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Wir sind, weil ihr sein könnt. Die Schwarzen Gemeinschaften Kolumbiens    
  Libia Grueso (PCN)
05.10.2000
   
Vortrag beim Bundeskongress der Entwicklungpolitischen Gruppen (BUKO) in Berlin, Oktober 2000    

Das Erste was wir zu Ausdruck bringen wollen ist, dass die Auswirkungen des globalen Kapitalismus für uns etwas permanentes gewesen sind. Seit wir aus Afrika nach Amerika gebracht wurden, haben wir erfahren können, was die Folgen eines globalisierten Kapitalismus sind. Angefangen hat es beim dem Prozess der kulturellen Entwurzelung, bei dem wir aus unserem ursprünglichen Lebenszusammenhang herausgerissen wurden, über den Kolonialismus bis hin zu dem, was heute als ökonomische Globalisierung bezeichnet wird. Kapitalismus hat für uns immer Sklaverei, Ausgrenzung, Ausbeutung, Unterdrückung, Repression und Negation bedeutet. Sogar in den sogenannten 'demokratischen Gesellschaften' wie Kolumbien, haben wir den sogenannten 'Wohlfahrtsstaat' nicht anerkannt. Wir sind von Vorteilen dieses 'Wohlfahrtsstaates' immer ausgeschlossen geblieben. Wir leben in isolierten Regionen, die gleichzeitig jedoch in die Mechanismen der Ausbeutung und der Wirtschaft der Ressourcengewinnung eingebunden sind.

Wir sind als Arbeitskräfte vom nationalen und internationalen Kapital ausgenutzt worden. Bis 1941 gab es in unseren Gebieten noch Goldminen des internationalen Kapitals. Die Auswirkungen der wirtschaftlichen Globalisierung sind im Falle der Schwarzen Gemeinschaften etwas permanentes gewesen.

Die Ausbeutung und Ausgrenzung, die wir in dieser ungerechten Beziehung mit dem Kapital erfahren haben, hat paradoxerweise aber auch dazu beigetragen, dass wir Lebensformen erhalten und weiterentwickeln konnten, die auf anderen Werten beruhen wie die der dominierenden, vom Kapitalismus geprägten Gesellschaft. Unser zentraler Wert in der sozialen Beziehung ist das Lebens selbst, deshalb basieren auch unsere Beziehungen zu anderen Personen auf einen Respekt des Lebens und anderer Lebensformen. Unser Lebensprojekt hängt vom Angebot der Umwelt, von anderen Lebensprojekten und der Solidarität ab. Für uns ist die Vielfalt und der Respekt des anderen ein fundamentaler Wert im Aufbau unserer Gesellschaft und im Überleben unserer kulturellen Vision des Welt und der Beziehung zu den anderen.

In diesem Sinne ist unser historisches Projekt immer ein Kampf um die Freiheit gewesen, ein permanenter Kampf für den Aufbau und Erhalt dieser Werte im Leben selbst. Wir sagen dass 'wir sind weil andere sind' (somos porque otros son). Es ist klar für uns, dass das Leben nicht ohne die anderen sein kann. Diese Werte stehen im Widerspruch zu den Werten, die von allen Ausdrucksformen des Kapitalismus ausgehen. Tatsächlich haben wir in diesem ganzen historischen Prozess, seit der Entwurzelung und Versklavung unserer Vorfahren nach Amerika bis jetzt, verschiedene grausame Ausdrucksformen des Kapitals erlebt. Die Modernisierung als Barbarei war immer in diesen Formen des Kapitals zu erkennen.

Das neoliberale Projekt hat die Bedingungen der Unterdrückung und Ausbeutung weiter verschärft. Was ein Fänomen in Philadelphia ist, [sie bezieht sich auf die Bedingungen der Obdachlosen von dem Cherry Honkalas im vorherigen Vortrag erzählt hat], ist seit langem das alltägliche Leben von vielen Sektoren der kolumbianischen und lateinamerikanischen Gesellschaft: ohne Haus, ohne Land, ohne Möglichkeiten, etwas zu produzieren, ohne Lebensgrundlage. Der 'Wohlfahrtsstaat' und der neoliberale Staat haben aus dem Leben etwas gemacht, was sie 'Wegwerfmenschen' nennen. Es gibt keine Möglichkeiten, etwas zu produzieren. Viele Leute bedeuten gar nichts für ein System, in dem das Leben nicht zählt. Der Neoliberalismus bedeutet die Präsenz von Multinationalen Konzernen in unseren Ländern und die Überausbeutung. Der Neoliberalismus hat die totale Vernichtung aller Dienstleistungen des Wohlfahrtsstaates bedeutet, für die wenigen Sektoren, die Zugang zu diesen Vorteilen hatten. In Kolumbien stieg das Elend durch die Privatisierung der öffentlichen Betriebe, die Verteuerung der Dienstleistungen und durch die Liberalisierung von verschiedenen Leistungen, die Lebensnotwendig sind, wie Kommunikation, medizinische Versorgung und Unterkunft.

Der Prozess der Schwarzen Gemeinschaften entsteht also als eine Reaktion auf, aber auch als konkrete Aktion gegen diese Situation. Unsere Gemeinschaften leisteten einen kulturellen Widerstand in ihrem Alltag nicht nur die gegen die ungerechten Handlungen des Kapitals, sondern gegen das System an sich. Wir haben es geschafft, andere Werte am Leben zu halten, zum Beispiel nicht zu akkumulieren. Dieser kultureller Widerstand ist einem Lebensraum verbunden in dem versucht wird eine andere Lebensform zu erhalten und entwickeln, in der wir das Leben behaupten, in dem wir ein Leben in Freude führen. Diese Behauptung der Hoffnung ist eine Grundbedingung um die Freiheit zu erkämpfen. Ohne die Behauptung dieser drei Aspekte: der Hoffnung, des Lebens und der Freude, wäre es für uns unmöglich ein Projekt des Befreiungskampfes zu tragen.

In dem Sinne setzt sich der Prozess der Schwarzen Gemeinschaften für drei grundsätzliche Aspekte eine, der Aufbau der Identität, des Lebensraumes und der Autonomie. Dies sind die drei Eckpunkte um die sich sowohl unsere Kultur aufbaut, als auch unsere neue Widerstandstrategien gegen die zunehmenden Drohungen des Kapitals und des herrschenden Systems über unsere Gebiete und unsere Leben.

Unsere Beziehung zum Norden hat drei Merkmale oder drei Formen:

1. Ein erstes Merkmal ist das der sogenannten 'Entwicklung'. Das Kapital der Entwicklungshilfe, der Auslandskredite, der Investitionen usw. wird für eine 'Entwicklung' genutzt, die der Schaffung von Mechanismen die zur Ausbeutung der Resourcen in unseren Gebieten dienen. Für uns bedeutet diese 'Entwicklung' die Monetarisierung unserer sozialen Verhältnisse. Selbst die Natur wird von diesen Entwicklungsprojekten in Ware verwandelt. Die sogenannten "Entwicklungspläne" des transnationalen Kapitals und der Wirtschaft der Ressourcengewinnung bedeuten den Tod unsere kulturellen Werte und den Tod des Lebens an sich.

2. Die zweite Form ist eine paternalistische Beziehung gewesen. Bedauerlicherweise haben einige NGO´s durch diese paternalistische Beziehung genau so viel Schaden angerichtet wie das Kapital. Diese NGO´s interpretieren fälschlicherweise Realitäten, die mehr kulturellen Visionen entsprechen, als materielle Probleme. Diese Haltung der Hilfe, des Gebens ohne Inhalt - als handele es sich bei uns um eine bloße Notwendigkeit von besseren materiellen Bedingungen - haben zum Verlust von wesentlichen Werten in unseren Gemeinschaften geführt. Sie haben Prozesse und Bewegungen gespalten. Sie haben Eliten und neue Differenzen in unseren sozialen Bewegungen gebildet. Diese paternalistische Haltung ist in vielen Hinsichten nicht brauchbar.

3. Es gibt auch eine dritte Form der Beziehung zum Norden, und das ist diejenige, zu der wir aufrufen. Es handelt sich um eine Beziehung der Solidarität mit den Kämpfen im Norden, was die compañera vor mir (Cherry Honkala) bereits geschildert hat und als 'im Herz der Bestie' bezeichnete. Wenn es diese Kämpfe im Norden gibt, dann ist die Beziehung zum Norden auch eine Option für uns. Je mehr Sektoren der Bevölkerung im Norden ihre eigene Kämpfe entwickeln, desto mehr Möglichkeiten werden wir im Süden haben, um unsere eigenen Ziele einer gerechteren Gesellschaft zu erreichen, die als Essenz und Grundwert das Leben selbst haben und nicht die Negation des Lebens, was bislang das Ergebnis der verschiedenen Ausdrucksformen des Kapitalismus ist.

Wir betonen noch einmal: wir sind, weil ihr sein könnt. Wir sind in dem Maße, wie andere Männer, Frauen, Jugendbewegungen, Bewegungen für die Rechte der Homosexuelle , Gewerkschaften, Umweltbewegungen, ihre eigene Ziele erreichen können. Das kapitalistische System übt immer wieder andere Formen der Ausbeutung, Unterdrückung und Ausgrenzung aus, dass heisst also, dass die Vielfalt des Widerstandes die einzige Strategie ist, um den Aktivitäten des Kapitals entgegenzukommen. Es gibt nicht eine Formel, es gibt unendlich viele Formeln. Diese Vielfalt der Kämpfe benötigt notwendigerweise Solidarität, Austausch, gemeinsames Handeln und globale Aktion in der lokalen Strategie. Das bedeutet neue Herausforderungen. Wir haben in Peoples' Global Action (PGA) eine Initiative, die angefangen hat, diese Herausforderungen anzupacken. PGA ist ein Versuch, der 1997 angefangen hat, der bislang nur eine kurze Lebenszeit hat, jedoch grosse Erfahrungen gemacht hat wie die Proteste in Mai 98 in Genf oder Seattle, die Proteste in Prag oder die Beziehungen, die zwischen verschiedenen Bewegungen in der Welt entstanden sind. Die Herausforderungen dieser globalen Aktion haben mit verschiedene Sprachen, Rhythmen und Kontexten zu tun. Zum Beispiel, was für uns "Lebensraum" (territorio) bedeutet, ist nicht das was Lebensraum für euch bedeutet. Das haben wir aber hier, in der BRD und jetzt erst gelernt. Es sind diese Arten von Begegnungen, die wir brauchen, und diese Art von Herausforderungen, denen wir entgegenkommen müssen, um weitere Begegnungspunkte zu identifizieren und effizienter werden. Die Strategien des Kapitals zwingen auch uns, effizient in der gemeinsamen Aktion zu sein. Dazu müssen wir die Mechanismen des Kapitalismus und die verschiedenen Gesichter der Globalisierung sichtbar machen. Der IWF, die WTO oder die Weltbank sind im Alltag unserer Gemeinschaften etwas unfassbares, und das ist auch eine Strategie des Kapitals. Es sind Staaten, die außerhalb unseres Staates liegen, die über unsere Zukunft unserer Leben entscheiden. Es ist sehr wichtig, in einer globalen Aktion die Auswirkungen des globalisierten Kapitalismus zu denunzieren und zu zeigen, dass es verheerend für die meisten Menschen dieser Welt ist. Die Mechanismen und die Verantwortlichen der Ausgrenzung und des Todes von vielen Menschen und vielen Formen des Lebes sichtbar zu machen, ist ein Beitrag im Kampf.
Ein wichtiger Aspekt ist die Information. Die Information hat und nimmt eine immer wichtigere Rolle in diesen Widerstandsstrategien ein. Zum Beispiel genauer zu wissen, was die internationalen Entwicklungshilfe plant. Zu wissen, wer am Krieg in Kolumbien teilnimmt. Informationen wie die um den Plan Colombia benötigen sowohl einen Datenaustausch von Kolumbien nach hier, wie von hier nach Kolumbien. Das Phänomen des Plan Colombias ist glooacute;bal und geht uns alle an.

In der Erfahrung von PGA haben wir uns drauf geeinigt, dass die Kämpfe gegen alle Formen der Unterdrückung wichtig sind: die Kämpfe gegen die Formen des Patriarchats und alle andere Kämpfe gegen Unterdrückung. Ein weitere wichtiger Punkt ist die Autonomie und die Vielfalt der Widerstände. Die Autonomie innerhalb der Einheit behalten, ist ein wesentlicher Aspekt der Solidarität und der Strategie des Widerstandes. Wir müssen die verschiedenen Aktionsformen erhalten und die gemeinsamen Aktionspunkte finden, über denen wir uns einigen können, um Einheit in der Aktion zu erreichen.

Es gibt verschiedene Interpretation des Begriffes der Gewalt. Unsere Freunde aus Indien beispielsweise verstehen das Zerstören von materiellen Strukturen, die die Essenz des Kapitals unterstützen, als nicht gewaltfreie Aktionen. Das sind Beiträge von anderen Bewegungen, die für uns auch wichtig zu verstehen sind. Wir müssen nicht nur Begegnungspunkte finden, sondern auch gemeinsamen Aktionsformen.

Zum Abschluss: Wir denken, dass wir nicht von Null anfangen müssen. Die Erfahrungen von PGA sindsehr brauchbar. Die Differenzen und Defizite, die wir haben, sind Ausgangspunkte. Wir müssen verstehen, dass wir verschiedene Rhythmen und Kontexte haben, dass die Widerstandsaktionen nicht notwendigerweise die gleichen Formen annehmen. Die Bewertung dieser verschiedenen Aktionsformen sind Gebiete, in denen wir noch viel zu gewinnen haben, in denen wir uns noch besser kennenlernen und auseinandersetzen müssen, damit wir mehr Effektivität in den globalen Strategien entwickeln können.

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