache ist noch nicht ausgestanden. Die haltlosen Vorwürfe müssen auch offiziell und juristisch endlich fallengelassen werden!

Die VolxTheaterKarawane war auf Tour als Teil der internationalen noborder-Netzwerks (www.noborder.org). Für Mitte Oktober wurde von diesem Netzwerk zu internationalen noborder-Aktionstagen aufgerufen. Am 13. Oktober fand in Frankfurt eine Aktion von Kein Mensch ist Illegal statt. Ein Kleinbus mit der täuschend echten Aufschrift ?Lufttransa Deportation Class? fuhr am Flughafen Frankfurt vor, Informationen über die deutsche Abschiebepolitik und die Beteiligung der Lufthansa wurden verteilt. In Paris fand am 12. Oktober eine Kundgebung vor einem geplanten Schubgefängnis in Palaiseau statt. Ca. 80 Personen beteiligten sich daran. Am 13. Oktober veranstaltete das Collectif Anti-Expulsions eine Kundgebung auf dem Pariser Bahnhof Gare du Nord. Die Demo richtete sich gegen die verschärften Aufenthaltsbedingungen im Lager Sangatte, einem Flüchtlingslager nahe dem Eurotunnel bei Calais. Viele Flüchtlinge versuchen durch diesen Tunnel nach Großbrittannien zu gelangen. In letzter Zeit wurde die Repression immer mehr verstärkt, britische und französische PolizistInnen patroullieren gemeinsam, um Flüchtlinge aufzugreifen. In Sete/Frankreich beteiligten sich 30 Personen an einer Kundgebung vor dem dortigen Abschiebegefängnis. Danach führte eine Demonstration zum Hafen zu einem marokkanischen Fährunternehmen, das Schubhäftlinge nach Marokko transportiert. In Madrid wurde am 13. Oktober eine Straßentheateraktion gegen Abschiebungen durchgeführt. In Malaga fand am 19. Oktober eine Demonstration vor einem Abschiebegefängnis statt. In Linz versammelten sich am 13.10. ca. 40 Leute zu einer Demo zum Bundesasylamt und zum Abschiebegefängnis. Auch in Salzburg gabs eine noborder-Demo. In Wien beteiligten sich am 13.10. ca. 200 Leute an einer Demonstration zu den beiden Wiener Schubgefängnissen. Die Demo war auch eine Anti-Kriegs-Kundgebung. Leute vom VolxTheater nahmen mit einer Straßentheateraktion teil.

Innerhalb des noborder-Netzwerks werden zur Zeit Aktionen für nächstes Jahr diskutiert. Es gibt Pläne, nächsten Sommer (voraussichtlich Anfang Juli 2002) eine Camp in Straßburg zu organisieren. Straßburg ist nicht nur Sitz der Europäischen Parlaments und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sondern auch Sitz des Schengen Informationssystems (SIS - siehe unten). Die Entscheidung, ob es ein Camp in Straßburg geben wird, soll noch Ende dieses Jahres fallen.
Die Deportation-Class Kampagnen (Aktionen gegen Abschiebefluglinien) sollen weitergeführt und verstärkt werden. Es gibt ja schon einige durchaus erfolgreiche Kampagnen gegen Flugunternehmen die im Abschiebebusiness mitspielen. So kam die deutsche Lufthansa durch verschiedene Aktionen ins Gespräch. Lufthansa führt pro Jahr ca. 10.000 Abschiebungen durch. Auch die Kampagne gegen eine Tochtergesellschaft der holländischen KLM - Martin Air - war erfolgreich. Kurz nach dem Start der Kampagne stelle sie die Beteiligung an Abschiebungen ein. Der Imageschaden wäre zu groß gewesen. Weitere Kampagnen laufen gegen die spanische Iberia, die British Airways und die rumänische Tarom. Auch die österreichischen Fluglinien Austrian Airlines, Lauda Air und Tyrolean Airways mischen im Abschiebebusiness mit. Jedoch nur in sehr geringem Ausmaß. Nicht aus Zurückhaltung und Menschenliebe etwa sondern einfach aus unternehmenstechnischen Gründen: Sie fliegen zu wenig "relevante Destinationen" an.
Auf www.no-racism.net/deportatiNO sind Aktionen zur Verhinderung von Deportationen und zu diversen Grenzcamps dokumentiert. Darüberhinaus thematisiert deportation.class die aktive Beteiligung von Fluggesellschaften und anderen Transportunternehmen an Deportationen. So ist dort zB eine von Tyrolean Airways durchgeführte Deportation dokumentiert und es finden sich zahlreiche Hintergrundinformationen zum Geschäft mit der Abschiebung.

In Österreich werden Abschiebungen am sogenannten freien Markt ausgeschrieben. Diejenigen Fluglinien, die abschiebebereit sind und die richtigen Zielflughäfen anfliegen, werden vom Innenministerium dafür eingesetzt. Zwischen Innenministerium und Fluglinien zwischengeschaltet ist das Reisebüro Touropa Austria. Dieses Reisebüro unterhält mit dem österreischischen Innenministerium einen Generalvertrag für die Buchung von Abschiebeflügen. Der Internationale Flugrettungsdienst Austria (IFRA) ist ebenfalls am Geschäft mit Abschiebungen beteiligt. Er ist zuständig für sogenannte "Problemabschiebungen". Am 27. Oktober 2001 wurden 3 Schubhäftlinge mit einem Charterflug des Internationalen Flugrettungsdienst nach Nigeria geflogen. Einer von ihnen ist Anthony Onyeij. Er war 1999 im Zuge der "Operation Spring" verhaftet und nach 13 Monaten Untersuchungshaft freigesprochen worden. Danach wurde er in Schubhaft gesteckt. Ein erster Abschiebungsversuch per KLM am 4. Dezember 2000 konnte verhindert werden.
Anthony wurde aber aufgrund des Widerstandes in U-Haft überstellt und schließlich am 27.10.2001 abgeschoben.


Einige Information über das Schengen-Informationssystem (zum geplanten Camp in Straßburg)

Mit dem Schengen-Informationssystem (SIS) verfügen europäische Strafverfolger über ein einheitliches und erfolgreiches polizeiliches Fahndungsinstrument. Das SIS hat ein Gesamtvolumen von rund 9,5 Millionen Fahndungsdatensätzen, Tendenz steigend. Dabei handelt es sich überwiegend um Sachfahndungsausschreibungen. In der Personenfahndung sind derzeit 10.000 Straftäter zur Festnahme zwecks Auslieferung und circa 750.000 zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben (mehr Informationen auf www.heise.de).

Das Schengen-Informationssystem hat eine zentrale Datenbank in Straßburg, sowie nationale SIS-Datenbanken in allen Schengen-Staaten. In allen Datenbanken sind dieselben Daten gespeichert. 1995 hatten 30.000 Computer in den sieben Schengen-Staaten Online-Zugang über ihre nationalen SIS-Datenbanken zum Schengen-Informationssystem. 1997 gab es nach Angaben des Statewatch European Monitor in den neuen Schengen-Staaten bereits 48.700 Zugangsknoten. Bis 26. März 1996 wurden nahezu 3,9 Millionen Datensätze gespeichert. Deutschland und Frankreich waren die Hauptnutzer. Für jedes folgende Jahr stieg die Zahl der Datensätze weiter an: Von 5,6 Millionen 1997 bis zu 8,8 Millionen 1998.


Sirene

Das SIS ist nur ein System für den Informationsaustausch in Schengen, das andere System heißt Sirene, eine Abkürzung für Supplément d'Information Requis a l'Entrée Nationale. Sirene soll den bilateralen und multilateralen Austausch erleichtern sowie ergänzende Informationen über Personen und Objekte, die im SIS registriert sind, liefern. Über das Sirene-System können Polizeibehörden in einem Land über eine Person, die im SIS eines anderen Landes registriert ist, zusätzliche Ergänzungsinformationen anfordern. Das SIS speichert ziemlich begrenzte und standardisierte Informationen. Die nationalen Sirene-Einheiten können hingegen mit weitreichenden, nicht-standardisierten Informationen oder "weichen" Daten umgehen. Von Leuten, die in den Sirene-Büros arbeiten, wird explizit betont, dass solche Informationen sehr unpräzise sein können und nahezu alles beinhalten können. Der Direktor des portugiesischen Sirene-Büros sagte im norwegischen Fernsehen über das Sirene-System im März 1997 folgendes: "Die Konvention bestimmt, wer Zugang zu dem System hat. Generell hat die Polizei Zugang. Sie sind natürlich auf Flughäfen und in Seehäfen und können Mobiltelefonate abhören. Jederzeit haben sie zu den Informationen Zugang. (...) Es ist ein schnelles System. Es ist auf dem neuesten Stand. Es gibt Massen von Informationen. Und natürlich ist das System effizienter als das traditionelle Interpol-System."

Zu den übermittelten Informationen gehören laut Artikel 46 des Schengen-Abkommens alle Informationen "von Interesse, um künftige Verbrechen zu verhindern und Straftaten gegen oder Bedrohungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern". Dies bedeutet, dass kein konkreter Verdacht vorliegen muss. Der Artikel ermöglicht den bilateralen und multilateralen Austausch von Informationen bei sehr diffusen Angelegenheiten, die sicherlich auch politische Aktivitäten beinhalten, wenn sie als Bedrohung definiert werden. Wie auch das SIS wird das Sirene-System ständig erweitert.


Präventive "Abwehr" von AsylwerberInnen

Die norwegischen Behörden haben mehrmals behauptet, dass der Zweck von Schengen die Bekämpfung herkömmlicher, schwerer, internationaler Verbrechen ist. Auch die Schengen-Behörden selbst haben beispielsweise im Arbeitsprogramm des österreichischen Schengen-Vorsitzes im Herbst 1997 die Bekämpfung des internationalen Verbrechens hervorgehoben. Die Fakten sehen jedoch anders aus. Statistische Informationen aus Deutschland sowie statistische Informationen und Berichte von Schengen zeigen, dass das Schengen-System zu einem großen Ausmaß sich mit Identitätsausweisen und "unerwünschten Ausländern" beschäftigt, wie beispielsweise Asylsuchenden, denen die Einreise verweigert wurde und die in den Untergrund gegangen sind. Obwohl auch "Inländer" vom Schengen-System betroffen sind, werden Nicht-EU-BürgerInnen vermutlich in Zukunft als die Hauptbedrohung für die öffentliche Ordnung und die Staatssicherheit herhalten müssen: Die muslimische "Bedrohung" beispielsweise stellt "einen neuen Feind" nach dem Untergang der Sowjetunion und dem Verschwinden "der kommunistischen Bedrohung" dar. Aus diesem Grund wird Schengen auch als Instrumente der "Festung Europa" bezeichnet.

Der "Entwurf des Schengen-Handbuchs zur polizeilichen Zusammenarbeit zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit" lässt auf eine stärkere Kooperation in der Zukunft schließen. So können Polizeibehörden "gemeinsame Kommando- und Koordinationszentren" einrichten. In der Erklärung des Exekutiv-Komitees vom 16. September 1998 wird dasselbe angedeutet: So wird die Schengen-Zentralgruppe angewiesen "zu untersuchen, ob die Beratung und Unterstützung durch die Beamten eines Vertragstaates im Rahmen der Kontrollen der Außengrenzen durch einen anderen Vertragsstaat die Sicherheit der äußeren Schengen-Grenzen verbessern würde" und "falls notwendig schnell einen Plan zu entwerfen für eine entsprechende Entsendung von Verbindungsoffizieren an die Außengrenzen". Im Klartext bedeutet dies, dass beispielsweise ein österreichischer Verbindungsoffizier entlang der italienischen Küste stationiert werden kann. Offensichtlich besteht der nächste logische Schritt darin, eine gemeinsame Polizeieinheit an den Schengen-Grenzen zu installieren, die mit der Umsetzung des Amsterdamer Vertrages möglicherweise in das entstehende Polizeikorps von Europol integriert werden kann.

Zwar gibt es das Schengen-System erst seit einigen Jahren, aber es gibt bereits konkrete Beispiele dafür, dass das System direkt für politische Zwecke eingesetzt wurde. So wurde im September 1998 einer Greenpeace-Aktivistin, die gegen die französischen Atombombentests 1995 protestiert hatte und von Frankreich als unerwünscht deklariert wurde, die Einreise in die Niederlande verweigert. Sie wurde im Amsterdamer Flughafen Schipol festgehalten. Grund: Sie war zu einer "unerwünschten Ausländerin" laut Artikel 96 des Schengen-Abkommens erklärt worden. Ein weiteres Beispiel für die Nutzung des SIS für politische Zwecke: Während des EU-Gipfels in Amsterdam im Juni 1997 gab es politische Demonstrationen. Nach Angaben der Polizei wurden 609 Personen verhaftet. Tatsächlich wurden mehr Leute in Haft genommen, darunter auch eine Gruppe von Italienern, die verhaftet und abgeschoben wurde. 29 Dänen wurden verhaftet und nach Dänemark mit Hilfe eines Militär-Flugzeuges abgeschoben, das von einem Kampfflugzeug eskortiert wurde. Die dänische Konsulin in Amsterdam protestierte, da es ihr nicht erlaubt war, die in Gewahrsam genommenen Dänen zu besuchen. Mehrere schwedische und österreichische StaatsbürgerInnen wurden ebenfalls abgeschoben. Später wurde Opfern von Polizeibrutalität Schadensersatz gewährt. Für dieses Beispiel kann nicht ohne Zweifel dokumentiert werden, ob das Schengen-Informationssystem oder das Sirene-System benutzt wurden oder ob DemonstrantInnen in diesen Systemen für spätere Zwecke registriert wurden. Es ist höchstwahrscheinlich, dass eine Registrierung stattfand, da die Demonstrationen direkt gegen zentrale Einrichtungen der EU gerichtet waren. Beobachter sahen diese Polizeiaktionen, die auch unter Einsatz von Helikoptern und gepanzerten Fahrzeugen durchgeführt wurden, als groß angelegtes Trainingsmanöver zum Schutz der mächtigen EU-Institutionen. Das Schengen-Informationssystem ist u.a. eine der wichtigsten europäischen Datenbanken zur Erfassung von AsylwerberInnen. Es ist offensichtlich, dass im Bedarfsfall auch politische Zwecke damit erfüllt werden. Die sogenannten "schwarzen Listen" von Leuten, die in den letzten Jahren bei internationalen oder nationalen Demonstrationen und Aktionen entweder verhaftet oder nur durch ihre politische Aktivität oder Einstellung aufgefallen sind, dienen den europäischen Polizeibehörden dazu, im Bedarfsfall beispielsweise Einreiseverbote nach Italien zu verhängen, um Leute von der Teilnahme an Demonstrationen abzuhalten.




erzeit arbeiten wir an Strassentheater-Aktionen für den Aktionstag gegen Krieg und Kaptialismus am 29.September sowie dem Noborder-Aktionstag am 13. Oktober. Ausserdem wird es in naher Zukunft ein Theaterstück geben, dass sich im Prinzip mit den Ereignissen und Erfahrungen des Sommers auseinandersetzt. Die Karawane zieht weiter... Weitere Infotmationen über die Folgen von Genua sind auf den Webseiten von