01 - OLG-Urteil Pfeifer-Zur Zeit
02 - Revision gegen dieses Urteil
03 - OLG-Urteil Haider-Falter

 

18 Bs 229/01

REPUBLIK ÖSTERREICH

Oberlandesgericht Wien

Im Namen der Republik

Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht hat in der Medienrechtssache des Antragstellers Karl PFEIFER gegen die Antragsgegnerin W3 VerlagsgesmbH & Co KG wegen § 6 Abs. 1 MedienG über die Berufung der Antragsgegnerin wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20. März 2001, GZ 9a E Vr 5706/00-21, nach der am 15. Oktober 2001 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Dr. Trieb und im Beisein der Richter Dr. Röggla und Dr. Krenn als weitere Senatsmitglieder, des Schriftführers Mag. Berger, in Anwesenheit des Antragstellers Karl Pfeifer und seines Rechtsvertreters Mag. Havranek und jenes der Antragsgegnerin Dr. Hübner durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tage zur Rechte erkannt:

In Stattgebung der Nichtigkeits- und Schuldberufung wird das angefochtene Urteil aufgehoben und in der Sache selbst entschieden:

Der Antrag des Karl Pfeifer auf Zuerkennung einer Entschädigung für die Erlittene Kränkung wegen der in der Ausgabe Nr. 23/00 der periodischen Druckschrift "Zur Zeit" auf Seite 7 in der Kolumne "Thema der Woche" mit dem Titel "Tödlicher Tugendterrror" gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe, er zähle zu einer "Tugendterrorismus" ausübenden "Jagdgesellschaft", der gegenüber Dr. Werner Pfeifenberger eine "Menschenhatz" eröffnet habe, die in der Folge bis zum Tod des Gehetzten geführt habe, und wodurch gegenüber dem Antragsteller Karl Pfeifer in einem Medium der Tatbestand des Vergehens der üblen Nachrede nach dem § 111- Abs. 1 und 2 StGB verwirklicht worden sei, wird ebenso wie sein Antrag auf Urteilsveröffentlichung abgewiesen.

Gemäß §§ 390, 390a Abs. 1 stop fallen dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zur Last.

Mit ihrer Strafberufung wird die Antragsgegnerin auf diese Entscheidung verwiesen.


Entscheidungsgründe:


Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht wegen der im Spruch ersichtlichen Vorwürfe und dadurch erfolgter Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der üblen Nachrede die Antragsgegnerin gemäß § 6 Abs. 1 MedienG zur Bezahlung eines Entschädigungsbetrages in Höhe von S. 50.000,-- an den Antragsteller verurteilt und ihr die Urteilsveröffentlichung gemäß § 8a Abs. 6 MedienG und die Kostenersatzpflicht auferlegt.

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen zum Artikelinhalt werde nach dem einleitenden Satz: "Der in Münster lehrende Politikwissenschaftler Univ.Prof. Dr. Werner Pfeifenberger hätte am 26. Juni wegen Wiederbetätigung in Wien vor Gericht stehen sollen. Er wählte den Freitod." die Tätigkeit von Personen beleuchtet, die nach der Formulierung im Artikel zu einer "Jagdgesellschaft" gehörten, indem sie im Bereich der Medien, der Wissenschaft, des "Dokumentationsarchives" und der linken politischen Parteien mittels Anzeigen, entsprechender tendenziöser Medienberichterstattung, einschlägiger Expertisen und parlamentarischer Anfragen "Antifa-Kampagnen" durchzögen. Eine solche Kampagne habe im Falle Werner Pfeifenbergers ein Menschenleben gefordert und die Jagd gehe lustig weiter. Dabei werde im Artikel insbesondere auf eine Veröffentlichung des Antragstellers Karl Pfeifer in der Zeitschrift der israelitischen Kultusgemeinde "Die Gemeinde" Bezug genommen, in welcher der "jüdische Journalist" in einer Rezension dem "Freiheitlichen Jahrbuch" unterstellt habe, es würde "Nazi-Töne" enthalten und dem darin veröffentlichten Aufsatz von Dr. Werner Pfeifenberger, er betreibe "die Verherrlichung der Volksgemeinschaft".

Hiezu stellte das Erstgericht im Weiteren fest, dass im Verfahren 20m Vr 6361/97, Hv 1973/00 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien am 15. Februar 2000 Anklage gegen Universitätsprofessor Dr. Werner Pfeifenberger wegen § 3g VG erhoben worden sei. Dies wegen seines in dem Druckwerk "Freiheit und Verantwortung, Jahrbuch der politischen Erneuerung 1995" unter dem Titel "Internationalismus gegen Nationalismus Eine unendliche Todfeindschaft? Geschichtlicher Werdegang und heutige Gestalt" veröffentlichten Artikels, durch den die Staatsanwaltschaft den genannten Tatbestand des VerbotsG verwirklicht gesehen habe. Dem Anklageeinspruch sei mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 11. April 2000, 18 Bs 83/00. keine Folge gegeben worden, sodass die Anklage in Rechtskraft erwachsen sei. Das Verfahren sei infolge des am 13. Mai 2000 eingetretenen Todes von Dr. Pfeifenberger eingestellt worden.

Der Antragsteller Karl Pfeifer habe in der Ausgabe der Druckschrift "Die Gemeinde" vom 3. Februar 1955 (richtig: 1995) Nr. 444 einen Artikel unter dem Titel "Freiheitliches Jahrbuch 1955 mit (Neo-)Nazi-Tönen" veröffentlicht und dabei bereits im Untertitel auf den Aufsatz von Univ.Prof.Dr. Pfeifenberger Bezug genommen, der später Gegenstand der genannten Anklage geworden sei. In dem Artikel habe der Antragsteller Dr. Pfeifenberger unterstellt, "die alte Nazi-Mär von der jüdischen Weltverschwörung langatmig aufzuwärmen", dass er sich einer "Nazidiktion" bediene, die Nazis hätten die Bücher des Deutschen Schriftstellers Kurt Tucholsky verbrannt, sie hätten behauptet, Juden können keine Deutschen sei, die Freiheitlichen bemühten sich um ein demokratisches Image, doch mit der Veröffentlichung derartiger Texte bewiesen sie, dass sie nichts vergessen und nichts gelernt haben.

Zur Rechtsfrage der Tatbestandsmäßigkeit des inkriminierten Textes führte der Erstrichter aus, dass dem Antragsteller mit der Behauptung, er habe sich mit dem Artikel, in welchem er Dr. Pfeifenberger "(Neo-)Nazi-Töne" unterstellt habe, einer Jagdgesellschaft angeschlossen und eine "Menschenhatz" eröffnet, die in der Folge bis zum Tod des Gehetzten geführt habe, die moralische Mitschuld am Tod von Univ.Prof. Dr. Pfeifenberger angelastet werde und ihm derart unehrenhafte und gegen die guten Sitten verstoßende Handlungsweisen vorgeworfen würden, die geeignet seien, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen und herabzusetzen. Durch die Veröffentlichung sei daher der Tatbestand der üblen Nachrede des § 111 StGB erfüllt.

Bei der gegebenen Sachlage käme man zu dem Ergebnis, dass die inkriminierte Veröffentlichung zwar insofern ein richtiges Tatsachensubstrat habe, als die bezeichnete Publikation in der Zeitschrift "Die Gemeinde" durch den Antragsteller tatsächlich erfolgt ist und dass die genannte Anklage gegen Dr. Pfeifenberger erhoben wurde und dieser noch vor Durchführung der Hauptverhandlung gestorben ist. Jedoch stelle die Behauptung einer "Menschenhatz" mit der Folge des Todes des Gehetzten nicht nur eine Wertung eines Tatsachensubstrates dar, sondern eine darüber hinausgehende Tatsachenbehauptung, nämlich die der Kausalität des Verhaltens des Antragstellers für den Tod von Dr. Pfeifenberger, welche jedoch im Verfahren nicht erwiesen worden, noch auch nur eine Beweisantragstellung in diese Richtung erfolgt sei.

Selbst wenn man die Ansticht vertreten sollte, dass im gegenständlichen Artikel nicht die Tatsachenbehauptung eines für den Tod eines Menschen kausalen Verhaltens des Antragstellers erhoben werde, sondern darin lediglich eine Wertung dieses Verhaltens erblickte, müsste man von einem Wertungsexzess im Sinne des Transportes eines Inhaltes sprechen, der über das Sachverhaltssubstrat weit hinausgehe und dieses in einer Weise überspiele und von ihm abgehoben darstelle, dass ihm letztlich dieses Substrat gänzlich abhanden komme. Dem Medienkonsumenten werde derart nicht die Möglichkeit gegeben, sich selbst eine Bild über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Wertung zu machen, diese werde ihm vielmehr in gerharnischter und aggressiver Form suggeriert. Da sich eine kritische Wertung eines gleichzeitig berichteten oder beim Leserpublikum als bereits bekannt vorauszusetzenden Sachverhaltes (nur) solange nicht als tatbildlich nach § 111 Abs.1 und 2 StGB erweise, als der Sachbezug gewahrt bleibe und die Kritik nicht exzediere, liege gegenständlich angesichts der im Urteilsspruch festgehaltenen Formulierungen eine solche straflose Wertung nicht vor.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe (ON 25), die sich wie folgt als berechtigt erweist:

Angesichts der (zwar als solche nicht bezeichneten, jedoch) als Schuldberufung zu wertenden Ausführungen zum Artikelinhalt auf Seite 3 der Berufung sah sich das Berufungsgericht zunächst zur Verlesung des inkriminierten Artikels und darauf gegründeten eigenen Feststellungen zum Aussagegehalt veranlasst. Dies mit dem den genannten Berufungsausführungen beipflichtenden Ergebnis, dass sich der Artikel generell mit der vom Verfasser so gesehenen Problematik des Einsatzes des NS-Verbotsgesetzes sowie der "Antifa-Keule" gegen politisch Andersdenkende befasst, wobei (siehe auch den Zwischentext zwischen den auf Seite 7 unten des Druckwerkes angebrachten Fotos) die bei diesen Vorgehen eingesetzten Mittel, nämlich "Anzeigen, entsprechend tendenziöse Medienberichte, einschlägige Expertisen und parlamentarische Anfragen" aufgelistet werden. Im Artikeltext wird hiezu zunächst über die gegen Dr. Pfeifenberger wegen seines im "Freiheitlichen Jahrbuch" 1995 veröffentlichten Artikels erhobene Anklage nach dem Verbotsgesetz berichtet, die nebenstehend (auf Seite 6) vollinhaltlich wiedergegeben ist, sodann über den vom Antragsteller zuvor verfassten Artikel in der Zeitschrift "Die Gemeinde", in welchem er Dr. Pfeifenberger wegen seines Artikels der "Neo-Nazi-Töne" bezichtigt habe und dazu ausgeführt, dass der Antragsteller mit seinem Artikel "eine Menschehatz eröffnet habe, die in der Folge bis zum Tod des Gehetzten gehen sollte". Im Weiteren wird aufgezeigt, dass "die österreichischen Justizbehörden" bereits am 28. April 1995 das Vorhaben geäußert hätten, die Anzeige gegen Dr. Pfeifenberger wegen seines Artikels zurückzulegen, es hätten sich jedoch in Deutschland SPD-Angehörige gegen diese Veröffentlichung Pfeifenbergers breitgemacht und für seine Entlassung von der Fachhochschule Münster gesorgt, während Dr. Pfeifenberger in Österreich versucht habe, sich durch eine Ehrenbeleidigungsklage gegen den von Karl Pfeifer erhobenen Vorwurf der "Nazi-Töne" zu wehren; es sei aber Illusion gewesen, dass ein Mitarbeiter der israelitischen Kultusgemeinde in einer solchen Causa von einem österreichischen Gericht verurteilt werden würde, sodass er das Ehrenbeleidigungsverfahren verloren habe. In der Folge habe von "politischer und medialer Ebene der Druck auf die Justiz begonnen", wobei dann detailliert geschildert wird, welche Vorgänge und initiiert durch welche Personen nun erfolgt seien (parlamentarische Anfrage Dr. Kostelkas an den Justizminister hinsichtlich eines Verdachtes des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz. Ähnliche Anfragen der Grün-Abgeordneten Karl Öllinger und Peter Pilz, Sachverhaltsdarstellung von Irmtraud Karlsson (SPÖ) an die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachtes der Begehung strafrechtlich relevanter Handlungen im Sinne des Verbotsgesetzes und einschlägige Kommentare der Journalisten Günther Traxler und Hans Rauscher). Gefolgert wird, dass der Druck gegen die österreichische Justiz dadurch so groß geworden sei, dass es zur Anklageerhebung gekommen sei. Ob der nach der Rechtsprechung in ähnlichen Fällen zu erwartenden Verurteilung von Dr. Pfeifenberger habe dieser den Freitod gewählt. Wenn nun im anschließenden Satz von einer "Jagdgesellschaft" gesprochen wird, "die mit dem Hebel des Verbotsgesetzes immer wieder versucht, politisches Kleingeld zu wechseln und der vormalig oppositionellen FPÖ am Zeug zu flicken, indem sie in ihrem Umfeld "Nazi-Töne, Wiederbetätiger" und "ähnliche Verbrecher gegen den Zeitgeist ortet und in der Person des Wissenschaftlers (Pfeifenberger) ein Opfer zur Strecke gebracht hat, so kann im Gegensatz zur Beurteilung in der Privatanklage ON 1, S 5 nicht davon ausgegangen werden, dass diese Ausführungen nach Auffassung des hier als Beurteilungsmaßstab heranzuziehenden durchschnittlich verständigen Lesers eines Artikels deutlicher politischer Ausrichtung tatsächlich im Sinne eines (argumento "Jagdgesellschaft") Zusammenschlusses zu einem in den Einzelvorgängen abgesprochenen, "konspirativen" Verhalten mit dem gemeinsam angestrebten Ziel der Existenzvernichtung verstanden werden. Denn der Artikel berichtet im Zusammenhang mit dem Versuch, den von ihm behaupteten Einsatz der "Faschismuskeule" gegen politische Gegner zu belegen, unter klarer Trennung der von den einzelnen von ihm genannten Personen gesetzten Handlungen und stellt sich dem Leser auf diese Weise als Einzelauflistung all dessen dar, was sich vorliegend gegen Dr. Pfeifenberger gerichtet hatte. Auch unter Berücksichtigung des Einleitungssatzes des 2.Absatzes der 2. Spalte des Artikels ("Damit hatte Karl Pfeifer eine Menschenhatz eröffnet...."), womit der Artikel des Antragstellers ("Nazitöne") lediglich als erster der gegen Dr. Pfeifenberger gerichteten Vorgänge ausgesprochen wird, wäre die Auslegung spekulativ, sowohl dass den genannten Personen ein verabredetes Vorgehen unterstellt würde als auch, dass von dieser Personengruppe zudem auch noch die Folge des Todes des Betroffenen gebilligt oder bewusst in Kauf genommen worden sei.

Dass sich letztere Aussage des Artikels ergäbe, behauptet selbst das Ersturteil nicht, wenn dort auf US 11 unten ausgeführt ist, dass mit der Darstellung der Todesfolge des Gehetzten im Artikel nicht nur eine Wertung eines Tatsachensubstrates dargestellt werde, sondern die darüber hinausgehende Tatsachenbehauptung der Kausalität des Verhaltens des Antragstellers für den Tod von Dr. Pfeifenberger aufgestellt werde. Die Unterstellung bloßer Kausalität reichte allerdings für die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes als üble Nachrede nicht aus. Eine ehrenstrafrechtlich relevante Tatsachenbehauptung könnte nur im (auch vom Erstgericht verneinten) Aussagegehalt des Artikels im Sinne einer Hetze mit einkalkulierter Todesfolge beim "Gehetzten" als Behauptung einer inneren Tatsache gelegen sein. Die Aussage hingegen, die im Artikel geschilderten Vorgänge hätten den Tod zur Folge gehabt, lassen den Leser, wie vom Erstgericht insoweit richtig aufgezeigt, im gegebenen Zusammenhang bloß auf die Zuweisung einer moralischen Verantwortlichkeit schließen, was aber wiederum klar als Schlussfolgerung und Wertung des im Artikel geschilderten Sachverhaltes und nicht als Tatsachenbehauptung zu verstehen ist.

Ebenso aber stellen sich auf Sachbasis des Artikels auch die Formulierungen betreffend eine "Hetze", eines "tödlichen Tugendterrrors" und einer "Menschenhatz" für den Leser klar als Wertungen der im Artikel behaupteten Anzeigen, parlamentarischen Anfragen, Medienberichte bzw. der Anklage gegen Dr. Pfeifenberger dar.

Die Prüfung der Tatfrage durch Verlesung des Artikels ergab somit die Qualität dieser Formulierungen als "Wertungen". Für Wertungen gilt, dass das ihnen zugrundeliegende Faktensubstrat den Anforderungen des Artikels 10 Abs.1 MRK gerecht wird, wenn es im Wesentlichen richtig ist (vgl. EGMR Schwabe gegen Österreich) bzw. laut einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte noch weitergehend, erst dann von einem die Strafbarkeit begründenden Exzess zu sprechen ist, wenn der Wertung jeder Tatsachenhintergrund fehlt (vgl. De haes und Gijsels gegen Belgien, ÖJZ 1997, MRK, ENr. 28, S 914).

Dem Erstgericht kann nun darin nicht gefolgt werden, dass in den vorliegenden Wertungen "ein Inhalt transportiert werde, der über das Sachverhaltssubstrat weit hinausgehe und dieses in einer Weise überspiele und vom Sachverhalt abgehoben formuliere, dass ihm leztlich dieses Substrat abhanden komme" (US 12). Denn bereits durch die vollständige Wiedergabe der Anklage auf Seite 6 der inkriminierten Druckschrift ist der Leser nicht nur über deren Inhalt vollständig informiert, sondern gleichzeitig auch, weil es jeweils um dieselbe Veröffentlichung Dr. Pfeifenbergers geht, über Gegenstand und Anlass des im Artikel angesprochenen Aufsatzes von Karl Pfeifer in der Zeitschrift "Die Gemeinde" ebenso wie auch über Gegenstand und Anlass der im inkriminierten Artikel des weiteren aufgelisteten Schritte gegen Dr. Pfeifenberger. Durch diese vollständige Information ist der Leser in die Lage versetzt, sich selbst ein Bild darüber zu machen, ob in diesen Schritten gegen Dr. Pfeifenberger ein "Tugendterror", eine "Menschenhatz" udgl. gelegen ist.

Vor dem gegebenen Hintergrund eines deutlich politisch-ideologisch geprägten Kommentars, den der Leser in seiner Einseitigkeit und seinem überzogenen Ausdruck zu deuten und auf den Kern zu reduzieren weiß, ist in den inkriminierten Formulierungen ein Wertungsexzess mit Rücksicht darauf, dass ein im Wesentlichen richtiges, wenn auch ideologisch ausgerichteter Deutung unterzogenes Faktensubstrat zugrundeliegt, nicht gelegen und sind die inkriminierten Formulierungen vielmehr im Sinne des zutreffenden Berufungsvorbringens vom Freiheitsrecht des Art. 10.1 MRK gedeckt. Denn jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung, die eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft und eine der besten Voraussetzungen für ihren Fortschritt und für die Selbstverwirklichung des Individuums darstellt. Sie ist in den Schranken des Abs.2 nicht nur auf Nachrichten und Ideen anwendbar, die positiv aufgenommen werden, sondern auch auf solche, die beleidigen, schockieren oder stören (Hager-Zöchbauer, Persönlichkeitsschutz im Straf- und Medienrecht4, E 114ff).

Vorliegend sind die inkriminierten Wertungen durch Artikel 10 MRK umso mehr gedeckt, als hinsichtlich der unter die genannte Anklage gegen Dr. Pfeifenberger gestellten Tat die Unschuldsvermutung zu gelten hat und es nicht das Ergebnis des gegenständlichen Ehrenbeleidigungsverfahrens war - wie dies der in der Berufungsverhandlung verlesenen hg. Entscheidung 18 Bs 7/98, Beilage zu ON 20 zu entnehmen ist dass der damalige Privatankläger Dr. Pfeifenberger, in dem betreffenden Aufsatz tatsächlich "Nazi-Töne" gebraucht habe, sondern dass darin vielmehr eine durch den damaligen Angeklagten Karl Pfeifer in seinem Artikel in der Zeitschrift "Die Gemeinde" vorgenommene zulässige Wertung im Lichte des Art.10 MRK gelegen und damit der Tatbestand der üblen Nachrede nicht erfüllt war. Wenn nun der gegenständliche Artikel vermeint, dass die von ihm angesprochenen Vorgänge sich in ungerechtfertigter Weise gegen Dr. Pfeifenberger gerichtet hätten und darin eine "Menschenhatz" und dgl. zu ersehen sei, so liegt dies nach den oben aufgezeigten Gesichtspunkten ebenfalls noch im Bereich zulässiger Wertung und ist daher im Sinne des zutreffenden Berufungsvorbringens tatbestandsfrei.

Es war dahrer das Entschädigungsbegehren des Antragstellers abzuweisen und ihm der Kostenersatz für das Verfahren erster und zweiter Instanz aufzuerlegen.

Mit ihrer Strafberufung ist die Antragsgegenerin auf diese Entscheidung zu verweisen.

Oberlandesgericht Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

Abt. 18, am 15. Oktober 2001

Dr. Doris TRIEB

Für die Richtigkeit der Ausfertigung

Der Leiter der Geschäftsabteilung:
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Von Dr. Gabriel Lansky am 6.12.01 bei der Generalprokuratur eingebracht:
I.) ANREGUNG ZUR NICHTIGKEITSBESCHWERDE ZUR WAHRUNG DES GESETZES
II.) ANREGUNG ZUR AUSSERORDENTLICHEN WIEDERAUFNAHME

Die Antragsgegnerin ist Medieninhaberin der “Wochenzeitung für Politik, Wirtschaft und Kultur” - “Zur Zeit”. In der Ausgabe vom 2. - 8. Juni 2000, Nr. 23/00 wurde unter “Thema der Woche” ein Artikel mit dem Titel “Tödlicher Tugendterror” veröffentlicht.

Wegen dieses Artikels hat der Privatankläger und Antragsteller, ein Pensionist und freier Journalist, am 12.06.2000 Privatanklage verbunden mit medienrechtlichen Anträgen am LG für Strafsachen Wien eingebracht.

Der inkriminierte Artikel bringt ein Bild des Privatanklägers und wirft ihm - unter namentlicher Nennung - vor, die Schuld am Tod von Werner Pfeifenberger zu tragen.

Schon in der Vorzeile des gegenständlichen Artikels “Tödlicher Tugendterror” heißt es: “Die Hetze gegen einen Wissenschafter forderte ein Opfer”. Das Foto weist den Privatankläger als “Teil einer Jagdgesellschaft” aus, “deren Kampagne ein Menschenleben forderte”.

Im Lauftext wird dargelegt, daß der Privatankläger in seiner Eigenschaft als freier Journalist in der Zeitschrift “Die Gemeinde” einen Beitrag von Werner Pfeifenberger im Druckwerk “Freiheit und Verantwortung, Jahrbuch der politischen Erneuerung 1995” rezensiert und Pfeifenberger “Neo-Nazi-Töne” vorgehalten hat. Damit habe der Privatankläger - so die Schlußfolgerung des inkriminierten Artikels - “eine Menschenhatz eröffnet, die in der Folge bis zum Tod des Gehetzten gehen sollte”. “In der Person des Wissenschafters” (Anm.: Werner Pfeifenberger) habe “die Jagdgesellschaft” “ein Opfer zur Strecke gebracht”.

Zusammenfassend zeichnet der Artikel seiner Leserschaft das Bild eines jüdischen Journalisten, der im Verbund mit Vertretern der “linken” Medienwelt und linksliberalen Politikern (laut “Zur Zeit” reichen diese Verknüpfungen sogar bis zum parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion in Deutschland!) Werner Pfeifenberger durch Druck auf die Justiz in den Tod getrieben hat.

Beweis: Kopie des inkriminierten Artikels aus “Zur Zeit”, 2. - 8. Juni 2000, Nr. 23/00

Tatsache ist, daß die Staatsanwaltschaft Wien am 15.02.2000 zur Zahl 20m Vr 6361&97, Hv 1973/00 gegen Werner Pfeifenberger Anklage wegen der Verwirklichung des Verbrechens nach dem § 3g VerbotsG erhoben hatte aufgrund von Texten im Druckwerk “Freiheit und Verantwortung, Jahrbuch der politischen Erneuerung 1995”. Die Staatsanwaltschaft sah im Beitrag “Internationalismus gegen Nationalismus - Eine unendliche Todfeindschaft? Geschichtlicher Werdegang und heutige Gestalt” eine Betätigung im nationalsozialistischen Sinne. Der Einspruch des Antragsgegners wurde abgewiesen und hätte daher ein Geschworenengericht über die Anklage in der Hauptverhandlung am 26.06.2000 zu urteilen gehabt. Nach Tod von Pfeifenberger wurde das Verfahren gegen ihn mit Beschluß vom 20.09.2000 eingestellt.

Jedenfalls ist festzuhalten, dass die Sachverhaltsdarstellungen gegen Werner Pfeifenberger in Österreich und Deutschland aufgrund seines Artikels erfolgten und nicht aufgrund der Rezension von Karl Pfeifer.

Nicht erwiesen ist, dass der Freitod von Werner Pfeifenberger im Zusammenhang mit diesem drohenden Verfahren stand.
Darüber hinaus hat Karl Pfeifer diesen Prozeß weder durch eine Strafanzeige eingeleitet, noch durch andere ihm demokratisch zur Verfügung stehenden Mitteln vorangetrieben.
Karl Pfeifer hat nicht mit anderen “linksgerichteten” Politikern oder Journalisten, insbesondere nicht mit den im inkriminierten Artikel genannten, zusammengearbeitet oder auf sie Einfluß genommen.

All dies ist aus dem gerichtlichen Beweisverfahren nachvollziehbar.

Karl Pfeifer hat lediglich in der Zeitschrift “Die Gemeinde” vom 03.02.1995, Nr. 444 den oben genannten Artikel von Werner Pfeifenberger rezensiert und ihm vorgeworfen, er würde sich der “Nazi-Diktion” bedienen und “die alte Nazi-Mär von der jüdischen Weltverschwörung aufwärmen”.

Die Klage von Werner Pfeifenberger zu 9b E Vr 4166/95, Hv 2466/95 vom 04.04.1995 gegen Karl Pfeifer wegen dessen Rezension wurde abgewiesen, da die Kritik auf einem wahren Tatsachensubstrat basiert und somit keinen Wertungsexzess dargestellt hat.

Beweis: Beschluß des LG für Strafsachen Wien zu 9b E Vr 4166/95, Hv 2466/95

Der Privatankläger hat sich somit lediglich als korrekt arbeitender Journalist erwiesen. Wie bereits ausgeführt hat er nicht einmal die ihm in einer demokratischen Gesellschaft zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft (Strafanzeigen, etc) sondern lediglich einen Artikel geschrieben, der nicht einmal zu einer medienrechtlichen oder strafrechtlichen Verurteilung geführt hat.

Abgesehen davon ist es der Antragsgegnerin nicht einmal im Ansatz gelungen, den Zusammenhang zwischen diesem Artikel und dem fünf Jahre später erfolgten Freitod zu beweisen oder in irgendeiner Form glaubhaft zu machen.

Ihm daher vorzuwerfen, er habe als Tugend-Terrorist, als “Teil einer Jagdgesellschaft” Werner Pfeifenberger “zur Strecke gebracht”, ist unwahr und grob ehrenrührig.

2. Urteil des Landesgericht für Strafsachen:

In obigen Sinne urteilte auch das Erstgericht in der Hauptverhandlung vom 20.03.2001. Es sah im Artikel der “Zur Zeit” den Tatbestand des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs. 1 und 2 StGB verwirklicht und verurteilte die W3 Verlagsgesellschaft m.b.H. & Co KG zur Bezahlung einer Entschädigung von öS 50.000,-- an Karl Pfeifer sowie zur Urteilsveröffentlichung.

Beweis: Kopie des Urteils des LG für Strafsachen vom 20.03.2001 zu 9a E Vr 5706/00,
Hv 3377/00

Das Gericht führt in seinem Urteil auf Seite 8f aus, daß der Privatankläger die Publikation des Antragsgegners “sachlich wie politisch” heftig kritisiert hat. Demgegenüber reihe der hier inkriminierte Artikel - so das Gericht - den Privatankläger in eine “Jagdgesellschaft” ein, in deren Rahmen er eine “Menschenhatz” eröffnet habe, die in der Folge bis zum Tod von Werner Pfeifenberger geführt habe. Auf Seite 9 hält das Urteil fest, daß der Medienkonsument dies als Vorwurf verstehe, daß der Privatankläger am Tod eines anderen Menschen moralisch mitschuldig sei, ja diesen Tod durch eine “Menschenhatz” herbeigeführt habe. Auf Seite 9 hält das Urteil fest, daß der Medienkonsument dies als Vorwurf verstehe, daß der Privatankläger am Tod eines anderen Menschen moralisch mitschuldig sei, ja diesen Tod durch eine “Menschenhatz” herbeigeführt habe.

Zur von der Antragsgegnerin behaupteten Kausalität des Verhaltens des Privatanklägers für den Tod von Pfeifenberger wird auf Seite 11f ausgeführt: “Eine solche Kausalität wurde aber im gegenständlichen Verfahren niemals unter Beweis gestellt, die Antragsgegnerin hat zu diesem Thema nicht einmal Beweisanträge gestellt.”

Sollte man die Ansicht vertreten, daß es sich hier um eine Bewertung des Verhaltens des Privatanklägers handle, so könne auch daraus nichts gewonnen werden, da “klar ein Wertungsexzeß” vorliege. Der Leser habe keine Möglichkeit, sich selbst ein Bild über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Wertung zu machen, “diese wird ihm vielmehr in geharnischter und aggressiver Form durch die inkriminierte Veröffentlichung suggeriert. (...) Es kann daher nicht von der sanktionsfreien Ausübung des Rechtes der Freiheit der Meinungsäußerung nach dem Art. 10 EMRK gesprochen werden.”

3. Urteil des Oberlandesgericht Wien:

Gegen dieses Urteil hat die Antragsgegnerin Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe eingebracht.

Am 15.10.2001 hat das OLG Wien der Nichtigkeits- und Schuldberufung stattgegeben und in der Sache selbst entschieden: Die Anträge von Karl Pfeifer auf Zuerkennung einer Entschädigung und Urteilsveröffentlichung wurden abgewiesen.

Nach Verlesung des Artikels kommt das Gericht in seinem Urteil auf Seite 7 zu dem die Berufung bestätigenden Ergebnis, daß “sich der Artikel generell mit der - vom Verfasser so gesehenen - Problematik des Einsatzes des NS-Verbotsgesetzes sowie der “Antifa-Keule” gegen politisch Andersdenkende befaßt”. Die dabei eingesetzte Mittel sind laut inkriminiertem Artikel “Anzeigen, entsprechend tendenziöse Medienberichte, einschlägige Expertisen und parlamentarische Anfragen”. Auch im Fall Werner Pfeifenberger - so der Artikel - sei man so vorgegangen.

Laut Entscheidung des Berufungsgerichts versteht der Leser den Begriff “Jagdgesellschaft” bzw. den inkriminierten Artikel nicht als konspiratives Verhalten von einigen mit dem gemeinsam angestrebten Ziel der Existenzvernichtung. Der Artikel trenne klar die von den einzelnen genannten Personen gesetzten Handlungen. Der Leser gewinne so den Eindruck eines “Einzelauflistung” dessen, was sich gegen Werner Pfeifenberger gerichtet hat.

Daß der Privatankläger eine “Menschenhatz eröffnet” habe, spreche lediglich die Rezension als erste der gegen Pfeifenberger gerichteten Vorgänge an. Die Auslegung in Richtung Verabredung von Personen und In-Kauf-Nehmen des Todes des Betroffenen sei spekulativ.

Die Aussage, die im inkriminierten Artikel geschilderten Vorgänge hätten den Tod zur Folge gehabt, ließen den Leser bloß auf Zuweisung einer moralischen Verantwortung schließen, was aber als Schlußfolgerung und Wertung des im Artikel geschilderten Sachverhaltes und nicht als Tatsachenbehauptung zu verstehen sei. Ebenso seien - so die Rechtsmeinung des OLG Wien - Ausdrücke wie “Hetze”, “tödlicher Tugendterror” und “Menschenhatz” für den Leser klar als Wertungen der im Artikel behaupteten Vorgänge in der Causa Werner Pfeifenberger zu verstehen.

Auf Seite 11 bringt das OLG Wien seine Rechtsmeinung zusammenfassend zum Ausdruck: “Die Prüfung der Tatfrage durch Verlesung des Artikels ergab somit die Qualität dieser Formulierungen als Wertungen.”

Durch Wiedergabe der vollständigen Anklage gegen Pfeifenberger sei der Leser vollständig informiert über Gegenstand und Anlaß der Auseinandersetzungen zwischen Pfeifenberger und dem Privatankläger Pfeifer. Dadurch sei der Leser selbst in der Lage, sich ein Bild darüber zu machen, ob in den im Artikel erwähnten Schritten gegen Pfeifenberger ein “Tugendterror”, eine “Menschenhatz” udgl. gelegen sei.

Den vom Erstgericht erkannten Wertungsexzeß sieht das Berufungsgericht nicht: Der Leser wisse den deutlich politisch-ideologisch geprägten Kommentar in seiner Einseitigkeit und seinem überzogenen Ausdruck zu deuten und auf den Kern zu reduzieren. Den Formulierungen liege ein im Wesentlichen richtiges Faktensubstrat zugrunde und seien sie vom Freiheitsrecht des Art. 10 Abs. 1 MRK gedeckt.

4. Ad I.) Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes:

Der Antragsteller regt eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes an, weil vorgenanntes Urteil des OLG Wien im krassen Widerspruch zur herrschenden Judikatur steht.
Das OLG Wien versteht die inkriminierten Formulierungen - unrichtigerweise - als Wertungen und verneint einen Wertungsexzeß, da ein Tatsachensubstrat zugrundeliege; zudem seien die Äußerungen durch Art 10 MRK gedeckt.

Dem ist entgegenzuhalten, daß das Berufungsgericht an keiner Stelle in seinem Urteil ausdrücklich dargelegt hat, welches Tatsachensubstrat die Formulierungen “Hetze gegen Wissenschafter”, “Teil einer Jagdgesellschaft”, “Tugendterrorrist” “das Opfer zu Tode gebracht” beinhalten.

Bei Gesamtbetrachtung des Urteils ergibt sich jedoch, dass als das Berufungsgericht angenommen hat, dass das Tatsachensubstrat “Schritte gegen Dr. Pfeifenberger” (vgl Seite 12 des Urteils) wie Zeitungsartikel, Anzeigen und parlamentarische Anfragen zu verstehen sind.

Selbst ausgehend von diesem Tatsachensubstrat (was unserer Ansicht unrichtig ist, worauf wir unten näher eingehen) liegt ein Wertungsexzess vor. Aus folgenden Gründen:

All diese “Schritte” sind wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil einer Demokratie. Einen im Rahmen der Rechtsordnung gesetzten “Schritt” als Menschenhatz und tödlichen terroristischen Akt zu bezeichnen, geht weit über die zulässige Wertungen hinaus.

So hat der OGH in seiner Entscheidung 60b304/98v festgehalten, dass ein Vorstandsmitglied ausschließlich als “Obergauner” und “Blindgänger” bezeichnet werden darf, wenn tatsächlich ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten sowie die Unfähigkeit zur Ausübung des leitenden Managerpostens vorliegt. Ansonsten liegt ein Wertungsexzeß vor.
Die Entscheidung des Berufungsgerichtes steht im Widerspruch zu dieser - gefestigten - Judikatur.

Auch aus diesem Tatsachensubstrat die Wertung abzuleiten, dass die im Rahmen der Rechtsordnung gesetzten “Schritte” kausal für den Tod eines Menschen sind, ist als Wertungsexzess zu verstehen. Beide - der inkriminierte Artikel und das OLG Wien - verkennen den Umstand, daß die Rezension des Beitrages durch Pfeifer und die von der Staatsanwaltschaft Wien gegen Pfeifenberger erhobene Anklage wegen der Verwirklichung des Verbrechens nach dem § 3g VerbotsG nichts miteinander zu tun haben. Die Rezension vom 03.02.1995 hat nicht die Anklage vom 15.02.2000 (!) bewirkt und folglich hat Pfeifer nicht ein Vorgehen gegen Pfeifenberger eröffnet.

Ein strafbarer Wertungsexzeß liegt dann vor, wenn dem Medienkonsumenten nicht die Möglichkeit gegeben wird, sich selbst ein Bild über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Wertung zu machen (e contrario aus OLG Wien 18.9.1992, 21 Bs 249/92 - MR 1992, 189). Dem Medienkonsumenten bleibt die Überprüfung dieser Kausalität genauso unmöglich, wie sie im Gerichtsverfahren nicht einmal ansatzweise bewiesen oder glaubhaft gemacht worden hat. Gerade bei einem so heiklen Thema wie dem Vorwurf, die Schuld am Tod eines Menschen zu tragen, muss es dem Medienkonsumenten möglich sein, die Kausalität anhand des Tatsachensubstrates zu überprüfen.

Selbst wenn man wie das OLG Wien in den inkriminierten Textstellen Wertungen sehen will, so hätte man sie - wie schon das Erstgericht treffend erkannt hat - wegen Wertungsexzeß als nicht vom Art. 10 MRK gedeckt sehen müssen.

Daß das Berufungsgericht hier einen Wertungsexzeß verneint, steht im krassen Widerspruch zur herrschenden Judikatur:

Straflos iS der im Art. 10 EMRK verbrieften Meinungsfreiheit ist man nur dann, wenn man einen sachlich dargestellten Verhaltensvorwurf einer moralischen oder gesellschafts-kritischen Wertung unterzieht (OLG Wien 2.12.1986, 27 Bs 545/86 - MR 1986/6, 11).
Ein strafbarer Wertungsexzeß liegt dann vor, wenn dem Medienkonsumenten nicht die Möglichkeit gegeben wird, sich selbst ein Bild über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Wertung zu machen (e contrario aus OLG Wien 18.9.1992, 21 Bs 249/92 - MR 1992, 189).
Nach ständiger Judikatur sind bereits geringere Vorwürfe als die im gegenständlichen Fall erhobenen als Wertungsexzeß beurteilt worden. So liegt nach Ansicht des OGH bereits bei den Vorwürfen der “Gaunerei”, “Gaunerstück” und “Gaunerkonsens” ein Wertungsexzeß vor (OGH 17.01.2001, 6 Ob 320/00).

Das OLG setzt sich in Widerspruch zur herrschenden Rechtsprechung, wenn es die inkriminierten Textstellen als von Art. 10 EMRK gedeckt sieht. Ausdrücke wie “Teil einer Jagdgesellschaft”, “Menschenhatz” und “das Opfer zu Tode gebracht” sind keine moralisch oder gesellschafts-kritischen Wertungen, sondern gehen - wie vom Erstgericht richtig erkannt - “in geharnischter und aggressiver Form” weit über ein (mögliches) Sachverhaltssubstrat hinaus.

Das OLG Wien hat auch nicht erkannt, daß dem Leser keineswegs die Möglichkeit geboten wird, sich ein Bild über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Wertung zu machen. Im Artikel selbst wird ohne echter Aufklärung über den Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen Pfeifer und Pfeifenberger (die Rezension eines Aufsatzes von Pfeifenberger) und über die tatsächlich mannigfaltigen Spekulationen über die Todesursache von Pfeifenberger der “jüdische Journalist” als Initiator der “Menschenhatz” auf Pfeifenberger verunglimpft.

Der Ansicht des OLG Wien, daß der Leser bereits durch die vollständige Wiedergabe der Anklage auf Seite 6 der inkriminierten Druckschrift vollständig informiert sei, kann deshalb nichts abgewonnen werden, weil die im Artikel gegen Pfeifer gerichteten Anwürfe die Informationskraft der Anklage relativieren bzw. verzerren und weit über ein mögliches Faktensubstrat hinaus gehen.

Demnach ist auch der Vergleich, den das OLG Wien auf Seite 13 seines Urteils zwischen der gegenständlichen Causa mit dem Verfahren gegen Pfeifer wegen seines Artikels in “Die Gemeinde” über den Aufsatz von Pfeifenberger anstellt, als gescheitert zu betrachten.

Darüber hinaus steht die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien im Widerspruch zur Judikatur des EGMR. Auch der EGMR hat bei seinen Entscheidungen zu Art 10 MRK mehrmals festgehalten, dass ein Wertungsexzess dann vorliege, wenn die Wertung nicht aus dem wahren Tatsachensubstrat ableitbar ist (vgl. Lingens, Oberschlick und Schwabe)

5. Folgen der Entscheidung:

5.1. Durch vorliegende Entscheidung wird jede freie Berichterstattung und jede Kommentierung von Handlungen von Personen unmöglich gemacht. Daher stellt diese Entscheidung - faktisch - einen immensen Eingriff in die Meinungsfreiheit dar.

So absurd dies auf den ersten Blick auch erscheinen mag, da es in diesem Verfahren zu einem Freispruch gekommen ist, liegen die Folgen dieser Entscheidung auf der Hand:

Bleibt dieses Urteil des OLG Wien bestehen, so ist es für jeden in diesem Land unmöglich, Aussagen einer Person zu kommentieren, ohne daraufhin eine Flut von Anschuldigungen, Beschimpfungen und Verdächtigungen über sich ergehen lassen zu müssen, die sogar den schlimmsten aller Vorwürfe, nämlich für den Tod eines Menschen verantwortlich zu sein, beinhalten können.

Menschen, die für eine Meinungsäußerung nicht einmal medienrechtlich verurteilt worden sind, dürfen als “Terroristen” und Mitglieder einer “Jagdgesellschaft” bezeichnet werden.

Denn das alles wären dann ja nach Meinung der OLG Wien einfache Wertungen, die der Leser leicht auf den Tatsachenkern reduzieren könne.

Unter diesen Voraussetzungen werden Journalisten sich mehrmals überlegen, ob sie von ihrem Grundrecht der freien Meinungsäußerung Gebrauch machen werden, da sie bei Erscheinen Ihres Artikels mit derartigen Beschimpfungen und Beleidigungen rechnen müssen.

5.2. Insbesondere hat der inkriminierte Artikel auch für Karl Pfeifer mehr als unerfreuliche Folgen gehabt. Wie im Beweisverfahren bewiesen sind unzählige Folgeartikel und Publikationen erschienen, die ihn aufgrund des inkriminierten Artikels als moralischen “Mörder” bezeichnet haben.

6. Ad II.) Außerordentliche Wiederaufnahme:

Darüber hinaus hat das Berufungsgericht einen unrichtigen Bedeutungsinhalt ermittelt, der im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung steht. Da im Strafverfahren der Bedeutungsinhalt als Tatfrage und nicht als Rechtsfrage zu beurteilen ist, wird dieses Vorbringen unter der “außerordentlichen Wiederaufnahme” geltend gemacht, aus prozessualer Vorsicht wird jedoch das gesamte Vorbringen auch zum Vorbringen von

I. Anregung zur Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes

erhoben.

6.1. Das Berufungsgericht hat - wie bereits ausgeführt - den Bedeutungsinhalt der inkriminierten Textstelle dahingehend ermittelt, dass als Tatsachensubstrat “Schritte gegen Dr. Pfeifenberger” festgestellt wurde.

Dies entspricht nicht der herrschenden Rechtsprechung. Aus folgenden Gründen:

Nach ständiger Rechtsprechung hat sich der Täter bei Tatsachenbehauptungen, die in die Ehre eines Anderen eingreifen, nach der sogenannten Unklarheitenregel, die Äußerung nach der für ihn ungünstigsten Auslegungsform zu vertreten. (MR 1994, 111 mwN, 6 Ob 295/97 v uva).

Die Äußerungen

“Hetze gegen Wissenschaftler”
“Teil einer Jagdgesellschaft”
“Tugendterrorist”
“Das Opfer zu Tode gebracht”

haben als Tatsachenkern folgenden Bedeutungsinhalt:

Jemand habe durch vorsätzliches Handeln (Hetze beinhaltete jedenfalls einen Vorsatz), das rechtswidrig gewesen ist, (Terroristen handeln grundsätzlich rechtswidrig) in Zusammenarbeit mit Dritten (Jagdgesellschaft bedeutet nichts anderes, als ein gesellschaftlicher Zusammenschluß von Jägern) den Tod eines Menschen verursacht und sich mit diesem zumindest abgefunden (Terroristen und Jäger finden sich grundsätzlich nicht mit dem Tod der Opfer ab).

Zu diesem Bedeutungsinhalt würde man auch bei Nichtbestehen der Unklarheitenregel kommen. Aufgrund der bestehenden Rechtsprechung ist es jedoch eindeutig, dass dieser Bedeutungsinhalt festgestellt wird.

6.2. Dieser Tatsachenkern ist unrichtig:

Karl Pfeifer hat bei der Verfassung seines Artikels nicht rechtswidrig gehandelt. Karl Pfeifer hat mit keinem Dritten in der Causa Pfeifenberger in irgendeiner Form zusammengearbeitet. Karl Pfeifer hat sich an der Strafverfolgung von Werner Pfeifenberger nicht beteiligt, er hat diese auch nicht eingeleitet. Sein Handeln war nicht für den Tod von Werner Pfeifenberger kausal und schon gar nicht hat er diesen gewollt bzw damit abgefunden.

Beweis: Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme

6.3. Karl Pfeifer hat lediglich einen Artikel über Werner Pfeifenberger geschrieben, in dem er sich kritisch mit seinen Ansichten auseinandergesetzt hat.

6.4. Aus diesen Gründen entspricht die Ermittlung des Bedeutungsinhaltes der inkriminierten Äußerung und des Tatsachenkerns weder der herrschenden Rechtsprechung, noch dem durchgeführten Beweisverfahren.

Der Privatankläger und Antragsteller erhebt das Vorbringen zu

I. Anregung zur Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes

auch zum Vorbringen dieser Anregung.

7. Anregungen:

ad I.) Die Generalprokuratur möge eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung
des Gesetzes einbringen.

ad II.) Die Generalprokuratur möge eine außerordentliche Wiederaufnahme
beantragen.


Wien, am 04. Dezember 2001 Für den Pivatankläger und Antragsteller

 

18 Bs 51/00
REPUBLIK ÖSTERREICH
Oberlandesgericht Wien

Das Oberlandesgericht Wien hat in nichtöffentlicher Sitzung durch die Senatspräsidentin Dr. Trieb als Vorsitzende sowie die Richter Dr. Krenn und Dr. Novak als weitere Senatsmitglieder in der Medienrechtssache des Antragstellers Dr. Jörg HAIDER gegen die Antragsgegnerin Falter Zeitschriften GesmbH wegen §§ 6 ff MedienG über die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom
4. Jänner 2000, GZ 9b E Vr 38/00-2, den
B e s c h l u s s
gefasst:
Der Beschwerde wird F o l g e gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die Anordnung der Hauptverhandlung und die Entscheidung über den Antrag auf Veröffentlichung einer kurzen Mitteilung nach § 8a Abs 5 MedienG aufgetragen.

B e g r ü n d u n g

Gegenstand des Verfahrens ist das in der Ausgabe Nr. 48/99 auf Seite 20 des periodischen Druckwerkes Falter wiedergegebene Faksimile der Titelseite der periodischen Druckschrift NEWS Nr. 45 vom November 1999 mit der mit dem Bildbegleittext “Die Demo: Wer gegen ihn auftritt” sowie der Schlagzeile “Feindbild” versehenen Fotomontage des mit Hörnern versehenen Kopfes des Antragstellers, die ihn für den Durchschnittsleser als Teufel erscheinen lasse und die durch den als Schlagzeile gestalteten Bildbegleittext noch verstärkt werde.
Der Antragsteller erachtet hiedurch den Tatbestand der üblen Nachrede nach § 111 StGB bzw der Beleidigung nach § 115 StGB (oder auch des § 297 StGB) als verwirklicht und begehrt neben dem Zuspruch einer auf §§ 6 ff MedienG gegründeten Entschädigungszahlung zunächst die Veröffentlichung einer kurzen Mitteilung über das eingeleitete Verfahren gemäß § 8a Abs. MedienG.
Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Erstgericht das Verfahren a limine ein und legte dem Antragsteller den Kostenersatz auf.
Dies mit der wesentlichen Begründung, die - mittels Fotomontage angebrachten - Hörnchen stellten - wenn sie vom oberflächlichen Betrachter überhaupt wahrgenommen werden - den Antragsteller lediglich als streitfähig, keineswegs als den “Leibhaftigen” dar- Ein Bezug des Antragstellers zum “absolut Bösen” bzw zu einem “verabscheuungswürdigen Monstrum” könne, zumal lediglich im Fließtext des zugehörigen, unter der Überschrift “Beelzebuberlpartie” erschienenen Artikels die Gegenstand eines von Dr. Haider angestrengten Rechtsstreites wegen Beleidigung beim Landesgericht St. Pölten bildende Darstellung des Antragstellers mit zugespitzten Ohren und umgeben von Höllenflammen beschrieben werde, nicht hergestellt werden. Das sich auf den Abgebildeten beziehende Wort “Feindbild” sei in Anbetracht des als Politiker polarisierenden Antragstellers nicht tatbildlich.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Antragstellers (ON 4), der Berechtigung zukommt.
Anders als bei der Feststellung des Bedeutungsinhaltes (eines Textes) nach durchgeführtem Beweisverfahren ist bei der a-limine Prüfung (dieses Textes) jedenfalls vom weitestmöglichen und auch für den Äußernden ungünstigsten (bloß nicht rein spekulativen ) Bedeutungsinhalt auszugehen (MR 1999/1, S. 16). Die Erscheinungsformen der Ehrenbeleidigung sind vielgestaltig..... sie können auch durch zeichnerische Darstellungen (z B Karikaturen) begangen werden (Kienapfel Grundriss des österreichischen Strafrechtes4 Vorbemerkungen §§ 111 ff RN 44). Jenseits sachlicher Kritik liegen abfällige Werturteile, die entweder in der Relation zum Tatsachensubstrat ganz unverhältnismäßig überzogen sind oder jedes Maß an Sachlichkeit vermissen lassen. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn es gar nicht mehr um die sachliche Auseinandersetzung, sondern allein um die Herabsetzung der Person geht; manche sprechen insoweit auch von Schmähkritik. Solche Wertungsexzesse sind nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt und daher ausnahmslos tatbildlich (Kienapfel aaO RN 14).
Im Gegensatz zu den erstgerichtlichen Ausführungen sind nicht nur die Hörner am Kopf des Antragstellers deutlich erkennbar sonder ergibt sich aus dem Gesamteindruck der Darstellung als einziger für den verständigen Medienkonsumenten erkennbarer Bedeutungsinhalt der inkriminierten Veröffentlichung, der Antragsteller sei ein Teufel, sohin eine Gestalt, die das Böse verkörpert (Duden Deutsches Universalwörterbuch3, S 1528), wobei die Schlagzeile “Beelzebuberlpartie” (vgl. Duden aaO, S 217) und die Einleitung “Die Hölle” (in Fettdruck) den diffamierenden Charakter verstärken.
Angesichts des in dem zur inkriminierten Fotomontage abgedruckten Artikel erfolgenden Berichtes, dass diese Fotomontage das Cover einer Ausgabe von “News” gewesen und deshalb ein von Dr. Haider gegen “News” wegen übler Nachrede bzw Beleidigung angestrengter Rechtsstreit gerichtsanhängig sei, sind folgende rechtliche Erörterungen geboten:
Eine Berichterstattung über fremde ehrenrührige Äußerungen stellt dann den Tatbestand der Ehrenbeleidigung bzw der Verleumdung her, wenn erkennbar ist, dass sich der Berichterstatter mit der Äußerung identifiziert (Foregger in WK2 RN 39 zu Verbem zu §§ 111 bis 117). Bei der Beurteilung, ob die Wiedergabe fremder Beschuldigungen “identifizierend” ist, kommt es darauf an, wie der durchschnittliche Empfänger die Berichterstattung verstehen kann; dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen, tatbestandsmäßig ist auch ein tendenziöser Bericht (Foregger aaO RN 36 zu Vorbem zu §§ 111 bis 117). Im Fall der vorliegenden Publikation ist die relativ großformatig gestaltete Farbmontage ein Blickfang, der nicht nur einen durch die Überschrift verstärkten eigenständigen Informationsinhalt für den flüchtigen Leser darstellt, der sich lediglich überblicksartig zu informieren und auf die Artikellektüre zu verzichten pflegt und dem demnach der Zusammenhang mit einem Rechtsstreit über eine vorgefallene Beleidigung nicht zur Kenntnis gelangt. Darüber hinaus erweist sich diese Gestaltung der Publikation in ihrer Einseitigkeit der Wiedergabe der inkriminierten Abbildung mit sehr hohem Auffälligkeitswert, während ihr der Hintergrund einen weit weniger auffälligen Bericht wert ist, auch als tendenziös, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt die Tatbestandsmäßigkeit indiziert ist.
Die Abgrenzung der Schmähung von den anderen üblen Nachreden und der Beschimpfung ist nicht immer leicht.... Zur richtigen Einordnung im Einzelfall kommt es darauf an, festzustellen, ob der Täter ganz allgemein seiner Missachtung Ausdruck verleihen oder den Charakter des Beleidigten angreifen wollte (Foregger aaO RN 3 zu § 111). Diese Abgrenzung wird vom Erstgericht nach eingehender Befassung mit der Leserauffassung vorzunehmen sein.
Gerade für die für den Bestand eines demokratischen Staatswesens so entscheidende öffentliche gesellschaftliche und politische Diskussion ist es unabdingbar, dass eine solche nicht losgelöst von der Sachbasis durch bloße ehrenrührige Angriffe geführt und ihr solcherart die existentielle Grundlage entzogen wird. Die Grenzen vertretbarer Kritik sind bei Politikern weiter zu ziehen als bei Privatpersonen, dies steht einer Einschränkung zur Sicherung der Ziele und Werte des Art 10 Abs 2 MRK jedoch nicht entgegen (MR 1994 S 207). Eine Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art 10 Abs 1 MRK im Sinne der in Abs 2 normierten Pflichten und Verantwortung zur Aufrechterhaltung der Ordnung und des Schutzes des guten Rufes anderer erscheint demnach bei massiv ehrenrührigen Angriffen, wie sie in der Darstellung des Antragstellers als ausschließlich negativ besetzte Persönlichkeit zu erblicken sind, unabdingbar geboten.
Hievon ausgehend war sohin die Anordnung der Hauptverhandlung und die Entscheidung über den Antrag nach § 8a Abs 5 MedienG aufzutragen.
Oberlandesgericht Wien
1016 Wien, Schmerlingplazt 11
Abt.18, am 6.März 2000
Dr.Doris TRIEB
Für die Richtigkeit der Ausfertigung
der Leiter der Geschäftsabteilung