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Gemeinsam gegen Repression und Spaltungsversuche

Wie viele von euch wahrscheinlich schon wissen, wurden rund um die Anti-Opernball-Demo fünf Personen festgenommen. Drei davon sitzen immer noch in Untersuchungshaft. Eine Frau, die alleine auf dem Nachhauseweg von Zivilpolizisten festgenommen wurde, wurde sowohl auf dem Kommissariat Wien 16 als auch in der Polizeidirektion am Schottenring geschlagen und beschimpft. Außerdem wurde sie aus Gründen der Einschüchterung permanent gefilmt. Sie hat sich trotzdem geweigert, Auskünfte über ihre Bekannten zu erteilen, denn das interessiert die Polizei mehr als angebliche Straftaten.

Die zwei anderen wurden von vermummten Zivilpolizisten auf dem Heimweg in der Schwarzenberggasse aus einem Taxi gezerrt. In den frühen Morgenstunden verlautbarte die Polizei in einer Presseerklärung, dass die Verhafteten während der Demonstration festgenommen worden seien. Aufgrund der zufälligen Anwesenheit eines Filmteams musste sie diese Lüge später zurücknehmen. Das zeigt uns, dass die Behörden auch lügen, nur um „Straftäter" konstruieren zu können. Denn diese "brauchen" sie, um die Bewegung in „Gewaltfreie" und „Gewalttäter" spalten und damit entscheidend schwächen zu können.

Es ist immer noch unklar, was den drei Personen eigentlich konkret vorgeworfen wird, geschweige denn was die Überstellung in U-Haft rechtfertigt. Umso mehr, als auch die Polizei selbst von einer friedlichen Demonstration spricht. Von Widerstand gegen die Staatsgewalt, Sachbeschädigung und Landfriedensbruch ist die Rede. Warum erfährt die interessierte Öffentlichkeit aber nicht, welche Sache denn eigentlich beschädigt worden sein soll?

W. und H. _ die in der Schwarzenberggasse Festgenommenen _ wurden zu „Rädelsführern", „Landfriedensbrechern" und so weiter stilisiert; sie hätten per Handy anderen „Anweisungen" erteilt und was einem Polizistenhirn noch an Abstrusitäten einfallen kann.

Zum „Landfriedensbruch" ist zu sagen, dass es bei diesem Paragraphen um die Zusammenrottung von mindestens 100 Personen zum Zwecke von Mord, schwerer Sachbeschädigung etc. geht. Alle, die den karnevalesken Umzug am 2. 3. miterlebt haben, wissen um die Unhaltbarkeit dieses Vorwurfs.

In der Vergangenheit war es oft so, dass die Delikte, die angeblich zur Festnahme geführt hatten, bei der Gerichtsverhandlung sehr oft fallen gelassen wurden, weil keinerlei Beweise vorlagen. Übrig bleibt dann als einziger Anklagepunkt das Delikt des „versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt", das niemals der Grund für die Festnahme ist, da es erst bei der Festnahme begangen werden kann. Das Gericht fragt jedoch nicht mehr danach, warum die Leute eigentlich festgenommen wurden. Gerne wird noch der Paragraph „schwere Körperverletzung" hinzugenommen, denn jede Verletzung eines Beamten ist automatisch eine schwere Körperverletzung - es reicht ein blauer Fleck.

So werden also durch die routinemäßige Anzeige wegen „versuchten Widerstands" bei Festnahmen strafrechtliche Tatbestände durch die Polizei konstruiert. Das hat für die Staats gewalt den entscheidenen Vorteil, dass die beteiligten Polizisten als Zeugen für eine Verurteilung ausreichen - es sei denn, es gibt genug Beweise, die diese Aussagen widerlegen.

Und deshalb ist es so wichtig, dass die Rechtshilfe sofort von Verhaftungen erfährt und sich ZeugInnen melden bzw. andere Beweismaterialien (Fotos, Filme etc.) zur Verfügung gestellt werden.

Wichtig: Gedächtnisprotokolle über Festnahmen dienen in erster Linie der Verteidigung der Betroffenen, d.h. der Vorbereitung von Prozessen. Sie gehören deshalb nicht im Internet oder sonstwo veröffentlicht, auch wenn alle gern „aus erster Hand" wissen wollen, was geschehen ist. Dazu reichen Zusammenfassungen und redaktionell bearbeitete Berichte auch aus.

Seit Beginn der Proteste gegen die neue Regierung und ihre asoziale Politik hat die Polizei die Personaldaten von hunderten Menschen aufgenommen, viele wurden geschlagen, beschimpft, Dutzende festgenommen. Uns allen muss klar sein, dass bei jeder Demo viele Zivilpolizisten mitgehen, die provozieren, bespitzeln und zu spalten versuchen. Die Dokumentationstrupps der Exekutive fotografieren und filmen ständig die DemoteilnehmerInnen, und sie werten ihr Material auch aus.

Sich angesichts dieser Sammelwut zu vermummen, ist mehr als legitim und kein Hinweis darauf (oder gar Beweis dafür), dass jemand „gewaltbereit" (was gerne mit „gewalttätig" gleichgesetzt wird) oder StraftäterIn ist. Es ist eine Methode, sich selbst zu schützen, genauso wie auf Demos in Ketten zu gehen, in Gruppen hinzukommen und wegzugehen.

Die Verhaftungen vom 2.3. haben bewiesen, wer hier die „vermummten Gewalttäter" sind: wir wissen zwar noch nicht, ob diese agents provocateurs von der Staatspolizei, der Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus oder welcher Sondereinheit, die seit Jahren wie Pilze aus dem Innenministerium sprießen, auch immer geschickt wurden; sie haben uns aber einen kleinen, gut dokumentierten Einblick in ihre „Arbeit" erlaubt.

Was ist der Sinn dieses völlig unverhältnismäßigen Zuschlagens der Staatsgewalt? Was bedeutet der kürzlich eingeführte Begriff „gewaltbereit", der polizeiliche Verfolgung rechtfertigen soll, ohne dass konkrete Delikte gesetzt werden? Warum schickt die Polizei mindestens 200 Zivilbeamte (nach ihren eigenen Angaben) in die Demos, von denen ein nicht unbeträchtlicher Teil vermummt ist? Warum belauscht sie Demonstranten, die mit Handys telefonieren? Warum beobachtet sie, wer mit wem spricht und wer welche Flugis verteilt? Möchte sie herausfinden, wie die Organisation der Demos funktioniert, um sie besser lahmlegen zu können? Dient die Repression dazu, einerseits Kräfte zu binden und andererseits Demonstranten abzuschrecken? Ist die Angst vor einer breiten, starken, langanhaltenden Widerstandsbewegung, die vielleicht mehr als nur die Beteiligung der FP an der Regierung in Frage stellen könnte, so groß?

Was oft gesagt wird, ist deshalb noch lange nicht wahr, aber man gewöhnt sich daran und irgendwann klingt es dann wahr. Lassen wir uns nicht spalten, gewöhnen wir uns nicht an die in letzter Zeit so oft wiederholte Gleichung „linksradikal = gewaltbereit = gewalttätig => gehört festgenommen"!!!

Wir wissen nicht, ob die Verhaftungen vom 2.3. gezielt waren oder die Opfer zufällig ausgewählt wurden. Mögliche Betroffene sind wir jedenfalls alle, die wir uns an den Protesten beteiligen.

Geht nicht allein zur Demo, sondern in Gruppen - bleibt zusammen und geht gemeinsam wieder weg! Verhindert Festnahmen in der Demo - es reicht oft, wenn genug Leute zum Ort der „Amtshandlung" hinlaufen! Meldet eure Beobachtungen unverzüglich der Rechtshilfe, kommt vorbei und schreibt Gedächtnisprotokolle!

Lassen wir die Gefangenen nicht allein - jede Demo zuerst vorbei am landesgerichtlichen Gefangenenhaus (Wickenburggasse, hinter dem Landesgericht)!

Wenn wir laut sind, hören uns die Gefangenen auch!

Gegen die Kriminalisierung, Einschüchterung und Spaltung des Widerstands! Sofortige Freilassung aller Gefangenen! Sofortige Einstellung aller Verfahren! Es gibt keine Rädelsführer! Keine Spaltung in Gut und Böse! Solidarität macht stark!
Rechtshilfenummer
535 91 09
(während jeder Demonstration)

Für eine Welt ohne Rassismus
[www.no-racism.net]