Wahlen in Mexico: 3. Juli 2000
Widerstand bei Wahlen und anderswo!

Durch den Wahlsieg von Vicente Fox von der rechten Oppositionspartei PAN (Partei der Nationalen Aktion) vergangenen Sonntag ist Mexiko vorübergehend  ins Zentrum der Auslandsberichterstattung gerückt. Ein neues Wahlgesetz und die Erschwerung breit angelegten Wahlbetrugs haben die Abwahl der seit 71 Jahren regierenden "Staatspartei" PRI besiegelt. Auch aus dem prognostizierten Kopf an Kopf Rennen wurde nichts, denn Fox ließ Labastida,  mit  über 10 Prozentpunkten Unterschied, mehr als deutlich hinter sich.  Trotz  Stimmenkauf und Bestechung, Mittel die der PRI früher zu Wahlsiegen verhalfen, erreichte sie diesmal nur ein Drittel der abgegebenen Stimmen . Dabei betrug die Wahlbeteiligung aus bekannten Gründen (soziale Ausgrenzung, Zeifel an der Legitimität von Wahlen) landesweit nur 65% . Das Votum war vor allem die Rechnung für eine neoliberale Politik, die im "Schwellenland" Mexiko breite Schichten mit Stagnation und Verarmung bezahlen. Mehr als die Hälfte der MexikanerInnen leben in Armut, die Löhne betragen nur 15% dessen, was  in den benachbarten USA verdient wird. Bei der Durchsetzung von ArbeitnehmerInnenrechten stehen Gewerkschaften meist auf verlorenem Posten, und ein Großteil der Bevölkerung arbeitet   im informellen Sektor und in der Landwirtschaft, was eine Mobilisierung für gemeinsame Ziele und soziale Rechte erschwert.

Die wichtigsten sozialen Kämpfe während der Amtszeit von Präsident Ernesto Zedillo, waren die der indigenen Bevölkerung und der StudentInnen. In beiden Konflikten setzte die Regierung auf eine Doppelstrategie von Verhandlungen und Repression. Vor allem in den Gebieten mit hohem Anteil indigener Bevölkerung geht dies soweit, daß der Staat einen Krieg niederer Intensität gegen die Bevölkerung führt. Militarisierung und das Auftreten paramilitärischer Gruppen haben vor
allem in Chiapas ein Ausmaß erreicht, das einem permanenten Belagerungszustand gleicht. Dort hat sich 1994 die zapatistische Befreiungsbewegung EZLN mit breiter Basis und gesellschaftlicher Verankerung bewaffnet erhoben und Forderungen gestellt, die von nationaler Brisanz sind. Eines ihrer Ziele auf nationaler Ebene, die Abdankung der PRI, ist seit Sonntag erreicht, ob dies auch auch auf regionaler Ebene gelingt, werden die für August angesetzten in Chiapas zeigen. Neben Militarisierung und paramilitärischer Gewalt ist die innere Spaltung zahlreicher indigener Gemeinden in PRI-Anhänger oder zapatistische Basis, eine schwere Hypotek für die Zukunft.

Wie die Zapatistas konnten auch die streikenden StudentInnen der größten Universität Lateinamerikas der UNAM in Mexiko-Stadt Anfangs auf breite Sympathie zählen. Sie wandten sich gegen Studiengebühren und eine weitere Privatisierung des Bildungssektors. Mit Fortdauer des Streiks, der die studierenden zwei Semester kostete, ließ das Interesse nach und die Regierung ließ das Universitätsgelände durch die,  aus ehemaligen Soldaten bestehende Preventivpolizei besetzen. Dies hatte eine neuerliche Solidarisierung mit Protestmärschen zur Folge. Die letzten der rund 1000, im Februar,  Festgenommenen kamen erst wenige Tage vor den Präsidentschaftswahlen frei. Der Wahlsieger Vicente Fox bezeichnet sich als Mitte links, sodaß es nach Eigendefinition in Mexiko kurioserweise keine Rechtspartei zu geben scheint. Er hat Allen vieles versprochen u.a. auch mehr staatliche Eingriffe, um die Auswirkungen des Neoliberalismus zu mildern. Den Konflikt in Chiapas will er durch ein Vieraugengespräch mit Subkommandante Marcos von der EZLN lösen. Eine berechenbarere und glaubwürdigere Alternative stand im Präsidentschaftskandidaten der PRD "Partei der demokratischen Revolution" zur Wahl. Umverteilung und Kritik an einem schrankenlosen Profitdenken sind für ihn keine unzeitgemäßen  Kategorien. Bei seiner ersten Kandidatur 1988 waren die Computer über das Wahlergebnis dermaßen überrascht, daß sie sämtlich abstürzten und damit der PRI den bereits damals fälligen Absturz ersparten. Mit unter 20% blieb Cárdenas hinter den Erwartungen, kein Wunder allerdings angesichts des charismatischen Vicente Fox  und der Resourcen und Medienmacht, die seinen beiden Kontrahenten zur Verfügung stand. Zusätzlich sind Aktivisten der PRD immer wieder gewaltsamen Übergriffen ausgesetzt. Die Partei rechnet vor, dass seit 1988 über 600 Mitstreiter ermordet wurden. Die Erwartungen an die neue Regierung sind hoch. Nach erfolgtem Machtwechsel wird sich die Bevölkerung nicht mit leeren Versprechungen zufrieden geben. Im Umgang mit Forderungen  nicht aus Wirtschaftskreisen, die wie Fox weiterhin auf Auslandsinvestitionen und eine zweifelhafte "Modernisierung"   setzen, sondern der sozialen Bewegungen , wird sich weisen, ob der autoritäre Führungsstil  auch in den nächsten sechs Jahren unter dem Markenzeichen PAN eine Fortsetzung findet. Eine Alternative dazu wäre die zunehmende Aufwertung der sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Rechte aller MexikanerInnen, die Rücknahme der Militarisierung  und glaubwürdige Maßnahmen gegen
Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen.

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